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Ampel: Keine Verbraucher/Vermittler-Schädigung – Wie aus ‚Riestern‘ ‚Lindnern‘ wird

„Ein Provisionsverbot wird nicht kommen“, prognostizierten wir bereits am 28.09.2021 direkt nach der BTW 2021 auf Basis des Wahlergebnisses und der Wahlprogramme der möglichen Koalitionsparteien (vgl. ‚vt‘ 39/21). So hat ein Provisionsverbot im jetzt von der Ampel vorgelegten 177seitigen Koalitionsvertrag erwartungsgemäß keinen Eingang gefunden. Nicht nur dort haben Sachargumente und Vernunft gesiegt. Auch die Bürgerversicherung, ein LV-Provisionsdeckel oder eine BaFin-Aufsicht über Versicherungsmakler und Finanzanlagenvermittler sind im Ampel-Koalitionspapier nicht enthalten!

Die größte Hürde für die Bildung der ersten bundesweiten Ampel-Koalition genommen. Allerdings muss bei SPD und FDP bei Parteitagen der Vertrag noch absegnet werden, und bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hängt die ‚Freigabe‘ sogar von der Zustimmung der rund 125.000 Mitglieder ab. Blicken wir ungeachtet dieses Vorbehalts auf zu begrüßende Vorhaben, die das Koalitionspapier liefert.

So soll: ++ die bAV u. a. „durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen“ ausgebaut werden  ++ der Sparerpauschbetrag auf 1.000 € p. a. erhöht werden  ++ für neue Selbstständige, „die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, eine Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit“ kommen  ++ bei der Vergabe von Verbraucherkrediten die „individuellen Verhältnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher stärker in den Fokus“ genommen werden  ++ bei Restschuldversicherungen der „Abschluss des Versicherungsvertrages und der Abschluss des Kreditvertrags zeitlich um mindestens eine Woche entkoppelt“ werden ++ bei kleinen Versicherungsunternehmen und Pensionskassen „für eine stärker proportionale Regulierung“ gesorgt werden.

Allerdings gibt es auch noch etwas Wasser, das wir in den Wein der guten Meldungen schütten müssen:

++ So soll „die Finanzierung der Stiftung Warentest und des Verbraucherzentrale Bundesverbands entsprechend dem gestiegenen Bedarf bezüglich kollektiver Rechtsdurchsetzung, Marktbeobachtung und Verbraucherbildung“ angepasst werden. Damit einhergehend sollte man im Blick haben, dass der Bereich Verbraucherschutz nicht mehr bei dem (demnächst von der FDP geführten) Justizministerium angesiedelt ist, sondern beim Ministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, das den Grünen zugeschlagen wird. Zusammen mit dem zusätzlichen Geld für vzbv und ‚Finanztest‘ könnte das für Arbeit sorgen.

++ Das bisherige System der privaten Altersvorsorge wollen die Ampelkoalitionäre „grundlegend reformieren“, indem sie „das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit“ und „die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen“. Dabei soll eine Förderung „Anreize für untere Einkommensgruppen bieten, diese Produkte in Anspruch zu nehmen“. Zwar „gilt ein Bestandschutz für laufende Riester-Verträge“, aber die längst überfällige und dringend notwendige Riesterreform kommt nicht.

Damit wird Riester für die Beratung und Vermittlung gegen Provision zum Auslaufmodell. Doch was sind geförderte „private Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester“? Wäre es statt eines neuen Produktes nicht einfacher und effektiver, die Riester-Rente grundlegend zu reformieren, die Zulagenhöhe dynamisch zu gestalten und das aufwendig-komplizierte Zulagensystem zu entschlacken und damit kostengünstiger zu machen?

Vorschläge dazu lagen in der letzten Legislaturperiode dem Bundesfinanzminister Olaf Scholz lange auf dem Tisch, er hat sie allerdings ausgesessen. Wenn ‚Riestern‘ nun zum ‚Lindnern‘ (oder wie auch immer das neue Produkt dann heißt) wird, hätten alle drei Parteien ihrem Wahlprogramm Rechnung getragen: Riester im Neugeschäft abgeschafft (SPD und Grüne), und ein privates gefördertes Altersvorsorgeprodukt wird es geben (FDP).

‚vt‘-Fazit: Verbote sowie ideologische, sachlich nicht begründbare Überregulierungen, die sowohl für Verbraucher Nachteile gebracht als auch für Vermittler existenzbedrohende Folgen gehabt hätten, stehen im Ampel-Koalitionsvertrag nicht drin. Das große Aufatmen wird etwas gedämpft durch die fehlende Riester-Reform, die unklare Positionierung zur geförderten privaten Altersvorsorge und der Förderung weiterer ideologischer Frontalangriffe durch sogenannte Verbraucherschützer.

Doch bleiben wir beim Positiven: Der Wechsel des BMF hin zur FDP wird hoffentlich dafür sorgen, dass die guten Ansätze dann auch bei der tatsächlichen Umsetzung in die Realität erhalten bleiben. Wir werden nicht zuletzt zusammen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) und deren Mitgliedsunternehmen diesen Prozess konstruktiv begleiten. (Der Koalitionsvertrag kann hier heruntergeladen werden.)

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