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ERGO: Harald Christ will Markt aufmischen – wer profitiert?

Deutschlands zweitgrößter Erstversicherer will nicht nur das Schmuddel-Image der Sexpartys feiernden Vertriebsprotzer ein für allemal hinter sich lassen, sondern seiner Konzernmutter Munich Re endlich wieder vorzeigbare Gewinne zuführen. Bis dahin bleibt es steinig, das 'manager magazin' assoziierte am 07.02.2017 sogar die Leistung der ERGO für Munich Re als "Bremsklotz". Putzig formuliert, schließlich pumpt der Münchener Rückversicherer bis 2020 rund 1 Mrd. € in den kommenden Jahren in Richtung ERGO-Boss Markus Rieß, wovon alleine ca. 430 Mio. € in die marode IT fließen sollen. Allerdings wird nicht nur geklotzt. Beim Personal kehrt überwiegend Hausmannskost ein, ein verordnetes Effizienz- und Digitalisierungsprogramm sieht den Abbau von 1.835 Vollzeitstellen vor. Und einen ersten kleinen Lichtblick gibt es bereits zu vermelden. Die ERGO verbuchte im abgelaufenen Geschäftsjahr 2016 einen Überschuss von 91 Mio. € (in fünf Jahren soll der angepeilte Gewinn gar auf 600 Mio. € ansteigen!), der allerdings maßgeblich auf dem Verkauf von Tafelsilber – sprich Kapitalanlagen – beruhte, um die Zinszusatzreserve für alte LV-Verträge mit hohem Garantiezins anzuheben. Doch worin soll die bahnbrechende Strategie der Düsseldorfer bestehen, um die höchst ambitionierten Zielvorgaben zu erklimmen?

Auf vertrieblicher Seite hat sich die ERGO im Mai des vergangenen Jahres mit der schillernden Person Harald Christ verstärkt. Branchenaußenseiter assoziieren mit dem Namen eher noch den Wunschkandidaten des ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier in dessen 2009er Schattenkabinett für den Posten als Bundeswirtschaftsministers. Brancheninsider mögen damals die Luft angehalten haben, schließlich kennt man Christ noch allzu gut aus seiner divenhaften Zeit bei HCI Capital AG (heute Ernst Russ AG). Davor und danach tauchte er u. a. als Vertriebsdirektor der BHW Bausparkasse Hameln und als Vorstandsvorsitzender der Postbank Finanzberatung AG auf und dann auch wieder ab. Letzteren Posten wechselte er, um den Lockrufen der ERGO zu folgen. Der aus Worms stammende Manager nahm sich im Frühjahr ausgiebig Zeit, um in einem vierseitigen Cash-Interview (4/2017) seine ERGO-Pläne vorzustellen. Zu den Kernvorhaben gehören demnach neben dem digitalen Wandel, zu dem der neue Pure Digital Player "Nexible" gehört, der Kunden bedient, die keine Beratung wünschen, ebenso noch:  ++ eine Produktoffensive mit Fokussierung auf Investmentprodukte mit Fondssparplänen und Einmalanlageprodukten und neuen Vermögensmanagement-Fonds sowie  ++ die Gewinnung von leistungsstarken Agenturen als auch junger Vertriebspartner. So nett dies alles auf den ersten Blick auch klingen mag, resultieren daraus zahlreiche klärungsbedürftige Fragen. Deshalb hat 'k-mi' dem Versicherungs-Vertriebsvorstand neun (etwa zu kritische?) Fragen zur Beantwortung vorgelegt. Eine Stellungnahme erhielten wir aus dem ERGO-Tower darauf bislang nicht. Um was geht es?

Christ plant den Vertriebsaufbau zu pushen. Wie, dazu schweigt der Manager gegenüber 'k-mi'. Die Historie kennt jedoch noch ein Christ'sches Stilmittel. Dazu blicken wir auf sein HCI-Intermezzo zurück: Unter der Christ-Ägide verdreifachte HCI im Vorfeld des Börsenganges das eingesammelte Eigenkapital bei neu aufgelegten geschlossenen Fonds zwischen 2002 (194 Mio. €) und 2004 (635 Mio. €), auch indem die Anreize bei Vertriebsprovisionen für eingeworbenes Kapital entgegen des damaligen Markttrends von 11 % auf 12,2 %, bei Schiffsfonds auf stolze 13,4 % angehoben wurden (vgl. 'k-mi' 39/05). Plant Christ nun auch, bei ERGO die Provisionsanreize zu erhöhen? Die Marktaufsicht dürfte bei diesem Punkt jedenfalls hellhörig werden, was der Angelegenheit eine gewisse Brisanz verleihen würde. Jedenfalls der angekündigte Schwenk in Richtung Direktkundenansprache (Stichwort "Nexible") dürfte keine neuen Vertriebsmitarbeiter in die Arme von Christ lenken – im Gegenteil. Und ob die anstehenden Produktanpassungen der letzte Schrei sein werden, bleibt ebenfalls noch sehr abzuwarten. Aber wer Christ kennt, der weiß, der Mann verfolgt auch seinen (eigenen) Plan. In noch allzu 'guter' Erinnerung ist uns da sein generalstabsmäßig eingeleiteter Börsengang bei HCI. Und beim Thema IPO ist die Brücke zur ERGO schnell geschlagen. Schließlich schwirrt das Thema Abspaltung der ERGO von der Munich Re seit Jahren durch die Landschaft. Naheliegend wäre da, die Tochter jetzt auf Teufel-komm-raus anzutreiben, um sie – vielleicht in exakt fünf Jahren nach Erfüllung der Zielpläne – auf das Börsenparkett zu bringen. Hat man sich dafür etwa an Christ erinnert?

Dessen Heldentat lief beim Hamburger Emissionshaus seinerzeit wie folgt ab: HCI-Großaktionärin Ursula Rössel engagierte Christ im Jahr 2002, der sich sodann mittelbar über die Harald Christ Consult GmbH ein 24 %-Anteilspaket an der HCI Holding GmbH für 4,56 Mio. € sicherte – fremdfinanziert mit Rückzahlungszeitpunkt 15.10.2005 gegenüber der HCI Holding GmbH. Christ führte die Hanseaten bis 2005 in einem wahren Schiffskauf- und verkaufsrausch zum größten Schiffsfondsanbieter und bereitete den Weg zielgerichtet zum IPO mit Stichtag Oktober 2005 vor. Nicht nur, um sein Darlehen pünktlich zurückzuführen, sondern auch um bei dem Coup mit rund 40 Mio. € und einem ihm verbliebenen Aktienpaket in Höhe von 8,8 % nach Börsengang persönlich und überaus fürstlich Kasse zu machen. Christ ist so gelungen, binnen Jahresfrist das Stammkapital des Unternehmens mal eben zu verhundertfachen! Das funktionierte auch so gut, weil man die HCI-Leistungsbilanz förmlich tunte, was uns auf die Frage brachte "Wieso hat HCI in seiner Leistungsbilanz des Jahres 1999 die Performance seiner Schiffe anders ausgewiesen als 2005, dem Jahr des Börsengangs?" (vgl. 'k-mi' 37/05). Was längst nicht die einzige Ungereimtheit war, denn auch ebenso ungewöhnlich war es gewesen, wie HCI damals Anlegern zum Verkauf ihrer HCI-Schiffsfonds trieb, im gleichen Atemzug aber noch viel mehr neue Produkte auflegte, was 'k-mi' zur Headline veranlasste: "HCI: Großes Umsatz-Karussell auf Kosten der Anleger?" (vgl. 'k-mi' 39/05). Im Jahr 2007 ging Christ bei HCI von Bord, als verhängnisvolle Deals wie die Ölplattform HCI deepsea oil explorer eingetütet waren und mit dazu führten, dass HCI später selbst den Rettungsanker warf, weil die Schiffs-Orders kaum mehr unters Volk gebracht werden konnten, bis schließlich der eigene Markenname HCI zu Grabe getragen wurde.

'k-mi'-Fazit: Irgendwie scheint die verkündete ERGO-Story analog zu HCI gewaltig zu stinken. Oberflächlich wird aufs Gaspedal getreten, doch an der wichtigen Basis wird das Fundament mit einem gewaltigen Mitarbeiter-Exodus gelockert. Wie soll die damit vermutlich einhergehende Verschlechterung bei der Service- und Dienstleistung mit längeren Prozesswegen aufgefangen werden? Sind die Leidtragenden am Ende mal wieder der Kunde und der Vertrieb? Welche Rolle spielt Christ hier, und was hat er sich entlohnend für seine Tätigkeit ausgehandelt? Wir können deshalb nur raten – Drum prüfe gründlich, wer sich hier bindet!

 

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