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ESMA zu Fonds-Performance: UK trotz Provisionsverbot Schlusslicht

Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Statistik der EU-Wertpapieraufsicht ESMA. Bevor wir auf die ESMA-Daten und Schlussfolgerungen daraus detailliert eingehen, kurz zur Vorgeschichte und Hintergrund der Debatte: Erinnern Sie sich noch an die Pressemitteilung des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) mit dem Titel "Großbritannien zeigt: Provisionsverbot verbessert Anlageberatung" aus dem April 2017? Dort hieß es zudem "Die Qualität der Anlageberatung in Deutschland ist nachweislich schlecht" (vgl. 'k-mi' 17/17). Die 'wissenschaftliche' Methode, mit der die Verbraucherschützer dies ermittelt haben, nennt sich übrigens 'anekdotische Evidenz': Man kennt ein paar Fälle und überträgt dies mal eben im Vorbeigehen auf zwei Märkte mit knapp 60 Mio. sowie 82 Mio. Einwohnern!

Seitdem erhärten sich allerdings die Indizien, dass sich in Großbritannien durch das Provisionsverbot eine Beratungslücke gebildet hat, die viele Verbraucher u. a. aus Kostengründen von Finanzberatung ausschließt: ++ Nicht nur der deutsche BaFin-Chef Felix Hufeld hat dies im Hinblick auf eine angebliche Vorbildfunktion unlängst schon angemahnt ("erschreckendes Ergebnis", vgl. 'k-mi' 02, 03/19). Auch die britische Aufsicht FCA hatte dies schon wörtlich in dem sog. Fortschrittsbericht festgestellt, der dem vzbv zum Zeitpunkt der Pressemitteilung ebenfalls vorlag. In dem "FAMR Financial Advice Market Review Progress report" der britischen Aufsicht und des Finanzministeriums von April 2017 heißt es zur Ausgangslage u. a.: "FAMR was launched in August 2015 in light of concerns that the market for financial advice was not working well for consumers (...) The government introduced measures that make it easier for consumers to pay the upfront cost of advice, which FAMR found can discourage people from engaging." Zusammengefasst bedeutet dies quasi das Gegenteil dessen, was der vzbv behauptet: Es gibt Bedenken, so die Aussagen des 'Fortschrittsberichts', dass der Beratungsmarkt für Verbraucher nach der Einführung des Provisionsverbots nicht gut funktioniert. Staatliche Subventionen sind nötig für die Vorab-Beratungshonorare, die Verbraucher davor abschrecken, eine Beratung in Anspruch zu nehmen.

In der Folge gab es eine ganze Reihe von – größtenteils staatlichen – repräsentativen Studien, die eine erdrückende empirische Beweislage für das Entstehen einer Beratungslücke im Zuge des Provisionsverbots lieferten: ++ Der 'Retirement Outcomes Review' der FCA von 2017/2018 kam zu dem Ergebnis, dass ab 2015 bei Rentenbezugsplänen in Großbritannien die Beratungsquote von 30 % auf 5 % gesunken ist ++ Die periodische FCA-'Financial Lives survey' lieferte z. B. im Juni 2018 wieder den Befund, dass in den vorangegangen 12 Monaten nur 6 % (!) der Briten eine kostenpflichtige Beratung in Anspruch genommen hatten vgl. ('k-mi' 09/20) ++ Die ausführliche Studie der EU-Kommission über 'Vertriebssysteme für Retail-Anlageprodukte in der Europäischen Union', die diesbezüglich zum Ergebnis kam: "Das Verbot von Zuwendungen in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich war ein starker Treiber für Fonds-Supermärkte", wodurch u. a. die Verlagerung des Anlegerverhaltens von der Beratung hin zur (ggf. unfreiwilligen) Selbstentscheidung forciert wurde ('k-mi' 29/18) ++ Die sog. 'Retail Investments Product Sales Data', die die FCA regelmäßig veröffentlicht, dokumentiert haarklein den Rückgang der Beratungsquote in nahezu allen Anlageklassen in UK ('k-mi' 05/19) ++ Die repräsentative Studie 'The UK Advice Gap' der Beratungsgesellschaft OpenMoney durch YouGov im Januar 2019 verweist schon im Titel auf die entstandene Beratungslücke ('k-mi' 32/19).

Aber was ist über den Aspekt der Inanspruchnahme von Beratung darüber hinaus mit dem Argument der Qualität der Beratung? Der vzbv behauptet ja nicht nur, dass in UK trotz Provisionsverbot niemand aus Kostengründen auf Beratung verzichten muss, sondern dass sie dort zudem auch viel besser ist als z. B. in Deutschland. Nun ist die großflächige Qualität von Beratung schwer zu messen. In Deutschland hat sich die Qualität der Finanzberatung z. B. seit der Finanzkrise auch ohne Provisionsverbot mit ziemlicher Sicherheit verbessert. Hauptsächlich aber wohl deshalb, weil der Gesetzgeber auch auf EU-Ebene dem wilden Treiben von Banken und großen Finanzkonzernen mit Regulierung und verschärfter Aufsicht Einhalt geboten hat. Es ist sehr naheliegend, denselben Effekt einer Verbesserung anhand der EU-weiten Regulierung der Finanzwirtschaft in den letzten Jahren auch für England anzunehmen. Für einen kausalen Zusammenhang jedoch von verbesserter Beratung mit dem Provisionsverbot in Großbritannien fehlt dagegen jegliche empirische Evidenz!

Im Gegenteil: Nun liefert auch die ESMA mit aktuellen Daten eine klare empirische Widerlegung der Behauptung, dass ein Provisionsverbot automatisch zu guter bzw. besserer Beratung im Bereich der Investmentfonds führt. Der vor wenigen Tagen vorgelegte letzte 'Annual Statistical Report' der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA mit dem Titel 'Performance and Costs of Retail Investment Products in the EU' enthält eine ganz Fülle von Daten und Statistiken. Heraus sticht vor allem, dass Großbritannien bei der von der ESMA bevorzugten 3-Jahres-Performance-Analyse von Aktienfonds, Rentenfonds und Mischfonds aus dem Retail-Segment im Zeitraum 2016–2018 jeweils an hinterster Stelle steht, teilweise weit abgeschlagen. Bei Mischfonds ziehen sie sogar den EU-weiten Schnitt ins Negative (siehe ESMA-Grafik). Auch bezüglich Kosten lassen sich dort keine Vorteile für britische Verbraucher erkennen.

Lassen sich daraus Rückschlüsse auf die Beratungsqualität im Königreich ziehen? Wir denken schon: Der britische Retailmarkt für Investmentfonds ist nach Luxemburg der größte in Europa. Die sog. 'Cross-Border-Distribution'-Quote ist laut ESMA unterdurchschnittlich. Das bedeutet, dass in UK domizilierte Retail-Fonds auch überwiegend dort in den Vertrieb gelangen. Die Briten sitzen also nach mehreren Jahren des Provisionsverbots auf den schlechtesten Investmentfonds in ganz Europa! Wenn es Indikatoren für schlechte Beratung gibt, dann ist dies bestimmt einer. Nun könnten Verbraucherschützer natürlich einwenden, dass die verbliebenen Honorar-Berater in UK mit ihren (besseren) Anlagevorschlägen in der breiten Masse einfach nicht durchgedrungen wären. Dies wäre jedoch erst recht wieder der Beleg für das Vorhandensein einer Beratungslücke bzw. dass nur wenige reiche Briten in den Genuss einer besseren Anlageberatung kommen!

'k-mi'-Fazit: Honorarberatung kann für Finanzdienstleister zumindest mittel- bis langfristig eine interessante Perspektive sein, wenn man sie seitens des Gesetzgebers intelligent fördert. Aber die Honorarberatung durch ein Provisionsverbot mit dem Holzhammer zu erzwingen, führt eben nicht zum Ziel, sondern zu den dargestellten Kollateralschäden und dem Scherbenhaufen wie in Großbritannien: Es gibt überall Verbraucher, die sich aus diversen Gründen nicht mit ihrer Altersvorsorge etc. befassen. Mit dem Provisionsverbot schließt man aber zusätzlich sehr viele Verbraucher aus, z. B. Jüngere, die eine Beratung bräuchten, sich aber aus Liquiditätsaspekten faktisch keine leisten können oder die Kosten scheuen. Was die Propagierung solcher unerwünschten Szenarien mit Verbraucherschutz zu tun haben soll, hat sich uns bislang nicht erschlossen. Besser wird die Beratung ohne Provision offenbar auch nicht: Folgt man der ESMA, dann sind deutsche Verbraucher mit Investmentfonds in der Masse zuletzt besser gefahren als in England. Hierbei sind die in Großbritannien anfallenden Beratungshonorare bei der Fondsperformance noch nicht einmal berücksichtigt! Die Forderung des vzbv nach einen Provisionsverbot in Deutschland ist daher eine durchsichtige ideologische Agenda. Vollends die Orientierung verloren hat der vzbv zuletzt, indem er mit der Bankenlobby in einer gemeinsamen (!) Pressemitteilung den Kabinettsbeschluss zu einem Gesetz zur Übertragung der Aufsicht von Finanzanlagenvermittlern und Honorarberater auf die BaFin unkritisch lobte. Das Gesetz wird jedoch nach Auffassung nahezu aller Experten abertausende Unternehmen vernichten und auf Jahre hinaus zu einem gravierenden Existenzgründungshemmnis für unabhängige Berater – und damit auch für Honorarberater – führen!

Hier finden Sie weitere Infos und Fakten zur Debatte um ein Provisionsverbot.

 

 

 

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