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Alte Oldenburger streicht Kosten bei Hörgeräten massiv zusammen (Teil 2)

Die ALTE OLDENBURGER Krankenversicherung AG/Vechta kürzt den Rechnungsbetrag für zwei Hörgeräte von 6.000 € drastisch um 50 % auf einen „erstattungsfähigen Betrag“ von 3.000 € zusammen. Dabei stützt sie sich u. a. auf eine mit Fehlern gespickte Stellungnahme der Berliner Keutmann & Keutmann GbR, die sich als „Fachinstitut für Hörakustik & Tinnitus-Kompensation“ bezeichnet. Die Hörgeräte hätten „Mehrleistungen, die so nicht notwendig sind“ (vgl. ‚vt‘ 24/23).

Doch Versicherungsmakler Holger Schnittker, Geschäftsführer Schnittker Versicherungsmakler GmbH/Steinfeld, der uns den Vorgang auf den ‚vt‘-Redaktionstisch legt, entlarvt, dass das ebenso falsch ist, wie Gerätemodellen eine Im-Ohr-Version zu attestieren, obwohl diese Modelle nicht als Im-Ohr-Hörgerät verfügbar sind. Die Fehler in der Stellungnahme des vermeintlichen Experten muss nun auch die ALTE OLDENBURGER einräumen: „In seiner Stellungnahme vom 09.12.2022 führt der Sachverständige Beispiele für eine angemessene Versorgung im Rahmen der bestehenden Höchstgrenzen auf. Entgegen seiner Aussage sind tatsächlich leider nicht alle aufgeführten Geräte als Im-Ohr-Versionen erhältlich: Das Ruby 1 sowie Zircon 2 des Herstellers Oticon sind nur als Hinter-dem-Ohr-Geräte erhältlich.“ Wenn Sie nun meinen, bei einer Anhäufung von Fehlern stellt der Versicherer das Gesamtergebnis auf den Prüfstand, liegen Sie genauso falsch wie Ihre ‚vt‘-Redaktion.

Erneut führt die ALTE OLDENBURGER „Höchstgrenzen“ auf, zu denen wir auch den Vorstandsvorsitzenden Manfred Schnieders befragen: „Sieht der zugrunde liegende Tarif bzw. das Bedingungswerk eine betragsmäßige Begrenzung vor? Wenn nein: Warum argumentiert die ALTE OLDENBURGER mit der Berücksichtigung eines Höchstbetrages?“ Des Weiteren wollten wir u. a. wissen, warum die ALTE OLDENBURGER trotz der Fehler an der Stellungnahme festhält und warum sie keine weitere Stellungnahme einholt. Die Möglichkeit zur Aufklärung des Sachverhalts will die ALTE OLDENBURGER aber nicht nutzen:

„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir zu Ihrer Anfrage keine Auskunft geben.“ Weil diese ein pro­blematisches Verhalten der ALTE OLDENBURGER bestätigen würde? Fehler in der Sachbearbeitung und Leistungsabrechnung passieren. Einen solchen Fehler einzuräumen und zu korrigieren, wäre kein Beinbruch. Eine Aufklärungsverweigerung hat indes ein Geschmäckle. Offen bleiben auch die Fragen des Versicherten im Zusammenhang mit der Argumentation des Versicherers zur „medizinisch notwendigen Unterstützung zum Ausgleich der Beeinträchtigung“:

++ „Welche Hörminderung muss ich weiterhin akzeptieren?“ Ist eine Verbesserung auf 100 % „die Benchmark oder reichen 90 %?“  ++ „Wenn ich bei Kunden und mit mehreren Personen im Gespräch bin, ist es dann medizinisch notwendig, wenn mich jemand anspricht, dass ich ihn verstehen kann oder muss ich es akzeptieren, dass das nicht möglich ist?“  ++ „Wenn ich Filme im Fernsehen anschaue, was ist da die medizinisch notwendige Unterstützung? Dass ich 95-97 % aller Worte verstehe oder sind sie der Meinung, es reichen für mich auch 90 %? Was ist der konkrete Prozentsatz, der Ihrer Meinung nach ausreicht?“

Beruflich muss man laut ALTE OLDENBURGER Abstriche machen, wie sich einem Schreiben des Versicherers entnehmen lässt: „Die Kosten einer sinnvollen – wie zum Beispiel einer beruflichen Situation angemessenen – Ausstattung sind nicht Gegenstand der Privaten Krankenversicherung.“ Einem Urteil des LG Köln vom 15.11.2017 (Az.: 23 S 25/16) ist aber zu entnehmen, dass „zum Versorgungsziel im Rahmen einer Hörgeräteversorgung nicht nur die Verbesserung für das Sprachverstehen, ausschließlich gemessen anhand des Freiburger Einsilbertest, gehört. Vielmehr ist die Funktionsstörung des Gehörs möglichst umfangreich auszugleichen. Ein besseres Sprachverstehen kann deswegen unter anderem auch bei Umgebungsgeräuschen und in größeren Personengruppen erzielt werden und Auswirkungen im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden.“

Unsere Frage, wie sich die Ablehnung der ALTE OLDENBURGER mit dem Urteil des LG Köln vereinbart, blieb, sie ahnen es, ohne Antwort. Auskunftsfreudiger war aber PKV-Spezialist Versicherungsmakler Sven Hennig, Geschäftsführer S.H.C. GmbH: „Das ist ein Versuch, über die medizinische Notwendigkeit eine Kostenbegrenzung in die Bedingungen zu bekommen, die da so nicht drinsteht. Aus meiner Sicht funktioniert das so, wie die ALTE OLDENBURGER das hier macht, nicht.“

‚vt‘-Fazit: Die grundsätzliche Berechtigung der medizinischen Notwendigkeit stellen wir nicht in Frage. Aber mit scheinbar überzeugenden Begrifflichkeiten wie ‚medizinisch notwendige Aufwendungen‘ und Stellungnahmen (selbsternannter?) Sachverständiger könnten Versicherte sich leicht beeindrucken lassen und reduzierte Leistungsabrechnungen akzeptieren. Da teilen wir die Sichtweise des PKV-Experten Hennig, des Versicherungsmaklers Schnittger und des LG Köln.

Schnick-Schnack ist Privatsache. Aber wenn ein Gerät dem Geschädigten im Alltag und im Beruf mehr hilft als ein anderes Gerät, das kostengünstiger ist, dann sehen wir die medizinische Notwendigkeit als gegeben an. Welche Erfahrungen machen Sie mit dem leistungsablehnenden Argument ‚medizinische Notwendigkeit‘ bei der ALTE OLDENBURGER oder anderen Privaten Versicherern? Meldungen gerne an Ihre ‚vt‘-Redaktion.

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