Es ist eine gebetsmühlenartige Wiederholung der Verbraucherschützer, die provisionsbasierte Beratung und Vermittlung zu verteufeln, ein Provisionsverbot zu fordern und die Honorarberatung als Allheilmittel darzustellen. Dass dabei die in anderen Ländern aufgetretenen negativen Folgen eines Provisionsverbots konsequent ausgeblendet werden, dient nicht dem Verbraucherschutz, berichtet der Düsseldorfer Brancheninformationsdienst ‚versicherungstip‘. Für ein Provisionsverbot redet die Verbraucherzentrale einer Zwei-Klassen-Gesellschaft bei der Beratung das Wort – professionelle Beratung für Reiche, für Normal- und Geringverdiener aber keine persönliche und individuelle Beratung.
„Wir brauchen ein Provisionsverbot – bei allen Anlageprodukten“, betitelt die WirtschaftsWoche (WiWo vom 11.07.2018) ein Interview mit Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Zu den Themen Private Altersvorsorge in Deutschland, Lebensversicherungen und Riester-Sparprodukte fordert Müller, dass „die Vertriebs- und Marketingkosten weg“ müssen. „Wir brauchen ein Provisionsverbot – bei allen Anlageprodukten. Derzeit wird den Verbrauchern zu häufig das verkauft, was die meiste Provision bringt.“ Auf den Einwand von WiWo, wer angesichts der geringen Verbreitung der Honorarberater den Anleger beraten solle, wenn das Provisionsverbot kommt, räumt der vzbv-Chef zwar ein, „ohne Provision gebe es sicher weniger Berater“. Sein Argument, trotzdem an der Provisionsverbotsforderung festzuhalten: „Die Qualität wäre höher. Dies haben die Erfahrungen aus Großbritannien und den Niederlanden gezeigt.“
Das aber ist eine Aussage, die gravierende negative Provisionsverbotsfolgen für die Verbraucher unterschlägt, wie ein Blick auf die Fakten zeigt: Zu dem im Jahre 2013 in Großbritannien mit der Finanzmarktreform Retail Distribution Review (RDR) eingeführten Provisionsverbot für Anlageberatungen, dazu zählen u. a. Beratungen zu Investmentfonds und Lebensversicherungen, haben das britische Finanzministerium HM Treasury sowie die Aufsichtsbehörde Financial Conduct Authority (FCA) in ihrem Bericht ‚Financial Advice Market Review’ (FAMR) 2015 erstmals die Folgen vorgestellt. Zwar konnten einerseits Erfolge der Finanzmarktreform bei der Beratungsqualität aufgeführt werden, andererseits wurde als negative Folge konstatiert, dass Verbraucher mit mittleren und geringen Einkommen sich keine Honorarberatung leisten können und in eine Beratungslücke fallen.
Die absolute Zahl der Berater ist demnach durch das Provisionsverbot zurückgegangen, gleichzeitig ist der Anteil der Berater, die als Voraussetzung für eine Beratung ein Mindestportfolio von £ 100.000 verlangen, von 13 % in 2013 auf 32 % in 2014 explodiert. Zudem würden 45 % der Berater kaum noch Altersvorsorgeberatungen vornehmen, wenn das Vermögen der Kunden unter £ 30.000 liegt, konstatierte der FAMR-Abschlussreport im März 2016. Schlussfolgerung war, es sollte dringend wieder erschwingliche Beratung für ‚Normalverbraucher’ geben und der Zugang zu Beratung verbessert werden.
Von Steuergutschriften für beratende Arbeitgeber, Entnahmen aus der zukünftigen Altersversorgung bis hin zu regulierten Kreditaufnahmen zur Finanzierung der Beratung reichen die britischen Maßnahmen, um der durch das Provisionsverbot entstandenen Beratungslücken entgegen zu wirken. Zudem wurde die Schaffung kostengünstigerer Beratungsangebote angeregt, die mit niedrigeren regulatorischen Anforderungen keine Beratung anbieten, sondern lediglich als Tippgeber auf Anlage-/Versicherungsmöglichkeiten hinweisen, ohne dass eine konkrete Kaufempfehlung ausgesprochen werden darf.
Ein weiterer Grundlagenbericht der britischen Finanzaufsicht im Jahre 2017 auf Basis einer repräsentativen Studie zeigt als fatale Provisionsverbotsfolge, dass nur 6 % der Teilnehmer in den letzten 12 Monaten eine regulierte Beratung in Sachen Finanzen in Anspruch genommen hatten bzw. nehmen konnten. Für die Honorarberatung wird eine geringe Akzeptanz ermittelt. So wollen 51 % aus der Gruppe, die Beratungsbedarf haben (ca. 25 % der Gesamt-Teilnehmer), für eine Beratung gar nichts zahlen. Nur 19 % dieser Teilgruppe wären bereit, mehr als 500 Pfund zu bezahlen. Über diese Erkenntnisse der britischen Finanzaufsicht zu den negativen Folgen des Provisionsverbots berichtet der vzbv-Boss leider nicht. Unbekannt scheinen sie ihm aber nicht zu sein, denn im WiWo-Interview vertritt er die Auffassung:
„Nicht jeder Verbraucher braucht immer eine ausgewachsene Beratung. Inzwischen gibt es eine Reihe von Online-Plattformen, die bei standardisierten Finanz- und Versicherungsprodukten helfen.“ Zudem behauptet Müller: „Soweit sie unabhängig und zuverlässig informieren, sind sie eine echte Alternative.“ Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der britischen Behörden darf „jeder Verbraucher“ in Müllers Darstellung als ‚Otto-Normal-Verbraucher’ und ‚Geringverdiener’ übersetzt werden. Damit befürwortet der vzbv-Boss hinsichtlich Zugang zu qualifizierter, persönlicher und individueller Beratung und Vermittlung eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Dass Online-Plattformen mit Robo Advice eine empfehlenswerte Alternative sind, sieht bei der vzbv zudem nicht jeder so: „Robo Advice ist keine Beratung, sondern standardisierte Geldanlage. Das Ansinnen der meisten Angebote ist Produktverkauf. Dazu werden Verbrauchern Standardlösungen von häufig zweifelhafter Qualität angeboten“, berichtet Dorothea Mohn, Leiterin Team Finanzmarkt beim vzbv, in deren Pressemitteilung vom 17.07.2018.
Wie eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Deloitte im Auftrag der EU-Kommission zeigt, treten die in Großbritannien aufgetretenen Beratungslücken auch in den Niederlanden als Folge des dortigen Provisionsverbotes bereits auf, womit Kleinanleger zu unfreiwilligen Selbstberatern auf den ‚Execution-Only’-Plattformen werden. „Es ist nicht Aufgabe einer mit Steuermillionen unterstützten Organisation, bekannte Fakten zu ignorieren und ein Provisionsverbot aus ideologischen Gründen zu fordern“, sagt ‚versicherungstip’-Chefredakteur Erwin Hausen und weist darauf hin: „Die vzbv spielt mit ihrer Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit und der Politik. Wenn nur noch Reiche sich eine qualifizierte, persönliche und individuelle Beratung leisten können, während Otto Normalverbraucher sich nur schlichte Standard-Beratung per Robo Advice statt Beratung zur individuell passenden Lösung leisten kann, ist das Provisionsverbot der Weg in die Zwei-Klassen-Gesellschaft.“ Hausen ergänzt: „Dabei ist das Nebeneinander von Beratung und Vermittlung gegen Provision und Honorar das intelligentere Modell, sorgt für Wettbewerb und überlässt dem mündigen Verbraucher die Entscheidung.“