Aktuelles

Wüstenrot/W&W: Fatales Rechtsunwissen oder Schikane gegen Versicherungsmakler

Was ist bloß bei der Wüstenrot & Württembergische AG los? Gibt es dort keine Mitarbeiter mit juristischer Kompetenz? Oder werden Versicherungsmakler vorsätzlich bei ihrer Arbeit für die Mandanten, bei der Interessenwahrnehmung ihrer Kunden, behindert? Die Wüstenrot Bausparkasse AG jedenfalls lehnt pauschal Vollmachten für juristische Personen ab – obendrein ist der Versicherungsmakler noch nicht einmal juristische Person:

Versicherungsmakler Falk Leibenzeder/Emmendingen forderte bei Wüstenrot unter Vorlage der Maklervollmacht Auskünfte zu einem Bausparvertrag eines Mandanten an. Statt der erbetenen Vertragsinformationen teilte Wüstenrot im Schreiben vom 17.06.2021 mit: „Vollmachten für juristische Personen merken wir nicht vor.“ Der Versicherungsmakler solle mit dem Bausparer klären, ob „eine einzelne Person aus Ihrem Unternehmen für den Bausparvertrag bevollmächtigt werden soll“. Das ist in zweifacher Hinsicht, höflich ausgedrückt, bemerkenswert.

Denn der Versicherungsmakler ist keine juristische Person. Die Vollmacht wurde erteilt an Finanzservice Falk Leibenzeder, von einer Firmierungsangabe ist dort wie auch in der E-Mail-Signatur und im Vermittlerregister weit und breit nichts zu erkennen. Woraus schließt Wüstenrot, dass Versicherungsmakler Falk Leibenzeder eine juristische Person sein soll? Unsere Frage an den Wüstenrot-Vorstandsvorsitzenden Bernd Hertweck beantwortet W&W nicht.

Die Bezeichnung als ‚Finanzservice‘ führt jedenfalls nicht zu einer juristischen Person, erläutert Rechtsanwältin Kathrin Pagel, Fachanwältin für Versicherungsrecht, Partnerin in der Kanzlei Michaelis: „Ein Versicherungsmakler kann natürliche Person und als Kaufmann Unternehmer sein und seinem Unternehmen einen Namen geben. Der Name eines Unternehmens, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte betreibt, ist die Firma. Ein Einzelkaufmann kann sein inhabergeführtes Unternehmen unter Beachtung gesetzlicher Regelungen – wie beispielsweise § 18 HGB und Wettbewerbsrecht – nennen, wie es ihm beliebt. Es gilt u. a. der Grundsatz der Firmenwahrheit und Firmenklarheit.

Es gibt bei der Wahl der Firma Personenfirmen, Fantasiefirmen, Sachfirmen und Mischfirmen. Z. B. wird bei einer Personenfirma der Name einer Person verwendet, bei einer Sachfirma die Tätigkeit des Unternehmens sachlich beschrieben und bei einer Mischfirma kombiniert man mehrere Möglichkeiten, z. B. Personenfirma und Sachfirma oder auch einen Fantasieausdruck mit einem Personennamen.“ Neben den Darlegungen zur Firmierung erklärt RAin Pagel auch die Zulässigkeit der Verwendung der Firmenbezeichnung in einer Vollmacht:

„Eine Einzelperson kann nur natürliche Person, keine juristische Person, aber auch Kaufmann sein. Ein Einzelkaufmann kann auch von einer anderen Person zur Vornahme von bestimmten Handlungen und Erklärungen bevollmächtigt werden. Die Erteilung der Vollmacht erfolgt gemäß § 167 Abs. 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll. Es bestehen keinerlei Bedenken gegen die Verwendung der korrekten Firmenbezeichnung eines Kaufmanns im Rechtsverkehr, so auch in der Vollmacht, zumal bei Verwendung seines Namens, solange also klar und deutlich zu erkennen ist, wem die Vollmacht erteilt wird.“

Doch selbst wenn der Versicherungsmakler eine juristische Person wäre, ist die Rechtsauffassung der Wüstenrot völlig abwegig. Seit wann haben Vollmachten für juristische Personen keine Gültigkeit? Doch unsere Frage an den Wüstenrot-Boss, auf Basis welcher rechtlichen Regelung Vollmachten mit einer juristischen Person als Vollmachtnehmer nicht anerkannt werden, beantwortet Hertweck nicht.

Gerne lassen wir der Wüstenrot durch die versierte Rechtsanwältin Pagel auch hier Nachhilfe geben: „Eine Vollmacht kann jeder rechtsfähigen Person erteilt werden, also natürlichen und juristischen Personen und daneben auch teilrechtsfähigen Personengesellschaften. Eine auf eine juristische Person ausgestellte Vollmacht ist nicht ungültig.“ Aber weil Wüstenrot Vollmachten für juristische Personen nicht vormerkt, legt man dem Versicherungsmakler dem Ablehnungs-Schreiben eine „Erklärung“ bei, die solle er „ausgefüllt und vom Bausparer unterschrieben“ zurücksenden. Dabei handelt es sich um eine Kontenvollmacht, die es in sich hat.

Die vom Kunden unterzeichnete Maklervollmacht beinhaltet eine Postempfangsvollmacht und bevollmächtigt den Versicherungsmakler, insbesondere Verträge abzuschließen, zu ändern und zu kündigen. Doch mit der Kontovollmacht der Wüstenrot soll der Kunde u. a. unterzeichnen, dass der Bevollmächtigte berechtigt ist, „über mein jeweiliges Guthaben auf den oben genannten Konten uneingeschränkt – auch zu eigenen Gunsten oder zu Gunsten Dritter – zu verfügen“. Warum muss der Kunde eine so umfangreiche Verfügungsberechtigung erteilen? Sie ahnen es schon – der W&W Konzern will diese Frage nicht beantworten.

Doch es kommt noch dicker. Wenn der Versicherungsmakler über das Bausparguthaben verfügen darf, zu eigenen Gunsten oder um es woanders anzulegen, dann kommt das Geldwäschegesetz (GwG) ins Spiel, er wird zum wirtschaftlich Berechtigten bzw. im Sinne des GwG zur auftretenden Person. Dann muss er sich auch identifizieren, und genau das verlangt Wüstenrot:

„Nach dem Geldwäschegesetz müssen wir uns über die Identität von Verfügungsberechtigten Gewissheit verschaffen. Außerdem brauchen wir eine Unterschriftsprobe. Bitte lassen Sie die nach dem Geldwäschegesetz erforderlichen Daten von einem Kreditinstitut bestätigen.“ Da benötigt der Kunde eine gute Beratung und dann blockiert Wüstenrot die Tätigkeit des Versicherungsmaklers mit einer Fülle bürokratischer Schikanen.

Schikanen, weil die Kontovollmacht gar nicht nötig ist. „Ich habe doch bloß Vertragsinformationen angefordert“, ärgert sich Leibenzeder über das kunden- und vermittlerunfreundliche Wüstenrot-Verhalten. So hat auch die Maklervollmacht selbstverständlich keine Kontenvollmacht beinhaltet, weil diese für die beauftragte Tätigkeit des Maklers nicht benötigt wird. Doch lassen wir auch hier die Rechtlage durch die Expertin Kathrin Pagel erklären:

„Welchen Umfang die erforderliche Vollmacht haben muss, um das gewünschte Geschäft durchführen zu können, hängt von der konkreten Beauftragung ab. Insoweit stellt sich die Frage, wofür eine umfassende Kontenvollmacht benötigt werden soll. Dies wäre näher zu begründen. Bei dem bevollmächtigten Stellvertreter handelt es sich um eine ‚auftretende Person‘ im Sinne des GwG, diese sind grundsätzlich gem. § 11 GwG identifizierungspflichtig. Die Identitätsprüfung erfolgt nach den Vorgaben des § 12 GwG. Auch hier dürfte ein Erfordernis davon abhängen, inwieweit die Vollmacht erteilt werden soll. Für Vertragsauskünfte ist dies nicht nötig. Die Anwendbarkeit des ‚Geldwäsche‘gesetzes setzt im Minimum den Umgang mit Vermögensgegenständen voraus, wie der Name verdeutlichen soll.“

Wenn das juristische Expertentum bei der W&W nicht in dem notwendigen Maße vorhanden ist, dürfen die Ausführungen der Juristin gerne als Weiterbildung Verwendung finden. Wir wollen Ihnen nicht vorenthalten, dass es auf unsere Anfrage an den Wüstenrot-Boss eine Reaktion des Konzerns gab. „Vielen Dank für Ihre Anfrage an Herrn Hertweck“, schreibt uns W&W. Doch von unseren sechs Fragen will man keine einzige beantworten: „Zu Einzelfällen können wir uns aus datenschutzrechtlichen Gründen gegenüber Dritten jedoch nicht äußern und werden mit dem Betroffenen direkt Kontakt aufnehmen, um sein Anliegen zu klären.“

Selbstverständlich haben wir den Namen des Versicherungsmaklers und den Vorgang benannt. Da der Makler sich an die ‚vt‘-Redaktion wandte, hätte man das konkludent als dessen Einverständniserklärung werten können, dass Wüstenrot auch Auskunft geben darf. Doch wenn es Rechtsbedenken gibt, nehmen wir die ernst: „Gerne entlasten wir W&W von datenschutzrechtlichen Bedenken. Bitte lassen Sie mir eine Schweigepflichtentbindungserklärung zukommen, die ich dem Makler vorlege“, greifen wir dem Konzern unter die Arme.

Zudem sind vier unserer Fragen allgemein, ohne konkreten Personenbezug, bspw. warum Vollmachten mit einer juristischen Person als Vollmachtnehmer nicht anerkannt werden. Dementsprechend bitten wir um deren Beantwortung, da „keine datenschutzrechtlichen Bedenken bestehen können“. Trauriges Ergebnis: Ein Formular für die Schweigepflichtentbindung haben wir bisher von W&W nicht bekommen, ebenso wurden die allgemeinen Fragen nicht beantwortet. Und auf die Kontaktaufnahme, „um sein Anliegen zu klären“, wartet Leibenzeder immer noch, wie wir in einem Telefonat erfahren.

‚vt‘-Fazit: Den Missständen im Konzern sollte sich Konzernboss Jürgen A. Junker schleunigst annehmen – bevor die W&W AG ein Fall für die BaFin wird. Wer rechtsgültige Vollmachten ignoriert, erschwert nicht nur die Arbeit des Versicherungsmaklers, sondern tritt Verbraucherrechte mit Füßen. Die Ablehnung einer gültigen Vollmacht kann Nachteile für den VN haben, wenn dadurch angeforderte Unterlagen nicht oder verspätet dem vom Verbraucher beauftragten und bevollmächtigten Versicherungsmakler zur Verfügung gestellt werden. Wenn Versicherer so offenkundig, wie in ‚vt‘ nachhaltig dokumentiert, gegen § 1a VVG verstoßen, dann darf die BaFin u. E. nicht weggucken.

Dieser Beitrag ist frei lesbar. Wenn Sie den 'direkten Draht' für das vertrauliche Gespräch mit Ihrem ‚versicherungstip‘-Chefredakteur nutzen, umfassend und zeitnah informiert und vollen Zugriff auf alle Print- und Digital-Leistungen von ‚versicherungstip‘ haben möchten: Sichern Sie sich umgehend die volle Leistungspalette  mit einem

'versicherungstip'-Abonnement.

Damit erhalten Sie

• wöchentlich die 'versicherungstip'-Ausgabe per Post

• dazu Spezial-Beilagen aus den Bereichen Beratung, Recht und Steuern

• vollen digitalen Zugriff auf alle Berichte in versicherungstip ab dem Erscheinungstag

• vollen digitalen Zugriff auf alle Service-Unterlagen (Urteile, Verordnungen, Gesetzentwürfe, Anwendungsschreiben etc.)

• vollen digitalen Zugriff auf unsere Volltext-Suche in allen 'vt'-Veröffentlichungen seit 2002 für Ihre Recherche und

•  Sie können den 'direkten Draht' für das vertrauliche Gespräch mit Ihrem Chefredakteur nutzen.

Hier finden Sie weitere Informationen zum 'versicherungstip' und zur Leistungspalette.

Teilen Sie diese Neuigkeit in Ihrem Netzwerk