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(Zu) heißer Ritt in türkischer Lira

Anleger sollten sich nicht von hohen Scheinrenditen täuschen lassen, rieten wir im 'finanztip' 14/18 vor rund vier Monaten. Hintergrund dieser Aussage waren Leseranfragen, die sich für Anleihen in Exotenwährungen interessierten. In diesem Fall bezog sich unsere Aussage auf eine von der Weltbank emittierte Anleihe (ISIN: XS1791714147) mit einem scheinbar attraktiven Coupon von 12 % auf Basis der türkischen Lira (TRY).

Wir rieten vom Erwerb dieses Produkts dringend ab, da eine weitere Talfahrt der TRY und der Wirtschaft am Bosporus für uns offensichtlich war. Da hilft auch das an sich sehr gute Rating der Weltbank nichts, denn die Bonität der Türkei und damit auch das Währungsrisiko liegen deutlich im nicht investierbaren Bereich. Ein Einstieg ist reine Spekulation und nur etwas für Zockernaturen mit starken Nerven. Der zu einem Kurs von 97 % besprochene Bond hat in den vergangenen Wochen massiv an Wert verloren und notiert derzeit nur noch bei 67 %. Zusammen mit den Währungsverlusten liegt das Minus damit bei mehr als 50 %. Herbe Verluste also für Anleger, die sich vermeiden ließen. Allein in den zurückliegenden 12 Monaten verlor die TRY fast 50 % an Wert gegenüber dem €.

Auch die Scheinblüte der Wirtschaft verliert zunehmend an Kraft. Die Inflation sprang im Juli auf einen Wert von 16 %. Die Rendite türkischer Staatsanleihen hat sich innerhalb eines Jahres auf 18 % fast verdoppelt, allerdings nur theoretisch und in Landeswährung. In Euro gerechnet ebnet die Erosion der TRY jeglichen Renditevorteil wieder ein und macht Türkei-Anleihen damit zu einem garantierten Verlustgeschäft. Nach Ansicht der Landesbank Baden-Württemberg ist eine Zahlungsbilanzkrise in naher Zukunft nicht mehr ausgeschlossen, zumal das Land sehr stark von Auslandskapital abhängig ist.

Auch die Bayerische Landesbank betont die hohe Fremdwährungsverschuldung der Türkei und warnt vor einer Zahlungsbilanzkrise sowie weiteren schwerwiegenden konjunkturellen Konsequenzen. Wir bekräftigen erneut unsere kritische Haltung zu Anleihen und Wertpapieren der Türkei. Im Juli senkte die Rating Agentur Fitch die Bonitätseinstufung für langfristige Fremdwährungsverbindlichkeiten von BB+ auf BB mit negativem Ausblick ab. Besorgte 'finanztip'-Leser äußerten in den vergangenen Tagen Bedenken bezüglich eines Übergreifens dieser Währungskrise auf andere Regionen. Grundsätzlich sehen Analysten die Ansteckungsgefahr allerdings als nicht besonders groß an. Dafür ist die Bedeutung der Türkei als Handelspartner oder als Finanzsektor zu unbedeutend. Nur etwa 3 % der Exporte des EU-Raums gehen nach Raiffeisen Research-Angaben in die Türkei. Ein systemisches Risiko wird daher nicht gesehen.

Anleihen von Hartwährungsregionen (CHF, NOK, AUD), die wir unseren Lesern in den vergangenen Monaten immer wieder wärmstens nahegelegt haben, könnten sogar von einer Türkei-Krise profitieren, da Anlagegelder zunehmend auf der Suche nach sicheren Häfen sind. Unter Druck könnten dagegen Währungen aus den Schwellenländern geraten, die wir ohnehin sehr selten vorstellen. Allerdings betont die Raiffeisenbank, dass bei einigen europäischen Kreditinstituten die Ertragsrechnung in Zukunft durch das Türkei-Exposure belastet werden könnte. Spaniens Banken weisen demnach mit über 80 Mrd. € das stärkste Türkei-Engagement auf, gefolgt von Frankreich mit 35 Mrd. €, Italien mit 18,5 Mrd. € und Großbritannien mit 16,9 Mrd. €. Deutsche Banken sind mit 12,7 Mrd. € involviert und mit Ausnahme von Spanien (2 % der Aktiva) dürfte der Anteil nur bei 0,5 % liegen. Insgesamt schätzt die Landesbank Baden-Württemberg das Engagement europäischer Banken in der Türkei auf 223 Mrd. USD.

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