... titelte Mark Branson, Präsident der BaFin, seine Rede anlässlich der Jahrespressekonferenz der Aufsicht. "Wie gut wir als Europa abschneiden, hängt auch davon ab, wie sich unser Finanzsystem entwickelt. Der aktuelle Befund ist gemischt: Die Bankenunion ist noch immer nicht vollendet und kann ihr volles Potenzial nicht ausschöpfen. Der Kapitalmarkt in Europa ist fragmentiert und ineffizient. Wir haben nicht einen Markt, wir haben 27 Märkte. Wir brauchen einen einheitlicheren und effizienteren Kapitalmarkt“, umreißt Branson die aktuelle Situation.
Dabei spielten Regulierung und Aufsicht eine Schlüsselrolle. Für die richtige Weichenstellung seien "drei Punkte entscheidend: 1. Die Kalibrierung der Finanzregulierung darf nicht abgeschwächt werden. 2. Wir brauchen stattdessen weniger Komplexität in der Regulierung und mehr Proportionalität. 3. Und wir brauchen europaweite Aufsichtskonvergenz mit gleich hohen Qualitätsstandards."
Für den BaFin-Chef heißt das: Keine Abstriche bei Basel III oder Solvency II, aber Verschlankungen bspw. bei MiCAR, der europäischen Regulierung von Kryptowerten, oder den verschiedenen Regelwerken rund um das Thema Nachhaltigkeit. Dabei zeigte sich Branson durchaus selbstkritisch: "BaFin-Regelungen sind nur das Sahnehäubchen auf der großen Regulierungstorte. Aber sie machen das Ganze nicht immer verdaulicher." Zutreffend beschreibt Branson: "Wir müssen auch deshalb die Komplexität der Regulierung reduzieren, weil sie diskriminierend wirkt. Sie erschwert jungen Unternehmen den Markteintritt. Und sie belastet generell kleine Unternehmen besonders stark."
Für die Reduktion der Kompexität sieht Branson insbesondere zwei Schlüsselfaktoren: ++ Mehr Proportionalität und ++ einheitlich hohe Qualitätsstandards der Aufsichtsbehörden in der EU. "One-size-fits-all gibt es hier eben gerade nicht. Wir könnten einige Anforderungen an kleinere Unternehmen deutlich reduzieren – zumindest für die, die besonders sicher und stabil sind. Ich denke da zum Beispiel an Meldepflichten und die Berechnung komplexer Risikoindikatoren. Andere Länder, wie die Schweiz, haben gezeigt, dass das funktionieren kann“, sprach sich der BaFin-Präsident, der von 2014 bis 2021 für die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA aktiv war, ungewöhnlich deutlich für einfachere Regeln bei kleineren Banken aus und brach eine Bresche für Sparkassen und Genobanken: "Ein diverses Finanzsystem mit großen und einer Vielzahl von kleinen Playern ist eine Stärke. Aber das werden wir nur beibehalten können, wenn wir ein Auge auf die Fixkosten der Regulierung haben."
Das dürfte nicht nur ganz im Sinne des BVR sein, dessen Vorstand Daniel Quinten sich schon lange im Sinne der Proportionalität und nun auch als Präsident der Europäischen Vereinigung der Genossenschaftsbanken (EACB) intensiv für eine Small Banking Box einsetzt (vgl. 'Bi' 12/24).
Neben der Proportionalität soll der Abbau einer streng regelbasierten Regulierung zugunsten einer prinzipienbasierten Regulierung einen Durchbruch bei der Komplexität bringen. So könnte die Aufsicht flexibler und mit einem größeren Ermessensspielraum reagieren. "Das wiederum kann nur dann funktionieren, wenn wir europaweit das gleiche Verständnis davon haben, wie wir dieses Ermessen ausüben (…) Aufsichtsbehörden dürfen sich keinen Standortwettbewerb liefern, indem sie Unternehmen mit besonders toleranter Aufsicht locken", so Branson.
Dafür sollten auch die Europäischen Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA und ESMA stärker eingreifen können. Das hat auch die BaFin schon erlebt, denn sie war eine von 18 Behörden, denen die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA im vergangenen Jahr schlechte Noten in der Wohlverhaltensaufsicht gegeben hat.
Bei Immobilien erwartet die BaFin weiter herausfordernde Zeiten. Man habe den Kapitalpuffer spät und bei Gewerbeimmobilien zu spät eingeführt. Trotz des deutlichen Einbruchs bei Hypothekendarlehen sieht man aber noch keine Notwendigkeit zur Reduktion des Kapitalpuffers. "Wir haben hier ein Nachfrageproblem und kein Angebotsproblem", erläutert BaFin-Exekutivdirektor Raimund Rösler.
Er verkennt u. E. jedoch, dass der Kapitalpuffer zu höheren Kosten, damit auch zu höheren Zinssätzen und so zu einer geringeren Nachfrage führt. Skeptisch beurteilt die BaFin auch den Anstieg des Verkaufs von Zertifikaten insbesondere durch die Sparkassen. Hier wolle man prüfen, so Branson, ob Konzeption und Vertrieb "im Einklang mit den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher“ stehe.
Auf Nachfrage Ihres 'Bi'-Chefredakteurs, was denn bei der BaFin selbst zur Reduktion von Komplexität geplant sei, erläutert Branson, dass getreu einem bottom up-Ansatz jedes BaFin-Ressort mindestens ein Ziel dazu definieren musste. Hier gehe es bspw. um den Abbau von Meldepflichten, die Vereinfachung von Inhaberkontrollverfahren oder der Umgang mit Verbraucherbeschwerden. "Mit 14 unserer 69 Jahresziele für 2024 wollen wir genau das erreichen: Den bürokratischen Aufwand reduzieren oder Prozesse beschleunigen", macht Branson Mut, dass zumindest erste Schritte erfolgen.
'Bi'-Fazit: Viele der Ausführungen des BaFin-Präsidenten könnten wir vorbehaltlos unterschreiben. Bis jedoch den schönen und wahren Worten auch konkrete Taten folgen, bleiben wir aufgrund der Erfahrungen zum Bürokratieabbau auch bei der Reduktion der Komplexität skeptisch. Neben der großen Europäischen Bühne kann die BaFin auch selbst manches vereinfachen, das Ihnen das Leben erleichtert, ohne die Stabilität des Finanzsystems zu gefährden. Wir nehmen hier gerne Ihre Vorschläge auf.