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'ESG-Skala' für Finanzprodukte: Vereinfachung oder Regulierung on top?

Sustainable Finance im Sinne der EU ist bislang ein Buch mit Sieben Siegeln für Anleger, Vertriebe und oft auch Produktanbieter und Analysten. Nun hat sich auch noch der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung dazu etwas ausgedacht.

Der Beirat stellt eine von ihm konzeptionierte ESG-Skala für Finanzprodukte vor, die hier Abhilfe schaffen soll "durch eine leicht verständliche Information" von Anlegern zu Nachhaltigkeitseigenschaften von Finanzprodukten:

"Der Sustainable Finance-Beirat schlägt mit seiner ESG-Skala eine konkrete Maßnahme zur Steigerung der Transparenz von Finanzprodukten und damit zur Umsetzung der Sustainable Finance-Strategie der Bundesregierung vor. Durch die vorgeschlagene ESG-Skala wird Anlegerinnen und Anlegern auf einfachem Weg Orientierung bezüglich der ESG-Ausprägung von Finanzprodukten gegeben und so die Anlageentscheidung vereinfacht. Hierbei ist es dem Beirat wichtig, dass die ESG-Skala auf bestehender europäischer Regulierung aufbaut und nicht zu mehr Aufwand bei Marktakteuren führt", so Georg Schürmann, Leiter der entsprechenden Arbeitsgruppe im Beirat.

Die ESG-Skala veranschauliche Nachhaltigkeitseigenschaften von Finanzprodukten entsprechend der Stufen A bis F. Produkte in der Stufe A zeichnen sich durch eine hohe Quote an nachhaltigen Investitionen aus. Produkte in der Stufe F berücksichtigen keine Nachhaltigkeitskriterien.

Ein "Praxis-Check" mit Beratern sowie Produktmanagern wurde vom Beirat in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Finanz- und Bankwirtschaft der Uni Augsburg (federführend Prof. Marco Wilkens) durchgeführt und habe gezeigt, dass die ESG-Skala grundsätzlich positiv wahrgenommen wird:

"Insgesamt zeigt sich, dass es auf der Vertriebsseite ein Interesse an einer praktikablen und aussagekräftigen ESG-Skala gibt, um Anlegerinnen und Anleger bei ihren Investitionsentscheidungen in nachhaltige Finanzprodukte zu unterstützen. Festzuhalten ist jedoch, dass die ESG- Skala trotz ihrer durchaus unterstützenden Wirkung nicht alle Herausforderungen bei der Ermittlung von Nachhaltigkeitspräferenzen in der Anlageberatung lösen kann."

'k-mi'-Fazit: Bei der Abschlussempfehlung des Sustainable Finance-Beirats der Bundesregierung zur Einführung einer 'ESG-Skala' für Finanzprodukte sind wir skeptisch, weil wir Nachhaltigkeit nicht für in Skalen messbar halten. Auch wird die Nachfrage von Anlegern nach ESG eher überschätzt bzw. ist diese nicht so gigantisch, dass man alles dafür auf den Kopf stellen muss. Sofern der Vorschlag doch zu einer Vereinfachung führen würde, begrüßen wir das natürlich.

Aber dazu müssten die Kriterien sowie die Skala selbst schon mit den EU-Vorgaben sehr fest verdrahtet werden, um eine "Kohärenz mit bestehender Regulierung" zu erreichen, die ja – was der Beirat auch selbst einräumt – im Bereich Sustainable Finance "sehr dynamisch" ist. Ansonsten droht hier die nächste Dauerbaustelle, die Anleger und Vertriebe durch Komplexität und Haftungsrisiken nur verschreckt: Da die ESG-Skala ausschließlich auf bestehender Regulierung aufbaut, müssten Weiterentwicklungen der Regulierung regelmäßig in das Konzept mit einfließen.

Ebenso müsste ein Gleichlauf mit den ESMA-Plänen für Leitlinien für ESG-Fondsnamen (vgl. 'k-mi' 02/24) gewährleistet sein, da ansonsten das komplette Chaos droht. Hier steht aber zunächst mal im Raum, dass die ESMA-Leitlinien für ESG-Fondsnamen z. B. für AIF bzw. auf Altfonds auch rückwirkend anwendbar sein könnten, was z. B. zu einer Welle von sinnlosen Gesellschafterbeschlüssen und zu einer nicht-nachhaltigen Beschäftigungstherapie für die Branche ausarten könnte.

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