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Alex 'Düsseldorf' Fischer: Holt ihn nun das SIP-Desaster ein?

Als "Unternehmer, Investor, Immobilienexperte, Contentproducer, YouTuber, Podcaster – based in Düsseldorf" bezeichnet sich der Finanzcoach Alexander Fischer. Auf seiner Homepage gibt der eigentlich in München geborene Fischer in einer als "Vita" getarnten Selbstbeweihräucherung zum Besten, wie er "die Essenz aus zusammengerechnet 127 Jahren Immobilienerfahrung sammelte". Eine gewisse Bekanntheit erlangte Fischer u.  a. durch sein Buch "Reicher als die Geissens" (Untertitel: "Mit null Euro Startkapital in fünf Jahren zum Immobilienmillionär").

Wir wissen zwar nicht, wie die Käufer seines Buchs immobilientechnisch zurechtkommen, aber für viele von Fischers Immobilien-Investoren wird es nun bitter: Vor wenigen Tagen erhielten die Investoren der SIP Grundbesitz & Anlagen AG/Altena und Hagen Post: Ende dieser Woche findet im Rahmen eines Restrukturierungsverfahren nach StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen) ein "Erörterungs- und Abstimmungstermin" statt, in dem ein Restrukturierungsplan erörtert und über ihn abgestimmt werden soll. Weiter heißt es: "Der Restrukturierungsplan bedeutet für Sie, dass Ihre Beteiligung an der SIP AG endet und sämtliche wechselseitigen Ansprüche erledigt sind. Das bedeutet, dass weder Sie Ansprüche gegen die Gesellschaft, noch diese Ansprüche gegen Sie erheben kann. Folge davon ist auch, dass Sie nicht mehr verpflichtet sind, etwa noch offene Einlagen zu erbringen oder erhaltene Zahlungen zurückzuerstatten."

Was bedeutet das? Bis auf bislang geleistete Auszahlungen kommt dies einem Totalverlust gleich. Dafür verfallen ggf. noch bestehende Auszahlungsverpflichtungen. Wer ist betroffen? Die SIP AG ist seit ihrer Gründung im Jahr 2003 mit Immobilienprojekten befasst. Zur Ausweitung des Geschäftsbetriebs band sie insbesondere in den Jahren 2004 bis 2007 nachrangiges Kapital in Form von Genussrechten und stillen Beteiligungen ein. Insgesamt wurden 588 Genussrechte und 492 atypische stille Beteiligungen mit einem Volumen von ca. 21 Mio. € ausgegeben.

Welche Rolle spielte nun der Finanz-Influencer und Buchautor Alexander Fischer?: Antwort: Er war der 'Kopf' hinter SIP. In einer 'k-mi' vorliegenden "Imagebroschüre" aus dem Jahr 2005 heißt es dazu: "Die SIP group mit Sitz in Altena (Westfalen) ist ein traditionelles Privatisierungs- & Emissionshaus. Die Erfahrungen unseres Hauses zum Thema Wohnimmobilien, Beratung, Privatisierung, Fonds und Finanzierung gehen bis in das Jahr 1992 zurück, als die erste Unternehmung vom Gründer Alexander Fischer ins Leben gerufen wurde (…) Seit 2003 tritt die SIP group auch als Emittent für Immobiliengroßhandelsfonds und Publikumsfonds für Wohnungsprivatisierung auf (…) Nichtinstitutionelle Anleger können sich also erstmals an diesem lukrativen Markt beteiligen. In diesem Markt zählt die SIP group zu den Marktführern."

Zwischen 2003–2006 war Fischer dann u. a. als Alleinaktionär im Aufsichtsrat der SIP AG. Angeblich wurde unter seiner Vertriebsleitung der Kapitalanlagevertrieb Rubicon GmbH 1999 einer der 10 umsatzstärksten Vermittler in der Poolszene. Laut SIP-Homepage erzielte Fischer "als Geschäftsführer der SIP GmbH mit den Immobilienprojekten eine durchschnittliche Gesamtkapitalrendite über alle Projekte von über 20 % p. a.“ Mit Wirkung zum 01.01.2007 hatte Fischer seine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der SIP AG niedergelegt und ist in deren Vorstand gewechselt. Im Vorstand der SIP AG war Fischer bis zum 01.02.2009.

Zu diesem Zeitpunkt war die finanzielle Lage der SIP allerdings schon prekär: Denn laut der Darstellung im aktuellen Restrukturierungsplan operierte die SIP AG, die mit einem 'AA- Sehr hohe Qualität'-Rating von Scope warb, nie rentabel: Während in den Anfangsjahren Verluste wegen des Kapazitätsaufbaus anfielen, stellten sich in den Jahren ab 2008 Verluste angeblich "aufgrund der mit der Finanz- und Immobilienkrise einhergehenden strukturellen Veränderungen am Immobilien- und Finanzierungsmarkt ein (…) Trotz einer Umsatzsteigerung auf rund 10 Mio. € verzeichnetet die SIP AG bereits im Jahr 2008 ein deutlich negatives Unternehmensergebnis". Plötzlich war also zu viel Kapazität da und es gelang "nur schrittweise, dieses Geschäftsmodell und die Kostenstruktur an die geänderten Gegebenheiten anzupassen".

Für besonders plausibel halten wir die Erklärung für die Schieflage nicht, aber das ändert nichts am Ergebnis: "Daher war das Beteiligungskapital, gemittelt über alle Beteiligungsarten betrachtet, bereits im Jahr 2012 zu 80 %, in Teilen aber schon zu 100 %, mit Verlusten belastet", heißt es dazu im Restrukturierungsplan. Operativ erwarb die SIP von 2006–2008 Immobilienprojekte in einem Volumen von 30 Mio. €. Erst in 2013 und 2015 gelang es, die letzten beiden größeren Objekte zu veräußern und Fremdkapital von mehr als 10 Mio. € zurückzuführen. Das eingezahlte Kapital der atypisch still Beteiligten ist jedoch durch Verlustzuweisungen vollständig und das der Genussrechtsinhaber zu einem erheblichen Teil aufgezehrt.  

'k-mi'-Leser waren vor dieser Entwicklung allerdings vorgewarnt: Bereits am 15.04.2004 – also vor 19 Jahren – veröffentlichten wir eine warnende Analyse vor der Beteiligung an der SIP. Unser Fazit seinerzeit (vgl. 'k-mi'-PC 16/04): "Aufgrund mehrerer Ungereimtheiten und Unklarheiten im Prospekt raten wir zur äußersten Vorsicht."

Unsere Kritikpunkte seinerzeit hatten schon u. a. mit der Rolle von Fischer zu tun: "Die Qualifikation des Alleinvorstandes Dirk Inderst im Bereich Immobilien geht aus dem Prospekt nicht hervor, stattdessen soll er z. B. Schwerpunktkenntnisse im Bereich Gesellschafts- und Vertragsrecht haben. Als eigentlichen 'Macher' kann man Aufsichtsratsvorsitzenden Alexander Fischer betrachten, der gemäß Prospekt 'als Aufsichtsratsvorsitzender leitend für die Bereiche Strategie, Marketing und Vertrieb verantwortlich‘ ist, während ein anderes Aufsichtsratsmitglied neben seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat in der SIP auch andere Bereiche wie z. B. Haus- und Mietverwaltung verantwortet. Mithin kann es mit der gesellschaftsrechtlichen Erfahrung nicht besonders weit her sein, da gemäß Aktiengesetz klar geregelt ist: 'Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden'. Anstatt Gewinnzielvorgaben von 8 % bis 12 % p. a. zu prospektieren, hätte uns interessiert, welche konkreten Ergebnisse die bisherigen SIP-Unternehmen in der Vergangenheit nach Abzug aller Kosten und Steuern erzielt haben (…)"

Welche Optionen bleiben Investoren nun vor allem angesichts der sehr kurzen Frist? "Dabei ist zu beachten, dass nach dem StaRUG der Restrukturierungsplan auch gegen den Willen einzelner Gläubigergruppen durchgesetzt werden kann. Es müssen nur relevante Mehrheiten und das Gericht zustimmen. Daher ist es wichtig, an der Abstimmung persönlich oder durch eine bevollmächtigte Person teilzunehmen, auch wenn dem Plan widersprochen werden soll", so RA Marcel Seifert aus der Kanzlei Brüllmann Rechtsanwälte/Stuttgart. Was im einzelnen sinnvoll sei, so RA Seifert gegenüber 'k-mi', kann nur individuell entschieden werden, u. a. in Abhängigkeit davon, ob Investoren noch offene Einlageverpflichtungen haben.

RA Ralph Veil aus der Kanzlei Mattil übt deutliche Kritik an dem gewählten Vorgehen: "Das StaRUG sieht die Interessenvertretung der Gläubiger (Anleger, Investoren) im Verfahren durch einen sog. Gläubigerbeirat vor. Im Insolvenzverfahren nennt man dieses Amt 'Gläubigerausschuss'. Es ist bei erfahrenen Restrukturierungskanzleien und Insolvenz- und Restrukturierungsgerichten absolut üblich, die Interessenvertretung der Gläubiger über einen Gläubigerausschuss, der die Anlegergruppen abbildet, zu organisieren." Im vorliegenden Verfahren, so RA Veil, "sind die Anleger auf dieser Ebene ihrem Schicksal vollkommen unnötigerweise und absolut untypisch selbst überlassen. Auch die kurzen Fristen wirken unprofessionell. In einer Restrukturierung außerhalb des neuen StaRUG wäre der Anleger besser gefahren und hätten darüber hinaus mehr Zeit gehabt, sich über die Sachlage und die Bedeutung der weitreichenden Entscheidungen selbst zu informieren. Die am StaRUG-Verfahren Beteiligten haben die Anleger eiskalt erwischt, um diesen ihren Schneid abzukaufen. Nicht von dem Verfahren betroffen sind Ansprüche gegenüber Dritten.“

'k-mi'-Fazit: Ob das nun bei der SIP zur Anwendung kommende StaRUG-Verfahren für Privatanleger-Investments geeignet ist, erscheint uns sehr zweifelhaft. Zuerst warten Investoren über viele Jahre auf Zahlungen und werden nun mit einer äußerst kurzen Abstimmungs-Frist überrumpelt. Inwiefern eine transparente Aufarbeitung der Vorgänge und eine Gleichbehandlung der Gläubigergruppen innerhalb des Verfahrens gewährleistet ist, erscheint zweifelhaft. Sollte die Restrukturierung 'gelingen', könnte die SIP einfach weiterwursteln, ohne dass die Investoren etwas davon haben, noch nicht mal einen Besserungsschein.

In der Darstellung des Restrukturierungsplans wird zudem die Verantwortung der (ehemaligen) Vorstände und der handelnden Akteure wie Fischer wenig bis kaum beleuchtet, fast wirkt es wie ein 'Persilschein'. Auch dies stärkt nicht das Vertrauen in eine unabhängige Aufarbeitung. Für Aufklärung könnte der Finanz-Influencer Alexander Fischer sorgen. Ob er dazu bereit ist, ist eine andere Frage, die wir ihm gestellt haben. "Mit null Euro Startkapital in fünf Jahren zum Immobilienmillionär" lautet der Slogan seines Bestsellers "Reicher als die Geissens". Für die SIP-Investoren lief es eher umgekehrt: 'Mit 21 Mio. € Startkapital in fünf Jahren auf Null Euro!'

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