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Freier Berater-Markt durch BaFin-Aufsicht vor Kernschmelze

Der Bundesregierung kann es mit dem Gesetzentwurf zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater auf die BaFin nicht übereilt genug gehen. Die Branche steht nun vor zwei harten Kostenschocks inmitten einer Corona-bedingen Umsatzkrise:  ++ Unabhängig von der Aufsichtsübertragung tritt am 01.08.2020 die novellierte FinVermV in Kraft: Die Kosten für Finanzanlagenvermittler belaufen sich nach den eher als niedrig anzusetzenden Ministeriums-Schätzungen einmalig auf 62,5 Mio. € sowie laufend auf 60,7 Mio. €, nicht zuletzt durch das umstrittene 'Taping'. Die bisherigen Erfahrungen bei Banken zeigen allerdings, dass die Kosten in der Praxis deutlich höher liegen und bei Selbständigen zudem viel ungünstiger skalieren dürften  ++ Durch die dann folgende bzw. nun zu beratende Aufsichtsübertragung auf die BaFin sollen laut BMF jährliche Kosten von 36,4 Mio. € sowie einmalige Kosten von 5,18 Mio. € entstehen  ++ Zusammen ergibt das eine laufende jährliche Mehrbelastung von 97,1 Mio. € sowie 67,7 Mio. € einmalig. Umgelegt auf ca. 37.000 Finanzanlagenvermittler bedeutet dies jährliche Mehrkosten von 2.624 € sowie einmalig von 1.830 €.

Diese Kostenschätzungen sind jedoch noch lange nicht das Ende der Fahnenstange: Sie stellen nur die absolute Untergrenze dar unter der unrealistischen Annahme des BMF, dass es auch in Zukunft weiterhin 37.000 Erlaubnisinhaber analog zum § 34f GewO geben wird. Dies ändert sich künftig durch das Gesetz zur BaFin-Aufsicht hauptsächlich aus drei leicht nachvollziehbaren Gründen:  ++ Grund 1: Die erhöhten Aufsichtskosten an sich werden schon viele selbständige Finanzanlagevermittler aus dem Markt verdrängen und das eben nicht wegen fehlender Qualifikation oder Sachkunde. Allein dies ist schon eine Schwächung des Anlegerschutzes  ++ Grund 2: Die Mitarbeiter größerer Strukturvertriebe benötigen in Zukunft keine Erlaubnis mehr, da sie als "vertraglich gebundene Dienstleister" nicht mehr direkt der Aufsicht der BaFin unterstehen. Dies bedeutet, dass von den 37.000 Finanzanlagenvermittlern zusätzlich ca. 20.000 wegfallen. Allein die DVAG beschäftigt nach eigenen Angaben über 17.000 hauptberuflich tätige Vermögensberater, weitere Zigtausende kommen von Swiss Life, OVB, Bonnfinanz etc. Noch am 16.03.2020 hat das BMF im Auftrag der Bundesregierung auf Anfrage der FDP-Fraktion und des Finanzexperten Frank Schäffler offenbar wider besseren Wissens erklärt: "Die Aufsichtskosten und Gebühren basieren auf der Zahl von 37.000 zu beaufsichtigenden Unternehmen, d. h. auf der Anzahl der derzeitigen Erlaubnisinhaber. Ein schneller Rückgang der Zahl von Erlaubnisinhabern wird nicht unterstellt." (BT-Drs. 19/18217).

Aus unserer Sicht handelt es sich bei dieser Fehlinformation um einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Bundestages durch das BMF, das seinen eigenen Gesetzentwurf nicht zu kennen scheint! Denn dort heißt es: "Vertraglich gebundene Dienstleister unterfallen nicht dem Begriff des Finanzanlagendienstleisters." (Hervorhebung durch uns).  Die "neuartige Konstruktion" der 'Vertriebsgesellschaft', die es in der bisherigen Rechtslage als Legaldefinition nicht gibt, mit vertraglich gebundenen Dienstleistern war von den Autoren des Entwurfs nur scheinbar wohlwollend als eine Art Handreichung gemeint, nach dem Motto: Wenn der Aufsichts-Wechsel zu teuer wird, könnt ihr ja immer noch als Strukkis weitermachen. "Außerdem soll die Regelung kleinen Einzelunternehmern, die keine BaFin-Erlaubnis anstreben, eine Alternative zur eigenständigen Erfüllung sämtlicher Erlaubnis- und Aufsichtsvorgaben bieten", hieß es dazu noch verräterisch im sog. Eckpunkte-Papier (vgl. 'k-mi' 43/19). In Wahrheit geht es aber wohl nur darum, die verheerenden Folgen der Aufsichtsübertragung zu übertünchen mit hohen Vermittlerzahlen, die nur noch auf dem Papier stehen.

Das Problem ist nämlich: Ein solcher gravierender Eingriff in die Marktstruktur ist weder vom Koalitionsvertrag gedeckt, noch ist es für den Anlegerschutz sinnvoll. In der nebenstehenden Tabelle haben wir die Pflichten und Kosten gegenübergestellt, die auf die Finanzanlagendienstleister nach der Aufsichtsübertragung auf die BaFin zukommen:  ++ Umlage  ++ Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten  ++ Prüfungspflichten  ++ Jährliche Selbstauskunft  ++ Zwingende elektronische Kommunikationsschnittstelle mit der BaFin ++ Nachweisverfahren zur Bestätigung der Erlaubnis.

Von diesem ganzen Aufwand in Form von Pflichten und Kosten sind aber in Zukunft 'vertraglich gebundene Dienstleister' unter dem neu geschaffenen 'Haftungsdach light' bzw. Strukturvertrieben befreit. Das bedeutet: Der Gesetzentwurf bestraft die Unabhängigkeit und belohnt zentral gesteuerte Vertriebseinheiten mit den entsprechenden Produkt- und Umsatzvorgaben. Abhängigkeit wird durch den Entwurf förmlich incentiviert, indem Mitarbeiter von Strukturvertrieben eine Menge Geld und Aufwand sparen können, da sie künftig nicht direkt der Aufsicht der BaFin unterstehen, wenn sie sich an ihren Vertrieb fest binden und trotzdem wie bisher weitermachen können. Dies wird eine erhebliche Sogwirkung erzeugen und zu einer  massiven Marktkonzentration führen. Was das Ganze mit Anlegerschutz zu tun haben soll, hat sich uns bisher nicht erschlossen.

Kommen wir nun zu den wirklichen Vermittlerzahlen und künftigen Kosten und damit zu  ++ Grund 3 für das Vermittlersterben: Von den 37.000 Erlaubnisinhabern fallen ca. 20.000 weg, da diese künftig unter dem Dach von Strukturvertrieben operieren und damit der direkten Aufsicht der BaFin entzogen sind. Von den noch  verbleibenden 17.000 selbständigen Finanzdienstleistern werden, nach vorsichtiger Schätzung, ca. die Hälfte die Kostenschocks in kurzer Zeit (Umlage nach BMF-Berechnung, Taping und 'Corona') nicht verdauen können. Es verbleiben zunächst also nur ca. 8.500 selbständige Finanzanlagendienstleister mit Erlaubnis, die in die Umlagegruppe 1 fallen. Dies ist u. E. die realistische bzw. wahre Größe der Vermittlerzahlen, von der man ausgehen muss! Geht man davon aus, dass die Aufsichtskosten und Gemeinkosten der BaFin zu ca. 2/3 auf diese Umlagegruppe entfallen, ergibt sich eine jährliche Umlage von ca. 2.350 € pro Finanzanlagendienstleister. Dies allein ist schon das 4,6fache der Umlage-Kosten, die das BMF aktuell angibt. Hinzu kommen noch weitere Kosten für die oben aufgeführten Aufsichts-Pflichten sowie für das Taping, die sich vorsichtig geschätzt auf ca. 5.000 € Mehrkosten pro Jahr für Selbständige Finanzanlagenvermittler summieren. Aber selbst wenn die verbliebenen 8.500 Vermittler dies zunächst schultern könnten, wäre ihr Schicksal besiegelt: Sie profitieren durch Neukunden kaum von einer Marktbereinigung, da die Vermögensberater der Strukturvertriebe ja weiterhin tätig sind. Letztere operieren jedoch unter deutlich geringeren Kosten, da sie viele der kommenden Auflagen nicht erfüllen müssen (siehe Tabelle S. 2). Das bedeutet, dass selbständige Finanzanlagendienstleister unter BaFin-Aufsicht aufgrund der Kosten und der unfairen Wettbewerbsbedingungen nie konkurrenzfähig zu vertraglich gebundenen Dienstleistern sein können. Dies wird weitere Geschäftsaufgaben nach sich ziehen und damit – in einer sich selbst verstärkenden Spirale – die Umlagekosten immer weiter erhöhen, bis am Ende nur noch eine niedrige vierstellige Zahl von Finanzanlagenvermittlern von ehemals 37.000 Erlaubnisinhabern übrigbleiben wird.

'k-mi'-Fazit: Der Gesetzentwurf zur BaFin-Aufsicht ist der Todesstoß für den Markt der unabhängigen Verbraucherberatung durch selbständige Finanzanlagenvermittler und Honorarberater. Es handelt sich eben nicht nur um eine Formalie wie eine Aufsichtsübertragung, sondern um eine massive Strukturveränderung des Marktes. Es wird zu einer Kernschmelze bei den Vermittlerzahlen kommen, die vom BMF noch nicht einmal besonders geschickt verschleiert wird, um Kritik zu unterdrücken. Das Kollabieren des Marktes liegt aber nicht nur an den Kosten: Obwohl die wahren Kosten nachweislich bei einem Vielfachen dessen liegen werden, was das BMF derzeit einräumt, liegt dies vor allem an der "neuartigen Konstruktion" bzw. dem fatalen Konstruktionsfehler der Vertriebsgesellschaft, die die Wettbewerbsbedingungen verzerrt. Unabhängige Beratung wird durch höhere Kosten und Auflagen bestraft. Die Aufgabe der Unabhängigkeit wird durch das Gesetz massiv incentiviert. Im Ergebnis leidet der Anlegerschutz durch die absehbare Konzentration des Marktes auf wenige Vertriebsgesellschaften mit "zentraler Steuerung". Aufsichtswechsel hin oder her, aber eben dieses steht gerade nicht im Koalitionsvertrag.

Wir werden uns dagegen weiter für Sie einsetzen und Sie über das Verfahren auf dem Laufenden halten, in dem mit allen Tricks gearbeitet wird. In Kürze steht hierzu das Votum des Bundesrates an.

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