Sie erinnern sich, in 'k-mi' 38/23 deckten wir auf, wie TELIS Finanz mit der kostenpflichtig in Auftrag gegebenen 'Auszeichnung' des TÜV Süd "ServiceExcellence" warb: "Das Ergebnis kann sich auch in diesem Jahr sehen lassen: Als einziger Finanzdienstleister unter den zertifizierten Unternehmen kann die TELIS Finanz AG stolz auf ihre sechste Folgeauszeichnung sein – ein echtes Alleinstellungsmerkmal." Blöd für die Strukki-Bude, dass sich gerade mal neben TELIS mit ENVEVAS Krankenversicherung AG und SWK Energie GmbH nur zwei weitere Unternehmen abseits des Finanzvertriebs diesem Service-Check stellten, der offensichtlich bei den Regensburgern von einem einzigen TÜV-Mitarbeiter – in welcher Form auch immer – durch Kunden- oder Mitarbeiterbefragungen durchgeführt wurde. Wer angesichts dieser Siegel-Kauf-'Leistung' meint seinen Stolz präsentieren zu müssen, scheint es wohl nötig zu haben. Anders erklärt sich uns der neueste Coup von TELIS auch nicht. Mit Pressemeldung vom 08.05.2024 verkündet die TELIS FinancialServicesHolding AG: "Neuer Meilenstein für die GWVS mbH: Erfolgreiche ISO-Zertifizierung im TELIS-Konzern“. Bei der GWVS Gesellschaft für Wirtschafts- und Verwaltungsservice mbH handelt es sich um ein technologisches Tochterunternehmen der TELIS für hauseigene IT-Lösungen. Das nächste TÜV-Siegel preisen die Strukturvertriebler wie folgt voller Euphorie: "Mit der Zertifizierung nach ISO/IEC 27001:2013 durch den TÜV Rheinland hat GWVS einen weiteren Meilenstein im Bereich der Informationssicherheit erreicht und geht als Vorbild für Prozessoptimierung und Datensicherheit voran." Klingt gut, ist aber völlig peinlich:
Denn bei dieser ISO-Norm handelt es sich um eine inzwischen rund elf Jahre alte Version, die mögliche Risiken auf ein nach heutigem Maßstab akzeptables Maß reduziert und die seit 2022 von der aktualisierten Version ISO/IEC 27001:2022 mit höheren Sicherheitsstufen abgelöst wird. Der TÜV Rheinland erklärt zum neuen Standard: "Mit einem nach ISO/27001 zertifizierten Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) setzen Sie ein starkes Zeichen für die Sicherheit von Informationen, Daten und Systemen (…) Die ISO 27001-Zertifizierung ist nicht nur sinnvoll, um gezielte Angriffe abzuwehren. Eine stabile ISMS schützt auch vor ungewollten Unterbrechungen, die möglicherweise den gesamten Geschäftsbetrieb lahmlegen. Geben Sie Wettbewerbern keine Chance, durch solche Störungen Marktanteile zu erobern. Die Norm ISO 27001 hilft Ihnen, Ihre Informationssicherheit und IT-Security systematisch und strukturiert zu optimieren, und sie Ihren spezifischen Anforderungen anzupassen. Ein ISMS unterstützt dabei, die Vertraulichkeit betrieblicher und personenbezogener Daten zu gewährleisten und sorgt für eine Verbesserung Ihrer gesamten IT-Infrastruktur." Im Umkehrschluss bedeutet dies dann wohl: Würde die IT der Regensburger all diese neuesten technischen Standards erfüllen, weshalb sollte der TÜV Rheinland ein aktuell eingeholtes Zertifikat noch auf elf Jahre alte Untersuchungswerte stützen? Im Zeitalter der Digitalisierung kann es sich hier um Lichtjahre handeln. Jetzt lässt sich natürlich einwenden, dass es für bestehende Zertifikate eine Übergangsfrist von 36 Monaten bis Ende Oktober 2025 gibt. Aber wie bereits erwähnt: Wer sich mit einer Zertifizierung brüstet, die nicht den neuesten höheren Anforderungen entspricht, der sollte besser schweigen, statt laut zu posaunen. Denn das Thema Datensicherheit ist aktuell – wie das noch ungeklärte CDU-Datenleck jüngst wieder aufzeigt – hoch brisant in der Öffentlichkeit. Gerade in der neuen ISO/IEC 27001:2022 nimmt die Cloudsicherheit einen bedeutenden Sicherheitsaspekt ein. Sobald sich nun ein Anbieter wie TELIS mit einer erfolgreichen ISO-Zertifizierung öffentlich schmückt, geht der uninformierte Verbraucher natürlich auch davon aus, dass die höchst-möglichen Sicherheitsaspekte bei der Prüfung zur Anwendung kamen. Dies wird naturgemäß jedoch nicht der Fall sein, wenn es parallel bereits eine neue ISO-Norm im Markt gibt!
'k-mi' befragte hierzu TELIS-Vorstand Dr. Martin Pöll und wollte u. a. von ihm wissen ++ Ob es nicht täuschend ist, solange die ISO-Zertifizierung nicht den neuesten technischen Anforderungen entspricht, trotzdem diese als "Meilenstein" bzw. "Vorbild" werblich hervorzuheben? ++ Nehmen Ihre Anlageberater es bei Produktempfehlungen im Bereich Versicherung oder Kapitalanlage auch nicht so genau, ob deren Empfehlungen tatsächlich das halten, was versprochen wird? Bis Redaktionsschluss ist hierzu noch keine Stellungnahme bei uns eingegangen. Der heutige Fall wirft mal wieder einen tiefen Schatten auf die inflationäre Siegel-Vergabe nicht nur im Finanz- und Versicherungsmarkt, wo es an Transparenz und Sinnhaftigkeit vielfach hapert. Ein Massen-Preisverleiher ist seit eh und je das Wirtschaftsmagazin 'Focus' aus dem Burda-Verlag, das alles, was bis drei nicht auf den Bäumen ist, auszeichnet. Von ++ Arbeitgebern über ++ Beratern ++ Hochschulen ++ Karriereportalen ++ Klima Engagement ++ Personalportalen ++ Personaldienstleistern ++ Weiterbildungsanbietern ++ Wachstumschampions ++ Innovationschampions bis hin zu ++ Rechtsanwälten ++ Wirtschaftskanzleien ++ Steuerberatern, Immobilienmaklern etc. Vermissen Sie Ärzte in der Liste? Klar, auch diese wurden gekürt durch 'Focus' – unter der Bezeichnung "Top-Mediziner". Anfänglich fanden sich hier 500 Mediziner wieder, später waren es dann mal eben 4.200 Namen, die dafür eine Lizenzgebühr von rund 2.000 € zahlten, um in der Rubrik "Focus Empfehlung" zu landen. Die Wettbewerbszentrale hat gegen den Burda-Verlag vor dem Landgericht München (Az. HKO 14646/21) dagegen geklagt, weil "durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot" verstoßen werde.
Das LG München gab der Klage statt und führt in seiner Urteilsbegründung u. a. aus: "Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt." Der Burda Verlag dürfte wohl im Zweifel durch alle Instanzen gehen, bis hier Rechtskraft in dieser Angelegenheit erreicht ist. Denn schließlich geht es um eine wesentliche Finanzierungsquelle des Magazins. Andererseits zeigt der Fall auch auf, wie fragwürdig die im Markt haussierenden Siegel tatsächlich sind. Und wirft auf diejenigen, die meinen, sich mit so etwas auch noch rühmen zu müssen, ein bezeichnendes Licht auf die massenhaft 'Geehrten'. Vor wenigen Tagen wurde übrigens die Telis Finanz AG erneut von der ServiceValue GmbH und ihrem Kooperationspartner 'Focus Money' als herausragender Finanzvertrieb mit der Bestnote 'Sehr Gut' ausgezeichnet und erhält das Siegel "Stärkste Finanzbetreuung". Wir gratulieren 'Focus Money' zu ihrer Geschäftstüchtigkeit!
'k-mi'-Fazit: TELIS Finanz mit ihren rund 1.800 Beratern scheint es kräftig nötig zu haben, Siegel einzukaufen, um bei Kunden wie auch Beratern vermeintlichen Glanz zu verbreiten. Das kann natürlich jeder tun wie es ihm lustig ist, aber wenn ein Marktteilnehmer dabei wiederholt mit übertriebenen bis hin zu täuschenden Aussagen an die Öffentlichkeit geht, dann ist dieses Geschäftsgebaren peinlich und unseriös. Eigentlich das Gegenteil von dem, wie sich die Strukkis der TELIS präsentieren wollen.