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Zurich gibt sich bei fragwürdigen Abschlüssen mit dünnen Vertreter-Antworten zufrieden

Wenn es um die Aufklärung eines von ‚vt‘ hinterfragten brisanten Vorgangs geht, will die Zurich Gruppe Deutschland keinen nachhaltigen Beitrag leisten und geht auf Tauchstation. Wir lassen uns aber nicht so leicht abschütteln und legen den Finger in die Wunde, wie wenig aussagekräftig eine – vom VN nicht unterschriebene – Beratungsdokumentation ist, als deren Ergebnis der Kunde – ohne nachvollziehbare Willenserklärung – plötzlich einen Fünfjahresvertrag an der Backe hat: Der Fall, den uns Versicherungsmakler Christopher Schätzl, Vorstand Hans Schätzl Versicherungs- und Finanzmakler AG/Passau, auf den Tisch gelegt hat und über den wir erstmals im Februar berichteten („Zurich: Werden VN mit fingierter Beratungsdoku Fünfjahresverträge untergeschoben?“; vgl. ‚vt‘ 07/22), bleibt spannend.

Was war passiert? Der im Oktober 2021 vom VN der Zurich mandatierte Versicherungsmakler Schätzl stellte bei Durchsicht des vom Kunden übersichtlich geführten Versicherungsordners fest, dass bzgl. mehrerer Sachversicherungen im Jahre 2019 eine Hauptfälligkeitsänderung erfolgte. Da die Akte zu den Zurich-Verträgen, es handelt sich um eine Privatschutz-Police mit Hausrat- Wohngebäude-, Privathaftpflicht- sowie Berufs-, Privat- und Verkehrs-Rechtsschutz-Versicherung, recht dürftig ist, fordert Schätzl Unterlagen an.

So fördert er zu Tage, dass sein Mandant im November 2019 ‚plötzlich‘ Fünfjahresverträge bei der Zurich Insurance hatte. Plötzlich deshalb, weil der VN sich weder an eine Beratung durch den Zurich-Vertreter noch an einen Vertragsabschluss erinnern kann. Nachdem Schätzl mehrfach erfolglos weitere Unterlagen anforderte und um Aufklärung zur Beratungsdokumentation bat, legt er den Vorgang der ‚vt‘-Redaktion auf den Tisch. Auf unsere Anfrage an Zurich Deutschland-Boss Dr. Carsten Schildknecht zum Sachverhalt werden unsere Fragen zwar nicht beantwortet, aber es kommt Bewegung in die Sache: „Wir haben den Fall bereits mit dem Makler direkt geklärt“, teilt uns die Zurich mit.

Von einer Aufklärung kann zwar nicht die Rede sein, aber der Makler erhält u. a. die erbetene Beratungsdokumentation. Doch die ist nicht unterschrieben, was den Verdacht, dass dem Kunden ohne Beratung und ohne dessen Willenserklärung Fünfjahresverträge zugeschoben wurden, alles andere als entkräftet. Eine fingierte Beratungsdokumentation ist jedenfalls kein Kavaliersdelikt. Das will Schätzl nicht auf sich beruhen lassen.

Er hakt bei der Zurich zu einigen Ungereimtheiten und Merkwürdigkeiten in der Beratungsdokumentation nach, bspw. soll ein Verzicht „auf den Einschluss von Elementargefahren“ erfolgt sein, obwohl „das Haus des VN in Hanglage und Bachnähe steht“, weiß Schätzl zu berichten. Die Antwort der Zurich schlägt dem Fass den Boden aus: „Für die Fragen in Bezug auf das Beratungsprotokoll können Sie gerne mit dem Vermittler in Kontakt treten.“ Gerade so, als ob die Zurich nichts von einer Verantwortung des Patrons für das Handeln seiner Vertreter wissen will.

Auch zu den neueren Erkenntnissen bitten wir Zurich-Boss Dr. Schildknecht um Stellungnahme und wollen u. a. wissen: ++ Bei dem bisherigen Vermittler handelt es sich um einen Vertreter der Zurich. Warum ist es nach Auffassung der Zurich nicht Pflicht der Zurich als Patron dem Verdacht, dass ein Vertragsabschluss ohne Beratung und ohne Kenntnis des VN erfolgte, nachzugehen? ++ Die Beratungsdokumentation ist vom VN nicht unterschrieben, der Kunde kann sich weder an eine Beratung noch an den Abschluss eines Fünfjahresvertrages erinnern.

Warum hebt die Zurich den Vertrag nicht seit Beginn unter Rückerstattung der bereits gezahlten Beiträge auf? Zwar weist die Zurich in der Antwort an uns darauf hin, dass die Fragen des Maklers beantwortet wurden, doch unsere akribische Recherche scheint dem Schweizer Konzern nicht zu schmecken: „Bitte sehen Sie daher von weiteren Anfragen ab.“ Allein aus journalistischen Sorgfaltspflichten können wir einer solchen Bitte nicht entsprechen.

Zudem gehört es zum guten Stil, Fragen zu einem geschilderten Sachverhalt zu stellen und Gelegenheit zur Aufklärung zu geben, bevor ein Bericht mit möglicherweise kritischen Aussagen veröffentlicht wird. Doch umso erfreulicher ist es, dass die Zurich nicht ganz tatenlos geblieben ist. Die Fragen des Versicherungsmaklers wurden, das lässt sich aus einem internen Mailverkehr der Zurich nachvollziehen, dem Zurich-Agenten vorgelegt. Dessen interne Antworten können den Verdacht aber weiterhin nicht ausräumen. Dass eine Schadensmeldung des VN zu einer Bagatellsache zwar am 28.10.2019 zu einem Kundenkontakt führte, soll nun offenbar als eine Art Anscheinsbeweis dienen, dass eine Beratung durchgeführt wurde.

„Auch wenn eine Schadensmeldung Anlass zu einem Kundenkontakt gab, bedeutet dies ja nicht, dass eine telefonische Beratung und Vermittlung der Fünfjahresverträge stattgefunden hat“, wundert sich Versicherungsmakler Schätzl. Insbesondere bleibt die angebliche Übermittlung der notwendigen Unterlagen ungeklärt.

„Die für Ihre Vertragserklärung relevanten Unterlagen wurden Ihnen vorab zur Verfügung gestellt“, heißt es dazu in der Beratungsdoku vom 28.10.2019. „Der VN verfügt über keine E-Mailadresse und kein Fax“, berichtet Schätzl und fragt sich ebenso wie die ‚vt‘-Redaktion, wie der VN die Dokumente erhalten haben soll. Per Briefpost war das nicht möglich, denn nach Angaben der Zurich wurde das Angebot am gleichen Tag wie die telefonische Beratung zugestellt:

„Mit Datum vom 28.10.2019 wurde Herrn … ein Angebot bezüglich Umstellung des Versicherungsschutzes auf unser aktuelles Produkt, den Privatschutz unterbreitet, welches von ihm angenommen wurde.“ Und da hat auch der Zurich-Agent keine Erklärung an Hand, denn „der räumt ein, wie genau die Übergabe der notwendigen Unterlagen in Papierform stattgefunden habe, lasse sich knapp drei Jahre später nicht mehr zweifelsfrei feststellen“, so Schätzl. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass der Zurich-VN nie ein schriftliches Angebot erhalten hat.

Versicherungsmakler Schätzl, der Mitglied im Berufsverband Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM) ist, wundert sich, „warum bei der Zurich Beratungsdokumentationen erstellt werden, wenn diese bereits nach knapp drei Jahren keinerlei Rückschlüsse mehr über die Übergabe der Unterlagen und vor allem auch über Beratungsinhalte zulassen“.

Zudem lässt sich dem Zurich-internen Mailverkehr entnehmen, dass die Vertreter bei der Beratungsdokumentation offenbar keinen Einfluss auf Standardformulierungen der Zurich haben. „Ich bezweifle, dass sich das mit § 1a VVG in Einklang bringen lässt, wenn ein Versicherer eine faire und kundegerechte Dokumentation bereits vorab durch feste Vorgaben verhindert“, sagt Schätzl.

Fassen wir zusammen: ++ Keine Unterschrift unter der Beratungsdokumentation ++ Kein Beleg für eine Vertragsabschluss-Willenserklärung des VN ++ Der Kunde kann sich weder an eine Beratung, noch ein Angebot oder einen Vertragsabschluss erinnern ++ Verkauf nicht mehr zeitgemäßer Fünfjahresverträge sowie ++ Vertragsrelevante Unterlagen, deren Zustellung an den VN vor Vertragsschluss rein zeitlich offenbar gar nicht erfolgen konnte.

Eine saubere Beratung und Vermittlung kann nicht belegt werden! Folgerichtig fordert Versicherungsmakler Schätzl für seinen Mandanten die Vertragsaufhebung und Erstattung der Beiträge rückwirkend ab Beginn.

‚vt‘-Fazit: Erst geht die Zurich auf Tauchstation. Dann empfiehlt der Versicherer, dass der Versicherungsmakler die Ungereimtheiten zur Beratungsdokumentation mit dem Agenten klärt. Nachdem der Makler die Zurich auf ‚Auge und Ohr-Rechtsprechung‘ aufmerksam macht, befragt diese ihren Vertreter. Der gibt Antworten, die aber keine Aufklärung zu den relevanten Fragen bringen, doch die Zurich gibt sich damit zufrieden.

Statt dem VN bzw. dessen Versicherungsmakler die rückwirkende Vertragsaufhebung anzubieten, baut man bei der Zurich wohl darauf, dass ein Aussitzen das Problem löst. Da Versicherungsmakler Schätzl sich energisch für seine Mandanten einsetzt und ‚vt‘ sich von kritischen Berichten zu dubiosen Vorkommnissen in der Versicherungsbranche nicht abbringen lässt, wird das aber die falsche Strategie sein.

Aufklärung ist nötig, und dafür käme letztlich auch die BaFin als Aufsicht in Frage. Dabei geht es nicht nur um die Umstände, wie diese Verträge zustande kamen, sondern insbesondere, dass die Zurich kein Aufklärungsbedürfnis im Interesse des VN an den Tag legt.

 

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