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Banken beim Vertrieb von P&R als Serientäter

Das Landgericht Kleve hat aktuell mit Urteil von 05.05.2020 die Volksbank Emmerich-Rees e.G. zu Schadenersatz von über 200.000 € im Zusammenhang mit dem Vertrieb von P&R-Containerprogrammen verurteilt (noch nicht rechtskräftig). Das Urteil zeigt, dass BaFin-beaufsichtigte Kreditinstitute offenbar doch stärker in das 'System P&R' eingebunden waren, als bislang schon angenommen (vgl. 'k-mi' 37/18, 38/18). Das Urteil des LG Kleve wurde von der Kanzlei Göddecke/Siegburg für einen P&R-Anleger und seine Tochter erstritten.

Zum Sachverhalt: Der Kläger war als angestellter Energiegeräteelektroniker beschäftigt und erzielte ein monatliches Nettoerwerbseinkommen von rund 3.000 €. Die Ehefrau war nicht erwerbstätig. Zwischenzeitlich ist der Kläger im Ruhestand. Die Tochter erzielte als kaufmännische Angestellte ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.450 €. Der Kläger legte in der Vergangenheit sein Geldvermögen überwiegend in verzinsten Einlagen mit fester Laufzeit an. Daneben tätigte er auch Anlagen in Schuldverschreibungen, Aktien, Investmentanteile und Zertifikate und war seit mehreren Jahrzehnten Kunde der Volksbank. Nach Beratung durch Mitarbeiter der Bank zeichneten diese verschiedene Investitionen in Schiffscontainer der P&R-Gruppe. Und zwar ging es dabei um zwölf unterschiedliche Containerkäufe in den Jahren 2010–2017!

Zu den Urteilsgründen: Das Gericht geht zunächst davon aus, dass es sich bei der Fallkonstellation um eine Beratung und nicht nur eine Vermittlung handelt. Gegen "die aus den Beratungsverträgen bestehende Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung" hat die Volksbank nach Ansicht des LG Kleve in der überwiegenden Zahl der streitigen Fälle verstoßen.

Das Gericht verweist dazu u. a. auf fehlende Risikohinweise auf die möglichen Gefahren im Zuge des verzögerten Erwerbsprozesses der Container: "Die Beklagte hätte den Kläger bei den Verträgen (...) über ein Totalverlustrisiko aufklären müssen, denn obwohl der Kläger Eigentum an den Containern erwerben und für die Container eine Allgefahrenversicherung abgeschlossen werden sollte, war der Anleger nicht vollständig vor einem Totalverlust der Anlagesumme geschützt. Innerhalb von 90 Tagen nach Zahlung des Kaufpreises bestand ein Totalverlustrisiko durch Insolvenz der Emittentin, denn erst nach dieser Frist war nach dem Vertrag Eigentum an einem Container zu verschaffen. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich hierbei nicht um ein allgemein bestehendes Insolvenzrisiko, das jedem bekannt ist und daher nicht aufklärungspflichtig ist. Denn vorliegend sollten die Anleger Eigentum erwerben und so vor dem Insolvenzrisiko der Emittentin geschützt sein. Da die Anleger sich damit besonders sicher vor einem Totalverlust wähnten, bedurfte es eines Hinweises auf die fehlende Absicherung innerhalb der ersten 90 Tage und dem damit einhergehenden Totalverlustrisiko."

Auch die Risikoaufklärung auf weitere Sachverhalte war laut Gericht unvollständig: Weiterhin, so das LG Kleve, "bestand auch nach Eigentumsverschaffung ein erhebliches Risiko durch die Haftung für den Container und nicht bezahlte Standgebühren, das über den Totalverlust hinausgehen konnte". "Ebenso ist", so das LG zudem, "auf das Risiko, ob die Container nach Ende der fünfjährigen Verwaltungsverträge zum prognostizierten Preis von P&R tatsächlich zurückgekauft werden, unzureichend hingewiesen worden. Der erteilte Hinweis, es bestehe das Risiko, dass Container trotz sorgfältiger Kalkulation bei den dann vorhandenen Marktverhältnissen nach Ablauf des Verwaltungsvertrages nicht genau zu dem prognostizierten Preis zurückgekauft werden können, ist nicht ausreichend, denn es wird nicht darauf hingewiesen, dass praktisch nur ein Rückkauf durch P&R in Betracht kommt, da ein Markt für einzelne Container nicht besteht. Der ergänzende Hinweis 'In diesen Fällen wäre die im Angebot prognostizierte Rendite niedriger', ist grob irreführend, da nicht nur ein Verlust der Rendite, sondern auch eines erheblichen Teils der Anlagesumme droht, denn durch die Mietzahlungen während der vereinbarten fünfjährigen Anmietung durch P&R kann nur rund die Hälfte des Anlagebetrages vom Anleger realisiert werden."

Wichtig ist allerdings folgender Umstand: Das LG Kleve bezieht die genannten Feststellungen in diesem Fall nicht auf die Beratungen im bzw. ab dem Jahr 2017, die unter dem Geltungsbereich des Vermögensanlagengesetzes bzw. im Rahmen der Prospektpflicht erfolgten.

Dies bestätigt eindrucksvoll unsere Warnungen seit 1994 vor P&R, in denen wir wiederholt auf die erhöhten Haftungsrisiken aufgrund des fehlenden Prospektes hingewiesen haben (zuerst im PC 29/94!). Darüber hinaus urteilt das Gericht u. a. im Zusammenhang mit Verträgen, die für die Tochter des Klägers abgeschlossen wurden, zur Frage der sog. 'Altersvorsorge': "Die empfohlenen Anlagen in Schiffscontainer waren nicht anlegergerecht, da Anlageziel der Klägerin unstreitig die Altersvorsorge war. Ob das Anlageziel der Altersvorsorge die Inkaufnahme von Verlustrisiken generell ausschließt, ist höchstrichterlich nicht geklärt (BGH, Urteil vom ,14.07.2009, XI ZR 152/08, Rn. 51) und bedarf vorliegend keiner Klärung, denn jedenfalls ein erhebliches Verlustrisiko ist mit dem Anlageziel der Altersvorsorge, das zumindest auf den überwiegenden Kapitalerhalt ausgerichtet ist, nicht vereinbar. Vorliegend war nicht sicher, ob ein Rückkauf durch P&R tatsächlich erfolgen würde, da insoweit keine Verpflichtung zum Rückkauf vereinbart war. Es drohte daher – selbst bei Realisierung der garantierten Mietzahlungen – ein Verlustrisiko von rund der Hälfte des Anlagebetrages. Ein solches Verlustrisiko ist mit dem Anlageziel der Altersvorsorge unvereinbar, so dass der Kundenberater von der Anlage in Schiffcontainer abraten und die Klägerin darauf hätte hinweisen müssen, dass eine Anlage, bei der ein erhebliches Verlustrisiko besteht, nicht zur Altersvorsorge geeignet ist."

Das LG Kleve positioniert sich also hier in der Frage von 'P&R und Altersvorsorge' grundsätzlich anders als bspw. das LG Hamburg (vgl. 'k-mi' 15/20). Gegenüber 'k-mi' erläutert RA Marc Gericke von der Kanzlei Göddecke dies wie folgt: "Wer eine Kapitalanlage zur Vorsorge im Alter tätigen wollte, dem durfte eine Kapitalanlage in Container der P&R-Gruppe nicht empfohlen werden. Nach Ansicht des Gerichtes waren die Verlustrisiken bei dieser Kapitalanlage derart hoch, dass sie nicht mit dem Anlageziel 'Altersvorsorge' vereinbar ist. Das Gericht hat diese Ansicht gut begründet. Schließlich ist nicht jede Anlageempfehlung zur Altersvorsorge fehlerhaft, nur weil ein theoretisches Totalverlustrisiko besteht. Das Gericht war daher aufgerufen, die von Anfang an gegebenen und erkennbaren Verlustrisiken zu analysieren und zu bewerten. Darüber hinaus hat die Bank nach diesem Urteil unsere Mandanten auch fehlerhaft bzw. beschönigend über die tatsächlichen Verlustrisiken aufgeklärt. Das LG Kleve bestätigte dabei drei Aufklärungsfehler, von denen einer ausgereicht hätte, um die Bank zur Rückabwicklung der Verträge zu verurteilen."

'k-mi'-Fazit: Die aktuelle Entscheidung des LG Kleve zu P&R bringt drei wesentliche Erkenntnisse:  ++ Die Frage der Eignung von 'P&R' zur Altersvorsorge ist weiterhin strittig bzw. heikel  ++ Insbesondere der Vertrieb von 'P&R' ohne Prospekt birgt hohe Haftungsrisiken aufgrund der unvollständigen Risikoaufklärung, wovor 'k-mi' seit 1994 wiederholt gewarnt hatte  ++ In der aktuellen politischen Debatte über eine BaFin-Aufsicht wird überdeutlich, dass eine 'BaFin-Aufsicht' eben nicht automatisch besseren Anlegerschutz bedeutet, da die Banken bei P&R 'Serientäter' waren und die BaFin offenkundig nichts im Sinne der Anleger unternommen hatte.

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