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Was bedeutet die EU-Offenlegungsverordnung für Sachwerte?

Seit dem 10.03.2021 ist die EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanz­dienstleistungssektor (Transparenz-VO 2019/2088, TVO) in weiten Teilen in Kraft getreten. Wir ziehen heute ein kurzes Zwischenfazit, nachdem Sie in 'k-mi' schon einiges zu den Hintergründen und Auswirkungen auf Vertrieb und Anbieter lesen konnten (vgl. 'k-mi' 24, 26, 35, 50/20, 07, 08/21). Ein wichtiger Punkt vorab: Für Finanzanlagenvermittler gemäß § 34f GewO sind die sog. "nach­haltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor" gemäß der EU-Verordnung 2019/2088 bis auf weiteres nicht anzuwenden. Dies hat die BaFin gegenüber 'k-mi' ausdrücklich bestätigt und dazu noch eine weitere öffentliche Stellungnahme angekündigt (vgl. 'k-mi' 07/21).

Für Anbieter bspw. von AIF gilt die Transparenz-Verordnung allerdings seit dem 10.03.2021. Die Brüsseler Paragraphen-Fabrik hat zudem mit der EU-Verordnung über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung EU 2019/2088, der sog. Taxonomie-Verordnung 2020/852, nochmals nachgelegt, die zu großen Teilen zum 01.01.2022 in Kraft tritt. Ob diese Verordnung zur "Erleichterung nachhaltiger Investitionen" dient, bleibt abzuwarten. Die diversen überlappenden Anwendungsfristen sind keine große Erleichterung. Ob darüber hinaus die EU-Logik 'Mehr Verordnungen = mehr Klimaschutz' aufgeht, beleuchten wir nun:

Das neue EU-Regime für Nachhaltigkeit und 'Green Finance' hat vor allem darauf Einfluss, wie Fonds 'reporten' und werben, somit ist es auch als Mittel gegen das sog. 'Greenwashing' gedacht. Die EU spielt damit in der Klimapolitik 'über die Bande' der Finanzierung, da der direkte Einfluss der EU auf die (fossile) Energie-politik der Mitgliedstaaten gering ist. Der zentrale Punkt und das Hauptproblem ist: Mit dem Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung dürfen viele im Prinzip 100%ig nachhaltige Anlagen nicht behaupten, dass sie "nachhaltige Investitionen im Sinne der EU-Kriterien" tätigen. Das dürfen nur Produkte mit der sog. Artikel-9-Einstufung, dem neuen 'Goldstandard' der EU-Nachhaltigkeitspolitik. Künftig soll es für die EU drei Klassen von Fonds geben. Nachfolgend eine schematische Darstellung: ++ In der 1. (größten) Gruppe sind Fonds, die nicht spezifisch nachhaltig sind. Diese Fonds müssen im wesentlichen Artikel 6 der Offenlegungsverordnung befolgen und darlegen, wie Nachhaltigkeitsrisiken bei den Investitionsentscheidungen einbezogen werden und wie diese sich auf die Rendite auswirken können. Manche Anbieter bringen bereits den Hinweis, dass die dem Produkt zugrunde liegenden Investitionen "nicht die EU-Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten berücksichtigen" ++ In der 2. Gruppe befinden sich Fonds, die ökologische oder soziale Merkmale aufweisen und damit werben. In diese Gruppe und damit unter Artikel 8 der Offenlegungsverordnung dürfte die Mehr­­-heit der Fonds fallen, die ökologisch – z. B. nach ESG-Kriterien – investieren. In der Praxis führt das momentan zu der bizarren Konstellation, dass solche Fonds keine nachhaltigen Investitionen im Sinne der Offenlegungsverordnung tätigen, obwohl sie z. B. in Windparks investieren. Auch Fonds, die bspw. zu 100 % ESG-konform investieren, sind nach dem neuen EU-Standard zu 0 % nachhaltig, wenn sie unter Artikel 8 fallen!

++ Denn nachhaltig im Sinne der EU sind nur Fonds bzw. Produkte, die unter Artikel 9 der Offen­-legungsverordnung fallen. Entscheidend, um in diese 3. Gruppe zu kommen, ist nicht primär, wie und in was man investiert, sondern ob man die Auswirkung der Investition messen bzw. quantifizieren kann! Eine solche Einstufung nach Artikel 9 ist in der Praxis oft nur dann möglich, wenn z. B. ein Index als Referenzwert festgelegt wird, inwieweit ökologische und soziale Merkmale erreicht werden. D. h. es fallen viele ökologische Produkte durch das Raster von Artikel 9, die zur Zeit keine rechtssicheren Methoden zur Messung von Nachhaltigkeitsfaktoren haben! Denn wird z. B. "mit einem Finanzprodukt eine Reduzierung der CO2-Emissionen angestrebt", so die barocke Paragraphen-Lyrik der EU, braucht es eine "ausführliche Erklärung dazu, wie die Ziele geringer CO2-Emissionen zur Verwirklichung der langfristigen Erderwärmungsziele des Übereinkommens von Paris gewährleistet werden". Gibt es aber "keinen EU-Referenzwert für Investitionen in eine klimafreundlichere Wirtschaft oder keinen EU-Referenzwert für auf das Übereinkommen von Paris abgestimmte Investitionen", sind "detaillierte Erläuterungen dazu erforderlich, wie zur Verwirklichung der langfristigen Erderwärmungsziele des Übereinkommens von Paris sichergestellt wird, dass kontinuierliche Anstrengungen zur Verwirklichung des Ziels einer Reduzierung der CO2-Emissionen unternommen werden". Auf deutsch: Ein AIF, der in den Genuss des Labels von Artikel 9 kommen will, muss quasi angeben, um wie viel Grad Celsius sein Windpark die Erderwärmung abbremst!

Mit diesem EU-Widersinn sind eine Reihe von negativen Auswirkungen verbunden, die den Brüsseler 'Schreibtischtätern' im Zweifel nicht bewusst sind: ++ Je ökologischer ein Fonds ist, desto höher sind seine Compliance-Kosten und -Risiken, wenn er sich als nachhaltig bezeichnen will bzw. wenn er eine nachhaltige Investition im Sinn der EU anstrebt. Dies ist natürlich Mittelstandsfeindlichkeit pur, da große Strukturen bevorzugt werden ++ Die Anleger werden mit immer mehr Risikohinweisen nun auch zu Nachhaltigkeitsrisiken 'zugemüllt'. Dies befördert den 'Wald-vor-lauter-Bäume-Effekt' ++ Wer kontrolliert am Ende die Labels? Zumindest die Rating-Branche ist in Goldgräberstimmung. Die immanente Willkür und Flüchtigkeit des Nachhaltigkeitsbegriffs wird damit nicht beseitigt ++ Nachhaltige Investitionen à la EU werden zum exotischen Nischenmarkt. Das Statement eines Vermögensverwalters, der selbst Artikel-9-Produkte anbietet (Grohmann & Weinrauter), macht die offenbar unbeabsichtigte prohibitive Wirkung der EU-Regelung für den Klimaschutz noch einmal klar: "Ein Fonds, der darüber hinaus nachhaltige Investitionen und damit Wirkung anstrebt, muss künftig erläutern und über sein Reporting nachweisen, wie er diese Ziele erreicht (Artikel 9). Entsprechend klein ist damit die Zahl der Fonds, die sich dieser Hürde stellen können und wollen".  Für die Anlagen, die Artikel-9-Einstufung haben, ist das schön, aber der Kreis ist sehr begrenzt. Der Mechanismus bestraft viele durch einen Wettbewerbsnachteil, anstatt in der Breite zu fördern: Es gibt künftig nun zwar einen größeren Markt, der ESG-konform investiert, der aber nach EU-Kriterien zu 0 % nachhaltig ist. Wegen der hohen Anforderungen und der geringeren Reichweite des EU-Nachhaltigkeitsbegriffs ist dies auch kein wirksames Instrument gegen 'Greenwashing', vom zweifelhaften Klimaeffekt abgesehen ++ Für Offene Vehikel bspw. Investmentfonds ist es tendenziell leichter als für AIF, Nachhaltigkeit – zumindest auf dem Papier – messbar zu machen. Ein weiterer Fondsmanager erläutert jedoch gegenüber 'k-mi', was die Folgen sind: Fondsstrategien z. B. unter Beimischung von Rohstoffen und Edelmetallen wie Gold werden tendenziell verschwinden, u. a. wegen den Bedingungen in Goldminen etc. Auch im offenen Bereich wird also die Fonds-Monokultur befördert.

'k-mi'-Fazit: Nachhaltige Anlagen sind seit Jahrzehnten Gegenstand unseres kritischen Analyseprozesses und wir sehen hier großes Wachstumspotential. Die Frage ist nur, ob EU-Beamte die richtigen Asset-Manager hierfür sind. In den Brüsseler Büros sitzen – mit Verlaub – nicht unbedingt Praktiker aus den Bereichen Kapitalanlage und Klimaschutz. Das ist ein schwerer Geburtsfehler des bürokratischen EU-Regimes für 'GreenFinance': Viel regulatorischer Aufwand für wenig Ertrag und Klimanutzen. Wie bei der Impfstoff-Bestellung meint es die die EU gut, versagt aber in der Praxis durch Paragraphen-Overload. Insbesondere nachhaltige Investitionen werden durch die EU ja mit mehr Compliance-Kosten und -Risiken belastet. Daher können Finanzanlagenvermittler froh sein, dass sie derzeit beim Anwendungsbereich der Offenlegungsverordnung außen vor sind. Der 'Sustainable-Finance-Beirat' empfiehlt der Bundesregierung übrigens aktuell das Gegenteil von dem, was die EU praktiziert: Nämlich nicht einen Nachhaltigkeits-Flaschenhals zu schaffen, sondern: "Die Erweiterung der Möglichkeiten zur Zulassung von wirkungsorientierten Finanzprodukten (Impact-Investing-Produkten) für den Privatkundenvertrieb, entsprechend den Ausnahmen bei öffentlichen inländischen Publikums-AIF (alternativen Investmentfonds)."

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