Wahlprüfsteine Finanzpolitik / FMR

Finanzpolitk und Finanzmarktregulierung

Das Gesetzgebungsverfahren für eine BaFin-Aufsicht der Finanzanlagenvermittler/Honorar-Finanzanlagenberater ist jüngst gescheitert. Wie soll es aus Ihrer Sicht mit diesem ‚Projekt‘ weitergehen: Beerdigen oder neuer Anlauf?

Sollen zudem auch die mehr als 45.000 kleinen und mittelständischen Versicherungsmakler-Betriebe weiterhin im Rahmen der Gewerbeordnung von IHKen und Landratsämtern beaufsichtigt werden, oder sollen die im Auftrag des Kunden tätigen Versicherungsmakler einer zentralen Aufsicht durch die BaFin unterstellt werden?

Wir fordern,

  • die Sachkundeprüfung und Aufsicht über Finanzanlagenvermittlung und Honorar-Finanzberatung für alle Länder einheitlich auf die Industrie- und Handelskammern zu übertragen
  • und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu ermächtigen, einheitliche Maßstäbe für die Aufsicht und Sachkundeprüfung durch die Industrie- und Handelskammern zu erlassen und laufend zu überprüfen.

Wir GRÜNE setzen uns weiter für eine einheitliche Aufsicht ein und werden dieses Projekt in der kommenden Legislaturperiode auch weiter verfolgen. Die Aufsicht über alle Finanzanlagenvermittler*innen und –berater*innen muss deutschlandweit nach vergleichbaren Standards und mit vergleichbaren Abläufen auf einem einheitlich hohen Niveau stattfinden. Dies ist in den heutigen Strukturen, in denen die Aufsicht in den Ländern unterschiedlich gestaltet ist, nicht immer der Fall, weshalb wir uns für eine Vereinheitlichung durch die Bündelung der Aufsicht bei der BaFin aussprechen. In den Beratungen zum entsprechenden Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen konnte die BaFin plausibel darlegen, dass sie durch Digitalisierung und risikoorientierte Prüfungen die Kosten geringhalten will. Die Kosten, die bei voraussichtlich durchschnittlich 1.000 Euro liegen werden, für kleinere Finanzanlagenvermittler*innen jedoch weniger, wurden kontrovers diskutiert und mit den jetzigen Kosten verglichen, die bei ca. 500 Euro für den Prüfbericht plus weiterer Kosten für Prüfbesuche liegen. Wir halten diese Kosten für vertretbar, da die bisherigen Prüfkosten entfallen werden

Auch im Versicherungsvertrieb ist die Aufsicht derzeit unübersichtlich, uneinheitlich und teils unterentwickelt. Die Erlaubniserteilung obliegt den IHK, die Erlaubnisentziehung fällt teils in die – je nach Bundesland unterschiedlich geregelte - Zuständigkeit der kommunalen Behörden (Gewerbeamt, Ordnungsamt, etc.) oder den Landkreisen (Bezirksamt, Regierungspräsidium, etc.). Die Zuständigkeit für Gewerbeuntersagung ist teilweise nicht in derselben Behörde angesiedelt wie die Zuständigkeit für die Rücknahme der Erlaubnis. Bei gebundenen Versicherungsvermittler*innen, die keiner Gewerbeerlaubnis bedürfen und 65 Prozent aller Vermittler*innen von Versicherungen ausmachen, dürfen die Versicherer die Zuverlässigkeit der Vermittler*innen sogar selbst beurteilen. Diese Zerstückelung führt zu uneinheitlicher und ineffizienter Aufsicht und soll beendet werden. Die Aufsicht sowie die Zuständigkeit für Erlaubniserteilungen und -rücknahmen für die gesetzlichen Typen von Vermittler*innen und Berater*innen soll künftig zentral bei der BaFin gebündelt werden. Auch hier werden wir GRÜNE darauf drängen, dass die Kosten für die Branche gering gehalten werden.

Ziel von CDU und CSU ist es, die Qualität der Vermittlung und den Verbraucherschutz zu stärken. Diesbezüglich ist es derzeit nicht optimal, dass die Aufsicht zwischen Beratern und Vermittlern in den Bereichen Finanzanlagen einerseits und Versicherungen andererseits stark auseinanderfällt. Da dies zum Teil auch daran liegt, dass die Länder für die gewerberechtliche Aufsicht zuständig sind und hier die Zuständigkeit zum Teil bei den IHKs, zum Teil aber auch bei den Gewerbeämtern liegt, müsste gemeinsam mit den Ländern eine Lösung gefunden werden, wie wir hier mehr Einheitlichkeit erreichen können. Dazu werden wir in der kommenden Legislaturperiode Gespräche mit IHK und BaFin suchen, um Kompetenzen zu bündeln und Synergien zu heben.

Finanzanlagenvermittler und Versicherungsmakler leisten gerade für Personen, die über geringe bis keine Vorkenntnisse bzgl. Geldanlagen verfügen, wichtige Dienste. Eine Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzberater auf die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) hätte die qualifizierte Finanzberatung unnötig verteuert, weshalb es zu begrüßen ist, dass dieser Plan nicht in die Tat umgesetzt wurde. Aus dem gleichen Grund ist auch eine Übertragung der Aufsicht über die Versicherungsmakler auf die BaFin abzulehnen. Gerade angesichts des massiven Aufsichtsversagens, das im Zuge des Wirecard-Skandals enthüllt wurde, darf die BaFin nicht mit neuen Aufgaben überfrachtet werden, sondern muss so aufgestellt werden, dass sie ihre Kernaufgaben zuverlässig erfüllen kann.

DIE LINKE setzt sich weiterhin für eine Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagen- sowie Versicherungsvermittler*innen auf die BaFin ein, um ein Aufsichtsgefälle zu vermeiden und Verbraucher*innen besser zu schützen.

Angefragt

Wie stehen Sie zu einem generellen Provisionsverbot bei Finanzdienstleistungen und im Versicherungsbereich (hier ggf. spartenabhängig Leben, Kranken, Komposit oder generell alle Sparten)?

Wir setzen uns für möglichst geringe Eingriffe in die Vertragsfreiheit ein. Nur in solchen Fällen, wo ein extremes Ungleichgewicht der beiden Vertragsparten besteht, ist eine gesetzliche Regulierung geboten. Das Ungleichgewicht im Falle von Finanzdienstleistungen besteht insbesondere darin, dass unbekannt Risiken, versteckte Kosten und mögliche Auswirkungen auf andere wirtschaftliche oder rechtliche Bereiche für den Kunden nicht angemessen erkannt werden können. Wir fordern eine Transparenz dergestalt, dass dem Kunden die wirtschaftlichen, finanziellen und rechtlichen Auswirkungen seines vertraglichen Handelns bewusst sind und gegebenenfalls auch durch den anderen möglicherweise kenntnisreicheren Vertragspartner zur Kenntnis gebracht werden müssen. Dies gilt ganz besonders für finanzielle Risiken und Kosten. Der Kunde muss wissen, was er zu welchem Zeitpunkt und wofür bezahlt. Ein generelles Provisionsverbot lehnen wir jedoch ab, da eine zielgerichtete und kundenorientierte Beratung nicht kostenlos angeboten werden kann.

Trotz der vielen, teilweise auch bürokratischen Vorgaben und Einschränkungen, die den Finanz- und Versicherungsberater*innen in den letzten Jahren gemacht wurden, kommt es weiterhin viel zu häufig vor, dass Kund*innen unpassende Produkte verkauft werden. Mit gravierenden Folgen: Die Kund*innen zahlen zu viel, sind im Ernstfall nicht abgesichert oder die Ersparnis für die Rente fällt zu mager aus. Dies wird uns leider immer wieder im direkten Austausch mit betroffenen Bürger*innen mitgeteilt und auch von den Verbraucherzentralen bestätigt. Ein großer Teil der Berater*innen macht einen guten Job und berät im Interesse der Kund*innen. Aber leider scheinen die Probleme mit dem Provisionssystem so inhärent, dass trotz der vielen Vorgaben noch viele schwarze Schafe im Markt sind und die hohe Anzahl an Falschberatungen nicht in den Griff zu bekommen ist. Der jährliche Schaden für die Verbraucher*innen wird im zweistelligen Milliardenbereich angenommen. Deshalb setzen wir GRÜNE uns dafür ein, mittel- bis langfristig von der provisionsbasierten Beratung auf die Honorarberatung umzusteigen.

CDU und CSU sprechen sich grundsätzlich für ein Nebeneinander von provisionsbasierter und honorarbasierter Vergütung aus. Begrenzungen der Provisionen sind nur in Ausnahmefällen sinnvoll, um Missstände zu verhindern, wie z. B. bei Restschuldversicherungen. Hier haben Selbstverpflichtungen der Branche nicht dazu geführt, dass sich die teilweise deutlich überhöhten Kostengestaltungen auf ein für die Verbraucherinnen und Verbraucher angemessenes Niveau einpendeln. Deshalb hat die unionsgeführte Bundesregierung gesetzlich die Provisionen bei Restschuldversicherungen auf 2,5 % der Darlehenssumme reduziert.

Wir Freie Demokraten lehnen Provisionsverbote bei Finanzdienstleistungen und im Versicherungsbereich ab. Die provisionsgestützte Beratung ist in Deutschland weiterhin weit verbreitet und wird von den Verbrauchern gut angenommen. Daher wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern die freie Wahl belassen, welche Finanzberatung für sie die beste ist.

DIE LINKE setzt sich weiterhin für eine schrittweise Überwindung des Provisionssystems und damit verbunden eine Stärkung der unabhängigen Honorarberatung sowie eine Stärkung der unabhängigen Beratung durch Verbraucherzentralen ein.

Angefragt

Wie weit und in welcher Form soll nach Ihrer Ansicht der Staat bzw. die EU beim Thema ‚Nachhaltigkeit‘ in die Anlageentscheidungen von Verbrauchern sowie in den Investitionsprozess von Versicherungen und Asset Managern eingreifen?

Die soziale Verantwortung ist eine Grundlage unserer Gesellschaft. Ausfluss dessen ist z. B. ein progressives Steuersystem. Diese Sozialverantwortung bezieht sich auf das Ergebnis des Wirtschaftens, also das Einkommen oder den Gewinn. Eingriffe in das Wirtschaften selbst, wie sie z. B. durch politische Beeinflussung von Investitions- oder Finanzierungsentscheidungen, wie sie sich aus dem EEG oder Sustainable Finance ergeben, lehnen wir ab. Diese Eingriffe werden mit einem vermeintlich höheren Wissen der Politik gerechtfertigt, das so nicht gegeben ist. Wir verweisen auf die Erfahrungen mit Bauträgermodellen, Schiffsfonds, Medienfonds, Ökoenergiefonds oder auch der Sonderabschreibung Ost. Nachhaltigkeit kann erzielt werden, wenn negative externe Effekte internalisiert werden (Umweltsteuern oder -zertifikate) und somit das Wirken des marktwirtschaftlichen Preissystems unterstützt wird.

Die Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten wächst schnell. Viele Anleger*innen wollen die Auswirkungen und Risiken des Klimawandels in ihren Anlagestrategien berücksichtigen. Aus Sicht der Verbraucher*innen ist oftmals das Problem, dass sich in angepriesenen „grünen“ Finanzanlagen umweltschädliche oder sozial unverträgliche Investitionen verstecken. Das schwächt das Vertrauen in diesen noch jungen Markt. Es gilt deshalb durch die Etabilierung klarer „grüner“ Kriterien solches Greenwashing zu verhindern. Wir GRÜNE unterstützen deshalb das Vorhaben der EU-Kommission ein Klassifizierungssystem zu erarbeiten, das erstmals klar definiert, wann eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig eingestuft werden kann. Basierend auf dieser Grundlage wollen wir klar verständliche und einfache Nachhaltigkeitslabels entwickeln. So können Kund*innen eine freie und informierte Entscheidung über den Grad der Nachhaltigkeit ihrer Finanzanlage treffen. Vorgaben soll es dazu nicht geben. Auch in den Anlageprozess von Asset-Managern und Versicherern sollte der Staat nicht eingreifen. Es gilt aber, dass auch diese, die Nachhaltigkeitsrisiken in ihren Portfolios berücksichtigen offenlegen und die Fähigkeit haben, diese zu bewerten und zu tragen.

CDU und CSU wollen Deutschland zum führenden Finanzstandort, insbesondere für nachhaltige Produkte, ausbauen. Insoweit unterstützen wir Maßnahmen, die der Erreichung dieses Ziels dienen und in der Sustainable-Finance-Strategie enthalten sind. Wir setzen uns für einen einheitlichen europäischen Rahmen mit klaren und transparenten Regeln für Nachhaltigkeit im Finanzsektor ein. Maßnahmen zur Förderung eines nachhaltigen Finanzsystems dürfen allerdings die Stabilität des Finanzsystems nicht beeinträchtigen. Sie dürfen vor allem kleine und mittlere Unternehmen nicht überfordern und mit unnötiger Bürokratie belasten. Eine aktive Investitionslenkung durch Sustainable-Finance-Maßnahmen lehnen wir ab. Wir wollen prüfen, inwieweit Rücklagen des Bundes und der Sozialversicherungen verstärkt in nachhaltige Finanzprodukte angelegt werden können. Die KfW baut bereits ein globales Green-Bond-Portfolio auf. Dabei wollen wir sie weiter unterstützen.

Die nächste Bundesregierung muss sich für eine Weiterentwicklung der EU-Taxonomie zur Unterstützung nachhaltiger Geldanlagen einsetzen, die in ihrer jetzigen Form abzulehnen ist. Wir müssen wegkommen von dem aktuellen Vorhaben eines allgemeinen staatlichen Steuerungsinstrumentes für Investitionen, hin zu einem freiwilligen Ansatz von Nachhaltigkeit. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Nachhaltigkeitsbegriff vielschichtig ist (z.B. ökologisch, sozial, gute Unternehmensführung) und es keine allgemeingültige Definition gibt. Wichtig ist daher in erster Linie Transparenz: Anleger müssen erkennen, welche Nachhaltigkeitskriterien bei einzelnen Anlageprodukten konkret zugrunde gelegt werden, damit sie Investitionen nach ihren Vorstellungen tätigen können.

Mit der "öffentlichen" EU-Taxonomie sind hierzu wichtige Schritte eingeleitet worden, um für die Finanzmärkte zumindest im Ansatz verbindliche Vorgaben zur Erreichung der Klimaziele umzusetzen. DIE LINKE verfolgt mit dem Finanz-TÜV und einer vorbehaltlichen Zulassungsprüfung für alle Finanzinstrumente ein anderes Konzept: Im Vordergrund steht das Ziel, die Finanzmärkte und insbesondere das Volumen von komplexen Finanzinstrumenten deutlich zu schrumpfen. Das ist effektiver als die heutige Vielzahl der Finanzinstrumente ökologisch nachhaltiger zu organisieren. Über 4,4 Mio. neue Finanzinstrumente kommen jährlich auf den Markt (Wert für 2019). Dabei sind nicht alle diese Finanzinstrumente, mit denen Finanzunternehmen betriebswirtschaftlich Geld verdienen können, auch wünschenswert. In Zukunft sollten nur noch solche Finanztransaktionen und -instrumente erlaubt sein, die auch einen gesamtwirtschaftlichen und/oder gesellschaftlichen Nutzen haben.

Angefragt

Die Erfahrung von Banken, Beratern und Anlegern mit MiFID II haben gezeigt, dass insbesondere das Taping (Zwang zur Kommunikations-Aufzeichnung bei der Beratung) als Überregulierung empfunden wird. Setzen Sie sich hier für Verbesserung oder Erleichterungen ein?

Die Aufzeichnungspflicht, Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht sowie die Benachrichtigungspflicht verursachen bei den Banken aufwändige Verwaltungsmaßnahmen und unnötige Archivierungsanstrengungen, die die Anlageberatung verteuern und behindern. Diese Verordnung schafft Bürokratie und untergräbt das Vertrauensverhältnis zwischen Anlageberatern und ihren Kunden.

Darüber hinaus führt es dazu,  dass die Anlageberatung nur noch von sehr vermögenden Kunden in Anspruch genommen werden kann und weniger betuchte Anleger auf sich alleine gestellt sind.

Laut ESMA stellt das Taping in den meisten anderen Mitgliedstaaten der EU kein Problem dar. Nach anfänglichen Schwierigkeiten scheint das Taping sich auch in Deutschland etabliert zu haben. Laut BaFin äußern sich nur wenige Kund*innen negativ zur Aufzeichnung der Gespräche. Auch sieht die BaFin die Aufzeichnung als ein wichtiges Mittel im Verbraucher*innenschutz an, welches wichtige Sicherheit sowohl für Anleger*innen als auch Berater bietet. Trotzdem sind wir GRÜNE für sinnvolle Vereinfachungen und Erleichterungen für die Branche und ihre Kunden offen, solange dies nicht zur Absenkung des Verbraucher*innenschutzes führt.

CDU und CSU wollen die MIFID-II-Regeln verbraucherfreundlicher ausgestalten. Dabei wollen wir Regeln beseitigen, die zulasten der Beratungsqualität gehen. Reformbedürftig ist hier z. B. die Regelung zum sog. Taping. Um dies zu erreichen, müssten aber zunächst die EU-Vorgaben angepasst werden, da von diesen derzeit national nicht abgewichen werden kann.

Wir Freie Demokraten setzen uns mit Nachdruck dafür ein, bürokratische und kostentreibende Aufzeichnungs- und Informationspflichten für Finanzanlagevermittler auf den Prüfstand zu stellen. Es muss stets abgewogen werden, ob ein tatsächlicher Mehrwert an Verbraucherschutz und Transparenz besteht, der den Aufwand rechtfertigt. Wenn im Endeffekt Finanzberatung unnötig verkompliziert und verteuert wird und Menschen dadurch vom Kapitalmarkt abgeschreckt werden, ist dies das Gegenteil von Verbraucherschutz.

Grundsätzlich gibt es ein klares Ungleichgewicht zwischen den Gestaltern bzw. Emittenten von Finanzprodukten und den nicht-professionellen Käufer*innen bzw. Anleger*innen. Um dieses Ungleichgewicht zu verringern, setzt sich DIE LINKE für strikte Aufklärungs- und Dokumentationspflichten bezüglich Finanzprodukten, inklusive strenger Vorschriften zur jeweiligen Risikoabschätzung ein. Das Taping schafft in der derzeitigen Form bisweilen überbordende bürokratische Aufwände. Deswegen setzen wir uns für Erleichterungen ein, z.B. durch stärkere Digitalisierung des Beratungsverfahrens, denkbar u.a. durch Einsatz einer Cloud-Telefonanlage. Solche Erleichterungen (oder gar Ausnahmen) sind nur insoweit denkbar, als dass sie einen umfassenden Verbraucherschutz schon im Beratungsgespräch nicht beeinträchtigen.

Angefragt

Die Auswirkungen und Verwerfungen der EU-Nullzinspolitik für die Stabilität von Versicherungen, Banken und Betriebsrenten sind mittlerweile unübersehbar geworden. Wie und wann kann die Politik hier den Ausstieg schaffen, um weitere Vermögenseinbußen für Anleger zu vermeiden?

Die Nullzinspolitik der EZB ist in der Wirtschaftsgeschichte ohne Vorbild. Zwar gab es schon häufiger reale aber keine nominalen notenbankinduzierten Negativzinsen. Das Motiv hierfür ist hochwahrscheinlich interessenpolitischer Natur. Hochverschuldete vorwiegend romanische Länder sollen vor dem Zinsdruck der Märkte verschont werden, um Staatskonkurse zu verhindern. Entsprechende Mehrheiten sind bei dem absurden Stimmsystem des EZB-Rats (jedes Euroland eine Stimme) gut zu beschaffen. Die Kehrtwende kann leider nur die „unabhängige“ EZB und nicht die Politik herbeiführen. (Der Vorgang ist nicht unähnlich und funktional durchaus vergleichbar mit dem übermäßigen Erwerb von Staatsanleihen durch die EZB) Bei nunmehr rund 4 % Inflation in D und 0,5 % Negativzinsen wird der Zugriff auf die Geldvermögen der fürsorglichen Sparer von Paul Kirchhoff als verfassungswidrige Enteignung eingestuft. Dies erscheint sehr berechtigt, weil, wie PK ausführt, die klassische Form der Geldaufbewahrung wirtschaftlich unmöglich gemacht wird. Es steht zu befürchten, dass nur finanzwirtschaftliche Turbulenzen und politische Verwerfungen im EU-Gebiet zu einer Umkehr der EZB führen können.

Unter Ökonomen herrscht weitgehend Einigkeit, dass die Notenbanken nicht die Hauptverantwortung für die niedrigen Zinsen tragen. Die Zinsen sinken bereits seit den 1980er Jahren kontinuierlich. Ursache dafür sind u.a. zu niedrige private und öffentliche Investitionen. Wir GRÜNE starten in der nächsten Legislaturperiode eine Investitionsoffensive: In schnelles Internet, überall. In Spitzenforschung. In klimaneutrale Infrastrukturen, in Ladesäulen, die Bahn, emissionsfreie Busse und moderne Stadtentwicklung. Wir wollen, dass Deutschland bei den öffentlichen Investitionen im Vergleich der Industrieländer vom Nachzügler zum Spitzenreiter wird, indem wir im nächsten Jahrzehnt die Investitionen verdoppeln. Dadurch steigt die Nachfrage nach Kapital, die Geldpolitik wird entlastet und die Zinsen können wieder ansteigen.

CDU und CSU bekennen sich zur Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB). Wir erwarten, dass sie konsequent für Geldwertstabilität sorgt, um vor allem Arbeitnehmer und Sparer vor Verlusten zu schützen. Das gilt insbesondere in Zeiten, in denen die Inflationssorgen zunehmen. Die Politik kann nur ergänzend agieren. Wir werden insbesondere im Rahmen der Steuer- und Vermögenspolitik die Menschen dabei unterstützen, sich Ersparnisse und Vermögen aufzubauen. So werden wir auch künftig die Wirkungen der sogenannten kalten Progression ausgleichen, indem wir den Einkommensteuertarif regelmäßig an die allgemeine Preisentwicklung anpassen. Damit sich Sparen lohnt, werden wir den Sparer-Pauschbetrag und die Arbeitnehmersparzulage erhöhen. Wir werden die vermögenswirksamen Leistungen und die Mitarbeiterkapitalbeteiligung stärken. Wir unterstützen alle, die sich ein Eigenheim wünschen, und werden hierzu den Ländern ermöglichen, einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Erwerb selbstgenutzten Wohnraums von 250.000 Euro pro Erwachsenen plus 100.000 Euro pro Kind zu gewähren. Zudem werden wir das KfW-Wohneigentumsprogramm für Familien ausweiten.

Wir Freie Demokraten fordern, das Mandat der Europäischen Zentralbank zu reformieren, so dass die expansive Geldpolitik beendet wird.

Unter anderem müssen die Hürden für expansive geldpolitische Maßnahmen wie Negativzinsen und Anleihenkaufprogramme erhöht werden: Für derartige Maßnahmen möchten wir künftig eine qualifizierte Mehrheit im EZB-Rat zur Voraussetzung machen. Zudem fordern wir die Einführung einer Großkreditgrenze für die EZB, so dass sie nicht mehr im bisherigen Ausmaß Anleihen kaufen kann. Ebenso fordern wir die Einführung einer Insolvenzordnung für Staaten in der Eurozone, damit Verschuldungsprobleme nicht mehr über die Geldpolitik zu lösen versucht werden.

Die Niedrigzinsphase in Europa ist die Folge einer überstrapazierten Geldpolitik im Kontext einer ökonomisch kontraproduktiven Fiskalpolitik. Eine dauerhafte Erholung des Zinsniveaus wird nur über eine Wiederbelebung der Investitionsdynamik in ganz Europa erreichbar sein. Höhere Investitionen sind auch angesichts der Erfordernisse des ökologischen Umbaus der Gesellschaft sowie der fortschreitenden Deindustrialisierung Südeuropas in Folge der verfehlten Krisenpolitik unabdingbar. Eine europäische Investitionsoffensive muss zuvorderst durch öffentliche Anschubinvestitionen getragen werden, da in wichtigen Zukunftssektoren Skalen- und Netzwerkeffekte privatwirtschaftlich zu einem ineffizienten Investitionslevel führen. Gleichzeitig fehlt durch die Kürzungspolitik in vielen Ländern die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, um private Investitionen anzureizen. Aus diesem Grund müssen die aktuellen Fiskalregeln und Zukunftsbremsen überwunden und durch Goldene Investitionsregeln ersetzt werden.

Angefragt

Mit dem vor kurzem verabschiedeten Anlegerschutzstärkungsgesetz wurden Vermögensanlagen nach Vermögensanlagengesetz stärker reguliert. Ist dies aus Ihrer Sicht nun ausreichend oder planen Sie weitere Verschärfungen? Wie bewerten Sie zudem die Entwicklung und den Status des Anlegerschutzes in den Prospektpflicht-freien Bereichen des Crowdinvestings und diverser ‚Krypto‘-Anlagemodelle?

Das neue  „Gesetze zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes“  zielt im Großen und Ganzen in die richtige Richtung und bewirkt eine deutliche Verbesserung des Anlegerschutzes.  So wird beispielsweise durch die Einführung eines unabhängigen Mittelverwendungskontrolleurs eine zusätzliche Sicherung für die Anleger eingebaut.

Leider konzentrieren sich die dort vorgesehenen Prüfungen auf reine formelle Gesichtspunkte in den Prospekten. Ein Umstand, der sich in vielen Fällen als nicht ausreichend herausstellen wird. Wir fordern eine stärkere materielle Prüfung der Prospekte durch die BaFin. Die neuen Regelungen zu den Blindpools halten wir für richtig, denn sie fördern lokales Engagement und erleichtern die damit verbundenen Investitionen.

Ja, wir GRÜNE wollen das Schutzniveau des grauen Kapitalmarkts deutlich anheben. Hierzu wollen wir u.a. die derzeit rein formelle Prospektprüfung um sinnvolle materielle Prüfelemente ergänzen, durch die die BaFin weitreichende Prüfungs-und Auskunftsrechte auch gegenüber Emittenten im Grauen Kapitalmarkt erhält. Außerdem wollen wir zur laufenden Kontrolle des Geschäftsgebarens von Finanzdienstleistern am Grauen Kapitalmarkt in Anlehnung an die Wohlverhaltenspflichten gemäß § 31 ff. WpHG eine Task-Force Grauer Kapitalmarkt nach österreichischem Vorbild einrichten. Diese neuen Kompetenzen müssen natürlich mit entsprechendem Personal und Expertise unterfüttert werden. 

Außerdem soll die BaFin ihr Verbraucher*innenschutzmandat grundsätzlich besser ausfüllen, z.B. durch eine aktivere Nutzung des Instruments der Produktinterventionen, um bei gefährlichen oder irreführend gestalteten Produkten schnell Anpassungen oder Vertriebsverbote zu erwirken.

Die unionsgeführte Bundesregierung hat den Anlegerschutz gerade bei Graumarktprodukten weiter gestärkt, indem Anlagen in reine Blindpool-Konstruktionen verboten wurden. Zudem wurden mit dem Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz die Haftungsvorschriften für fehlerhafte Informationen gegenüber dem Anleger verschärft. Die Wirkungen dieser Gesetze sollten zunächst abgewartet werden. Weiterer Regelungsbedarf ist aus unserer Sicht derzeit nicht erforderlich.

Für uns Freie Demokraten ist der Schutz der Kleinanlegerinnen und Kleinanleger von hoher Bedeutung. Es braucht vor allem mündige und gut informierte Verbraucher, auch und gerade bei Finanzanlagen im Bereich des sog. Grauen Kapitalmarkts. Die Beratungen anlässlich des Anlegerschutzgesetzes im Deutschen Bundestag haben aber auch gezeigt, dass der Graue Kapitalmarkt durchaus zur Finanzierung wichtiger Investitions- und Innovationsfelder wie Wohnungsbau, erneuerbare Energien und Impfstoffentwicklung beigetragen hat. Vor diesem Hintergrund sollten auch die Erfahrungen mit dem erst kürzlich verabschiedeten Anlegerschutzgesetz abgewartet und gesammelt, bevor neuerliche Verschärfungen ins Auge gefasst werden.

Das Anlegerschutzstärkungsgesetz war ein wichtiger Schritt, reicht aus unserer Sicht aber nicht aus, um den Grauen Kapitalmarkt durchgreifend zu regulieren. Insbesondere fordern wir einen Finanz-TÜV, d.h. eine obligatorische Zulassungsprüfung für Finanzprodukte und -dienstleistungen. Die Ausnahmen von der Prospektpflicht z.B. im Crowdfunding-Bereich sehen wir kritisch, vor allem wenn sie immer weiter aufgeweicht werden sollten. Strikte Investitionsobergrenzen erachten wir z.B. als sehr sinnvoll (vgl. § 2a Nr. 3 VermAnlG). Bei Kryptoanlagemodellen ist verstärkt darauf zu achten, dass hochriskante oder bereits streng regulierte Finanzprodukte nicht durch einen "Kryptomantel" verschleiert und damit über Umwegen z.B. wieder Kleinanleger*innen zugänglich gemacht werden.

Angefragt

Befürworten Sie einen Beibehalt der bisherigen Vergütungspraxis und Einschreiten der BaFin nach § 48a VAG, wenn im Einzelfalle verbraucherschädigende Vergütungsexzessen identifiziert werden, oder befürworten Sie die Einführung eines LV-Provisionsdeckels?

Der Regulierungswahn im Finanzsektor muss beendet werden. Ein Provisionsdeckel könnte dazu führen, dass eine differenzierte Beratung, die sehr viele  Anleger benötigen, nicht mehr möglich ist. Dazu kommt, dass  die Materie gerade durch den Wildwuchs der Regelungen im Steuerrecht, in der EU- Regulierung oder auch im sogenannten Anlegerschutz extrem komplex geworden ist. Eine pauschale Deckelung von Provisionen lehnen wir deshalb ab und fordern, dass nationale Spielräume bei EU-Richtlinien zugunsten der deutschen Finanzbranche voll ausgeschöpft werden. Die BaFin ist zu Recht schon heute befugt, bei Exzessen im Provisionsbereich einzuschreiten.

Mit dem Lebensversicherungsreformgesetz wurde eine Senkung der Kosten der Produkte angestrebt. Diesem Versprechen ist die Versicherungsbranche nach den Untersuchungen der BaFin bis heute nicht in relevantem Umfang nachgekommen. Die Abschlussprovisionen beliefen sich nach einer Untersuchung der BaFin in der Spitze auf über 10%. Um diese Extreme zu verhindern halten wir GRÜNE einen Deckel für gerechtfertigt. Grundsätzlich wollen wir langfristig ganz aus der Provisionsberatung (siehe Frage 2) aussteigen.

Anknüpfend an die Antwort auf Frage 2: Im Unterschied zur Situation bei den Restschuldversicherungen sehen wir bei den Lebensversicherungen keine vergleichbar überzogenen Provisionen, die einen gesetzlichen Deckel erfordern würden. Einzelne Ausreißer, die sich bei den Lebensversicherungen finden, müssen von der Aufsicht identifiziert und eingedämmt werden. Erst wenn Provisionen flächendeckend ein unverhältnismäßiges Niveau annehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher benachteiligt werden, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, regulierend in den Markt einzugreifen.

Provisionsdeckel und andere staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung bei Versicherungen und Finanzprodukten lehnen wir Freie Demokraten ab. Derartige Maßnahmen treffen die Vermittlerbranche empfindlich und gefährden die qualifizierte Beratung gerade der schutzwürdigsten Verbraucher, nämlich jener ohne größere Vorkenntnisse bei Geldanlagen.

DIE LINKE hat sich für die Einführung eines wirksamen Provisionsdeckels bei Lebens- sowie Restschuldversicherungen ausgesprochen. Mittelfristig sind wir für die Überwindung des Provisionssystems und damit verbunden für eine Stärkung der unabhängigen Honorarberatung sowie Stärkung der unabhängigen Beratung durch Verbraucherzentralen ein.

Angefragt

Befürworten Sie die Riester-Rente zukunftsfähig zu reformieren, insbesondere mit Blick auf den ab 01.01.2022 auf 0,25 % abgesenkten Höchstrechnungszins und eine damit nicht mehr darstellbare 100%ige Beitragsgarantie oder befürworten Sie, dass die Riester-Rente im Neugeschäft eingestellt wird?

Die Riester-Rente war als ein Baustein von unterschiedlichen Möglichkeiten der Altersvorsorge geplant. Die übermäßigen Kosten und die Beitragsgarantie sind allerdings zu unlösbaren Problemen geworden. Insbesondere die Betragsgarantie ist durch die verheerende EZB-Niedrigzinspolitik nicht mehr zu halten. Darüber hinaus wird durch die anziehende Inflation der Kaufkraftverlust immer größer. Reparieren kann man dieses Konstrukt nicht mehr, denn es basiert auf einem positiven Anlagezins, den wir durch die verfehlte EU-Politik schon lange nicht mehr haben. Ein weiterer Kollateralschaden der EZB-Zinspolitik. Ohne deren Veränderung ist eine Lösung, wie immer sie aussieht, kaum vorstellbar.

Die Riesterrente hat die in sie gesetzten Ziele nicht erreicht. Die Produkte sind teuer und undurchschaubar und sie haben  einen viel geringeren Ertrag als ursprünglich erwartet. Insbesondere Geringverdienende können sich das "Riestern" oft nicht leisten. Deswegen haben viel zu wenige davon Gebrauch gemacht. Wir brauchen daher einen Neustart bei der geförderten betrieblichen und privaten Altersvorsorge. Die Riesterrente wollen wir GRÜNE daher durch einen öffentlich verwalteten Bürger*innenfonds ersetzen und in diesen überführen. Der Bürger*innenfonds soll ein kostengünstiges Standardprodukt für die zusätzliche Altersvorsorge anbieten, von einer unabhängigen Institution verwaltet werden und nachhaltig anlegen. Ein langfristiger Anlagehorizont und ein breit diversifiziertes Portfolio geben Sicherheit, sodass der Bürger*innenfonds auf teure Garantien verzichten kann. Das Standardprodukt des Bürger*innenfonds soll auch in der Betriebsrente genutzt werden können.

Bei der privaten, staatlich geförderten Altersvorsorge brauchen wir einen Neustart. CDU und CSU wollen sie effizienter, transparenter und dadurch attraktiver und einfacher machen. Dazu werden wir Kriterien für ein Standardvorsorgeprodukt festlegen.

Wir Freie Demokraten möchten die Riester-Rente reformieren. Im Bereich der Altersvorsorge wollen wir ein Altersvorsorge-Depot einführen. Ohne obligatorischen Versicherungsmantel vereinen wir so das Beste aus Riester-Rente (Zulagen-Förderung), Rürup-Rente (steuerliche Förderung) und dem amerikanischen Modell „401K“ (Flexibilität und Rendite-Chancen). Ansprüche aus der Altersversorgung müssen übertragbar (Portabilität) und ein Anbieterwechsel möglich sein. Dies stärkt den Wettbewerb und macht private Altersvorsorge für alle attraktiver.

Wir wollen darüber hinaus für Selbstständige den Zugang zur gesamten geförderten privaten Altersvorsorge öffnen. So verhindern wir auch, dass Personen mit Zickzack-Lebensläufen beim Wechsel in die Selbstständigkeit ihre Direktversicherung oder ihre Riester-Förderung verlieren.

Die Riester-Rente ist gescheitert: Sie ist ineffizient, intransparent und ineffektiv. Alle Riester-Sparer*innen sollen das gesetzliche Recht erhalten, freiwillig das bisher angesparte Kapital (Beiträge, staatliche Zuschüsse und Zinsen) als Einmalzahlung in die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung auf das eigene persönliche Rentenkonto zu übertragen. Die milliardenschwere Riester-Förderung muss gestoppt werden.

Angefragt

Welche Konsequenzen müssen aus dem Wirecard-Skandal gezogen werden, z. B. hinsichtlich der Zuständigkeiten bei Finanzaufsicht, Bilanzkontrolle und Geldwäscheaufsicht, oder reichen die bislang dazu beschlossenen Maßnahmen dazu aus Ihrer Sicht aus?

Bilanzbetrug kann zwar nie gänzlich verhindert werden könne, Anlass für gesetzgeberischen Handlungsbedarf als Reaktion auf den Fall Wirecard gibt es jedoch reichlich. Für die Zukunft können derartige Skandale durch die Novellierung dreier Regelungspunkte unwahrscheinlicher gemacht werden.

  • Die Höchstdauer eines durchgehenden Prüfmandats für ein  Wirtschaftsprüfungsunternehmen sollte auf vier Jahre begrenzt werden. Die Abschreckungswirkung der Abschlussprüferhaftung ist mit Blick auf die Haftungshöchstsummen bislang unterentwickelt. Diese spiegeln die möglichen Schadenssummen in großen Betrugsfällen nicht ansatzweise wieder.
  • Die Haftungshöchstsummen sind deutlich zu erhöhen, um auch indirekt über die Versicherung des Berufsrisikos von Abschlussprüfern eine deutliche Anreizwirkung zu schaffen.
  • Schließlich ist eine klare Trennung von Prüfungs- und Beratungsmandaten notwendig.

Wirecard galt im Juni 2020 kurz nach der Insolvenz noch als reiner "Bilanzskandal". Die Aufsicht gab sich unbeteiligt und EY verwies auf die angebliche Chancenlosigkeit ob der außergewöhnlichen kriminellen Energie von Jan Marsalek und Co. Nach dem Untersuchungsausschuss wissen wir: Die Bankenaufsicht war jahrelang zu zahm, die Wertpapieraufsicht ist auf die Verschwörungstheorie hereingefallen, nach welcher die Financial Times angeblich Bloomberg bestechen und Bloomberg nun Wirecard erpressen wolle. Die Vorwürfe von Dan McCrum und anderen wurden nie ernsthaft überprüft, während man die anglophob konnotierten Fantasievorwürfe Marsaleks völlig unkritisch übernahm. Die deutsche Finanzaufsicht muss einen Kulturwandel einleiten. Anglophobe Vorurteile dürfen nicht die Aufsicht bestimmen, stattdessen muss diese analytisch so stark sein, dass sie sich mit Marktteilnehmern und Journalisten auf Augenhöhe austauschen und deren Argumente verifizieren kann. Gleichzeitig müssen Geldwäscheaufsicht und Compliance in Behörden reformiert werden. Schließlich brauchen wir dringend ein Lobbyregister, damit Auswüchse wie bei Wirecard, das unter anderem Karl-Theodor zu Guttenberg für Gastbeiträge in der FAZ und exklusiven Zugang zum Kanzleramt bezahlte, zukünftig nicht nur durch Untersuchungsausschüsse aufgeklärt werden.

Der Fall Wirecard hat zweifelsohne Mängel in der Aufsicht aufgezeigt. Die unionsgeführte Bundesregierung hat mit Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz Maßnahmen zur Reform der Aufsichtsstrukturen umgesetzt. CDU und CSU haben dabei durchgesetzt, dass der vorgelegte Gesetzentwurf in vielen Punkten nachgeschärft wurde. Die BaFin wurde nun organisatorisch und personell neu aufgestellt. In der kommenden Legislaturperiode sollte der Reformprozess bei der BaFin evaluiert und geprüft werden, ob noch weitere Schritte wie beispielsweise eine stärkere Entflechtung der BaFin vom Bundesfinanzministerium erforderlich sind. Für jeden muss klar sein: Verbrechen lohnt sich nicht! Deshalb haben wir den Tatbestand der Geldwäsche bereits mehrfach verschärft und das Einziehen kriminell erlangter Vermögen erleichtert. Wir folgen dem Prinzip „Follow the money“ und setzen genau dort an, wo es den Kriminellen am meisten weh tut: beim Geld. CDU und CSU wollen Geldwäsche noch konsequenter bekämpfen und verfassungskonform regeln, dass bei Vermögen unklarer Herkunft künftig eine vollständige Beweislastumkehr gilt. Grundstücke durch Barzahlung zu erwerben, soll nur mittels Banken möglich sein, die zuvor die Identität des Käufers und die Herkunft des Geldes im Rahmen einer bestehenden Geschäftsbeziehung zu prüfen haben; gleiches gilt beim Umtausch von Bargeld in Kryptowährung und umgekehrt.

Die bisherigen Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus. Die BaFin verzettelt sich weiterhin in der Breite, anstatt Schwerpunkte zu setzen. Sie muss den Schwerpunkt ihrer Prüfungen dorthin verlegen, wo die tatsächlichen Risiken für den Finanzmarkt lauern, also auf die großen, international aufgestellten Akteure anstatt auf die Volksbank um die Ecke. Dazu benötigt sie mehr Sachverstand in der Bilanzanalyse und in der Analyse komplexer globaler Geschäftsprozesse. Ebenso muss sie Englisch als Verwaltungssprache anerkennen.

Die Neuregelungen können nur ein Anfang sein, systematische Schwächen zu beheben, die den Aufstieg von Wirecard ermöglicht haben. Die BaFin braucht eine schnelle Eingreiftruppe sowie die Ressourcen, um in Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden Verdachtsmomenten besser nachgehen zu können. Die private Bilanzkontrolle hat sich als vollkommen nutzlos erwiesen. Die verfehlten Haftungsregeln für Wirtschaftsprüfer machen es Anlegern nahezu unmöglich, Schadensersatz zu erlangen. Die BaFin muss ein besseres Verständnis von digitalen Geschäftsmodellen entwickeln. Die Regulierungslücke in der Geldwäscheaufsicht von Holdingstrukturen ist zu beheben. Die FIU muss aktuellen Verdachtsmeldungen zeitnah nachgehen können. DIE LINKE fordert darüber hinaus eine effektive Kontrolle und Begrenzung der Marktmacht der dominanten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, strengere Vorgaben zu Compliance-Strukturen, starke Hinweisgebersysteme sowie besseren Zugang zu kollektiven Klageformen.

Angefragt

Für welche Maßnahme bzw. welche Regulierung wollen Sie sich in der nächsten Legislaturperiode einsetzen bzw. was sollte aus Ihrer Sicht in der Finanzpolitik und Finanzmarktregulierung oberste Priorität haben?

Weitere direkte Marktregulierungen sehen wir derzeit nicht als notwendig an. Die großen Aufgaben, die es zu bewältigen gilt, sind die Schuldenrückführung aller staatlichen Ebenen und eine Umkehr der EZB Politik in den beschriebenen Feldern. Sofern dies nicht geschieht, wird die Eurozone in existenzielle Not geraten.

Es gibt in fast allen Bereichen noch viel zu tun. Wir müssen bei der Bankenunion weiterkommen und auch beim Thema Finanzstabilität und finanzieller Verbraucher*innenschutz gibt es noch offene Baustellen. Ganz zu schweigen vom Thema Kryptomärkte und Digitalisierung. Jedoch werden die nächsten Jahre entscheidend dafür sein, ob wir das Pariser Klimaabkommen und die nationalen Klimaschutzziele noch einhalten werden oder nicht. Wir müssen daher in den nächsten vier Jahren die strukturellen Weichen für den Pfad zur Klimaneutralität stellen. Wir GRÜNE wollen, dass dies auch für den Finanzbereich gelingt. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass Nachhaltigkeitsrisiken im Finanzmarkt transparent und bei Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden und dass Preise die ökologische Wahrheit sagen - und sich das auch in den Bilanzen widerspiegelt.

Wichtig ist, dass wir auf europäischer Ebene die Bankenunion und die Kapitalmarktunion unter Stabilitätsaspekten weiterentwickeln und vollenden. Zur Vollendung der Bankenunion müssen bestehende Risiken im Bankensystem zwingend reduziert werden. Bankenrettungen aus Steuermitteln und eine Vergemeinschaftung der Haftungsübernahme im Rahmen der europäischen Einlagensicherung lehnen wir ab. Innerhalb einer starken Banken- und Kapitalmarktunion wollen wir Deutschland zum führenden Finanzstandort, insbesondere für nachhaltige Produkte, ausbauen. Wir werden vor allem Bürokratie für Finanzmarktteilnehmer abbauen, Regeln modernisieren und die Rahmenbedingungen für Börsengänge verbessern.

Als starker Finanzplatz soll Deutschland für die Ansiedlung von EU-Institutionen attraktiver werden. Wir streben einen eigenen Börsenplatz nach dem Vorbild der NASDAQ an. Schnell wachsende Technologieunternehmen sollen sich an einer deutschen oder europäischen Börse finanzieren können, damit sie für diesen Wachstumsschritt nicht mehr in die USA abwandern müssen. Auch auf dem Finanzmarkt setzen wir auf einen fairen Wettbewerb, Schutz der Verbraucherinteressen, finanzielle Bildung, Transparenz bei Finanzprodukten sowie eine starke Aufsicht. Damit alle die Chancen verschiedener Anlageformen nutzen können, brauchen wir einen starken Verbraucher- und Anlegerschutz. Wir wollen, dass alle von neuen, digitalen Zahlungsmöglichkeiten und Finanzdienstleistungen profitieren. Dies gelingt, wenn die Kundendaten sicher sind, mit ihnen gesetzeskonform und vertraulich umgegangen wird und durch angemessene Entgelte.

Ein funktionierender Finanzmarkt ist unabdingbar dafür, dass sich Unternehmen finanzieren können und Privatpersonen finanzielle Vorsorge betreiben können. Daher muss die Finanzaufsicht schlagkräftiger werden und Vertrauen zurückgewinnen. Gleichzeitig müssen überflüssige Regulierungen abgebaut werden, damit der Zugang zum Kapitalmarkt für Jedermann erleichtert wird.

Finanzpolitik ist ein sehr breites Feld. Übergeordnetes Ziel ist für DIE LINKE ein aus Sicht der Gesellschaft und der Realwirtschaft leistungsfähiger, stabiler und demokratisch kontrollierbarer Finanzsektor. Dieses Ziel ist durch die Corona-Krise umso wichtiger geworden, denn wir brauchen einen solchen Finanzsektor, um die ökonomischen Folgen der Krise zu bewältigen. Dazu müssen die öffentlich-rechtliche und die genossenschaftliche Säule gestärkt werden, damit sie zusammen mit öffentlichen Investitionen die Finanzierung eines sozial-ökologischen Wandels im Sinne des Klimaschutzes finanzieren können. Neben den angesprochenen Forderungen (u.a. Finanz-TÜV, aktivere Aufsicht, starker kollektiver Verbraucherschutz) liegt eine weitere Priorität im Zahlungsverkehr und der aktiven Gestaltung des digitalen Wandels: Geld und Währung müssen Teil staatlicher Souveränität bleiben. Die Einführung des digitalen Euro bedeutet auch, der zunehmenden Markt- und Datenmacht der Big Techs entgegenzuwirken.

Angefragt


Antworten AFD
Antworten BÜNDINS 90/DIE GRÜNEN
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Antworten CDU/CSU
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Antworten FDP
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Antworten DIE LINKE
Antworten DIE LINKE
Antworten SPD
Angefragt (Stand 14.09.2021)

Auf dieser Seite finden Sie die Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine des kapital-markt intern-Verlages zur Bundestagswahl 2021 zum Themenbereich Finanzpolitik und Finanzmarktregulierung.

Wir haben alle Parteien angefragt, die eine realistische Chance haben, in den Bundestag einzuziehen.

Die Antworten der Parteien auf die k-mi-Wahlprüfsteine können Sie beim Klick auf das Partei-Logo auch nach der jeweiligen Partei zusammengefasst einsehen.