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Wüstenrot: Liefert eine (rechtsfehlerhafte) Arbeitsanweisung Schikane gegen Makler?

Vor einigen Wochen hatten wir Anlass, die juristische Kompetenz von Mitarbeitern der Wüstenrot & Württembergische AG in Frage zu stellen. So lehnte die Wüstenrot Bausparkasse AG pauschal Vollmachten für juristische Personen ab, ‚verwechselte‘ einen Versicherungsmakler, der als natürliche Person agierte, mit einer juristischen Person und forderte eine umfassende Kontenvollmacht mit Legitimation nach dem Geldwäschegesetz (GwG) bis hin zur Abgabe einer Unterschriftsprobe – obwohl der Versicherungsmakler mit der eingereichten Vollmacht lediglich Vertragsauskünfte begehrte.

Im Bericht „Wüstenrot/W&W: Fatales Rechtsunwissen oder Schikane gegen Versicherungsmakler“ (vgl. ‚vt‘ 31/21) durchleuchteten wir die gravierenden rechtlichen Fehleinschätzungen. Der Konzern selbst trug zur Aufklärung nichts bei: Auf unsere Anfrage an den Wüstenrot-Vorstandsvorsitzenden Bernd Hertweck wollte man sich „nicht äußern“, vielmehr wolle man „mit dem Betroffenen direkt Kontakt aufnehmen, um sein Anliegen zu klären“. Immerhin etwas. Aber auf die vom 30.07. stammende W&W-Reaktion und unseren am 03.08. folgenden Bericht bemühte sich erst am 10.08. ein Mitarbeiter vom Wüstenrot ‚Beschwerde-Kommunikationscenter‘ um eine Antwort an den betroffenen Versicherungsmakler Falk Leibenzeder/Emmendingen.

Bezug nehmend auf die Anfrage unserer Redaktion wolle man nun die Hintergründe erläutern. Doch die Erläuterungen werfen mehr Fragen auf als nachvollziehbare Begründungen geliefert werden. So vertritt W&W die Auffassung, dass der Versicherungsmakler mit der vorgelegten Vollmacht bevollmächtigt war, Bausparverträge abzuschließen, zu ändern oder zu kündigen, aber eine Auskunftsbevollmächtigung für Bausparverträge nicht gegeben sei.

Auf den ersten Blick irritierend mag die Vollmacht-Formulierung sein, der Makler sei bevollmächtigt, im Namen des Auftraggebers u. a. Versicherungs- und Bausparverträge, „abzuschließen, zu ändern oder zu kündigen, Erklärungen, Anzeigen und Informationen zu Versicherungsverträgen gem. § 7 VVG abzugeben oder entgegenzunehmen …“. BSV kündigen und ändern ja, aber keine Vertragsinformationen erhalten, weil nur Informationen zu Versicherungsverträgen genannt sind?

Wüstenrot-Boss Hertweck haben wir um Stellungnahme gebeten, warum die auslegungsbedürftige Formulierung in der vorgelegten Vollmacht nach Auffassung der Wüstenrot nicht auslegungsfähig ist. Doch die Rechtsfrage ohne jeglichen Kundenbezug will W&W erneut nicht beantworten: „Grundsätzlich werden Kundenbelange wie diese von uns direkt mit den Betroffenen geklärt. An Dritte geben wir dazu keine weitere Stellungnahme ab.“

Das hält uns nicht davon ab, Ihnen eine fundierte Einschätzung zu liefern. Als „für den speziellen Fall auslegungsbedürftig“ wertet Rechtsanwältin Kathrin Pagel, Fachanwältin für Versicherungsrecht, Partnerin in der Kanzlei Michaelis, die Vollmacht und erläutert: „Jedoch darf man sicherlich davon ausgehen, dass derjenige, der zum Abschluss, zur Änderung und zur Kündigung von Bausparverträgen bevollmächtigt ist, auch nur eine Auskunft zu den bestehenden Verträgen zwecks Ausführung dieser Tätigkeiten für den Kunden anfordern kann. Das Dokument ist dahingehend auslegungsbedürftig, allerdings sind die vorgenannten Rechte sehr viel umfassender und bedingen z. T. eine Auskunft über bestehende Verträge.“

Zu der am 17.06. ergangenen Vollmachtablehnung kommt W&W allen Ernstes fast zwei Monate später mit einer angeblich notwendigen Originalurkunde um die Ecke. Es sei „die Form nach § 172, 126 BGB (…) nicht eingehalten, da uns keine Originalurkunde vorgelegt wurde“. Bereits bei den BGB-§§ ist W&W nicht sattelfest, geschweige denn bei den Inhalten. „Eine Vollmacht kann zurückgewiesen werden. Die Zurückweisung hat unverzüglich i. S. d. §§ 174 Abs. 1 BGB, 121 Abs. 1 S. 1 BGB  zu erfolgen“, stellt RAin Pagel klar. „Unverzüglich“ steht unmissverständlich im BGB.

Unsere rhetorische Frage an Hertweck, ob rund zwei Monate dem BGB-Erfordernis der unverzüglichen Zurückweisung und der entsprechenden Rechtsprechung genügen, hat Wüstenrot nicht beantwortet. Kommen wir zum Punkt GwG-Legitimation. Die vorgelegte Vollmacht berechtige zu „vertragswesentlichen Handlungen wie (…) Kündigungen“, daher sei „gemäß § 10 Abs. 1, 3 des Geldwäschegesetzes eine Legitimation des Bevollmächtigten aus den allgemeinen Sorgfaltspflichten gesetzlich vorgeschrieben“, wird dem Versicherungsmakler beschieden.

Doch der hat lediglich um Vertragsauskünfte gebeten. „Für die reine Auskunftserteilung bedarf es keiner Legitimation“, erläutert Rechtsexpertin Pagel. Versicherungsmakler Leibenzeder hat sich von seinem Kunden jedenfalls nicht dazu bevollmächtigen lassen, „über mein jeweiliges Guthaben auf den oben genannten Konten uneingeschränkt – auch zu eigenen Gunsten oder zu Gunsten Dritter – zu verfügen“, wie es die von Wüstenrot vorgelegte Kontenvollmacht vorsieht.

Wüstenrot, das wollen wir nicht unterschlagen, entschuldigt sich am 10.08. bei Leibenzeder für ein „Versehen“. Denn „aus dem Zusatz ‚Finanzservice‘ haben wir geschlossen, dass es sich um eine juristische Person handelt“. Dass das grober Unfug ist, hatten wir schon unter Darlegung der Rechtslage eine Woche zuvor am 03.08. berichtet. Schön, wenn Wüstenrot hier einlenkt.

Allerdings scheint sich die richtige Rechtsauffassung im Konzern dennoch nicht verbreitet zu haben. Denn Finanzservice Falk Leibenzeder hat zu einem weiteren Bausparkunden eine Vollmacht eingereicht und um Vertragsauskünfte gebeten. Am 13.08. lehnt ein anderer Wüstenrot-Sachbearbeiter die Bitte ab: „Vollmachten für juristische Personen merken wir nicht vor.“

Leibenzeder erhält erneut das Kontenvollmacht-Formular. Das solle ausgefüllt und vom Bausparer unterschrieben zurückgesandt werden. Zudem müsse sich Wüstenrot nach GwG über die Identität von Verfügungsberechtigten Gewissheit verschaffen, benötige eine Unterschriftsprobe und die nach dem GwG erforderlichen Daten müsse Leibenzeder von einem Kreditinstitut bestätigen lassen – mit Ausweiskopien! Und das alles für eine Vertragsauskunft – für die Beratung im Kundeninteresse. Wir fassen zusammen und legen Hertweck auch zu diesem Vorgang Fragen auf den Tisch:

++ Abermals wird ‚Finanzservice Falk Leibenzeder‘ als juristische Person bezeichnet. Offenbar handelt es sich dabei, anders als im Schreiben vom 10.08. dargestellt, nicht um ein Versehen. Wie ist es zu erklären, dass zwei verschiedene Sachbearbeiter eine inhaltlich identische, rechtsfehlerhafte Aussage treffen?  

++ Im Schreiben vom 10.08. führt Wüstenrot aus, das Muster zur Kontenvollmacht habe man zugesendet, da die vorgelegte Vollmacht keine Auskunftsrechte des Bevollmächtigten umfasse. Wenn Versicherungsmakler Leibenzeder Auskünfte über die Verträge der Kunden wünsche, bestehe die Möglichkeit, eine Auskunftsvollmacht zu erteilen. Warum wird im Schreiben vom 13.08. auf diese Möglichkeit nicht hingewiesen, sondern der Makler aufgefordert, die beigefügte Kontovollmacht ausgefüllt und vom Bausparer unterschrieben zurückzusenden?  

++ Die Wüstenrot-Antworten vom 17.06. und vom 13.08. sind wortgleich, obwohl sie von unterschiedlichen Sachbearbeitern erstellt wurden. Das legt die Vermutung nahe, dass es hierzu eine Arbeitsanweisung mit Mustertext gibt. Existiert bei der Wüstenrot eine Arbeitsanweisung mit Mustertextbausteinen, wie zu verfahren ist, wenn Versicherungsmakler Vollmachten vorlegen? Bekanntlich will W&W Fragen nicht beantworten, teilt uns aber zudem mit, „mittlerweile sind wir im Kontakt mit dem Makler“.

Das bestätigt Leibenzeder. Es sei ein Telefonat mit Wüstenrot-Vorstand Falko Schöning angekündigt. Das fand dann auch statt. Schöning habe die Umstände bedauert und auf die Vorschriften zum GwG hingewiesen. Vereinbart wurde die Zusendung einer Auskunftsvollmacht, dann solle der Versicherungsmakler die gewünschten Daten erhalten. Mit etwas Verzögerung beim Kunden wurde die Vollmacht kürzlich eingereicht. „Mir gehen diese Woche postalisch die Unterlagen zu. Mal schauen, ob dann alles dabei ist und ich weitere Auskünfte ohne größere Probleme bekomme. Danke für Ihre Unterstützung“, hofft Leibenzeder dass er nun endlich anhand der Vertragsfakten im Kundeninteresse beraten kann.

‚vt‘-Fazit: Es ist gut, dass sich nun der Wüstenrot-Vorstand der Sache angenommen hat und hoffentlich diesen Missstand abstellt. Wenn unterschiedliche Sachbearbeiter mit identischen Sätzen rechtsfehlerhaft eine natürliche Person mit einer juristischen Person verwechseln, Vollmachten für juristische Personen nicht anerkennen und mit Verweis auf das GwG völlig überdimensionierte Legitimationen und Kontenvollmachten für einfache Auskunftsbegehren fordern, dann ist das u. E. ein Missstand und aus der identischen Wortwahl schließen wir, dass es dafür sogar extra eine Arbeitsanweisung gibt.

Die sollte endlich kassiert werden, unabhängig davon, ob das Prozedere auf juristisch völlig inkompetente Sachbearbeiter oder vorsätzlicher Schikane gegen Versicherungsmakler beruht. Ein Versuch, die eigene Ausschließlichkeit zu schützen, indem gültige Vollmachten nicht beachtet werden, ist zugleich eine Missachtung des Kundeninteresses und nach Auffassung der BaFin „verstößt die Nichtbeachtung einer unbefristeten, nicht widerrufenen und umfassenden Vollmacht grundsätzlich gegen § 1a VVG“. Das sollte auch Konzernboss Jürgen A. Junker nicht auf die leichte Schulter nehmen.

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