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BaFin-Merkblatt: Kein Kundennutzen, Druck auf die Vergütungen durch die Hintertür

Bereits am 18.10.2022 informierte ‚vt‘ Sie exklusiv, dass der LV-Provisionsrichtwert und ein diesbezügliches Rundschreiben bei der BaFin vom Tisch sind (vgl. ‚vt‘ 43/22). Regelungen zu einer „Wohlverhaltensaufsicht“ sollten in einem Merkblatt vorgestellt und konsultiert werden.

Dieses „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ hat die BaFin nun veröffentlicht: Die Aufsicht nennt zwei Kernpunkte. Es solle sichergestellt werden, dass „kapitalbildende Lebensversicherungen Kundinnen und Kunden einen angemessenen Nutzen bieten“. Das richtet sich an die Versicherer und deren Prozesse beim Produktfreigabeverfahren. Nach Auffassung der BaFin setzt „ein angemessener Kundennutzen bei Produkten zur Altersvorsorge zumindest voraus, dass die Produkte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rendite nach Kosten erzielen, die über einer begründeten langfristigen Inflationserwartung liegt“. Dabei sei „ein Wert von 2 % für die Inflationserwartung als geeignet anzusehen“.

Die BaFin will auch den Kundennutzen bei vorzeitiger Vertragsbeendigung erhöht sehen. Doch da drängt sich die Frage auf, warum ein nach 15 Jahren den auf 30 Jahre ausgelegten Vertrag kündigender VN zu Lasten vertragstreuer Kunden bessergestellt werden soll. Wenn die BaFin trotz der vom Gesetzgeber festgelegten Stornohaftungszeiten Druck für eine höhere ‚Stornorendite‘ machen will, dann maßt sie sich u. E. gesetzgeberische Kompetenzen an.

Die Vergütung für die Vermittler eindampfen ist für die BaFin ein Allheilmittel. Folglich liegt der zweite Fokus auf den Provisionen, es solle sichergestellt werden, dass „Interessenkonflikte beim Vertrieb dieser Produkte vermieden werden“. Die Aufsicht will Versicherer prüfen, „die durch hohe Aufwendungen für Versicherungsvermittler auffallen (…) Dabei soll es vor allem um hohe Abschlussprovisionen gehen.“ Aufwendungen sollen dann als hoch gelten, wenn sie im oberen Viertel (oberhalb des 75-%-Quantils) der Branchenwerte liegen.

Doch wann enden die Prüf- und Druckrunden der BaFin? Wenn die VU des oberen Viertels die Vergütung absenken, stellt sich ein niedrigerer Wert für die aus Sicht der Aufsicht zu teuren Versicherer ein. Weitere Prüfungsrunden der BaFin könnten dann einen Perpetuum mobile Effekt haben, sprich durch Prüfdruck der BaFin müssen die Versicherer regelmäßig die Vergütungen senken. Da qualifizierte Beratung und Vermittlung aber einer angemessenen Vergütung bedarf, darf diese nicht einer regulatorischen Absenkungsspirale unterworfen werden!

Die Aufsicht will auch Versicherer näher prüfen, bei denen die Effektivkosten der KLV-Produkte im Branchenvergleich deutlich erhöht sind. Das soll VU treffen, deren Hauptverkaufsprodukte Effektivkosten im oberen Viertel (oberhalb des 75-%-Quantils) der Branchenwerte aufweisen. Bei Bedarf will die BaFin zudem ergänzende Kriterien heranziehen, bspw. Rückvergütungen an Vermittler durch Fondsgesellschaften oder die Stornoquote. Stellungnahmen zum Konsultationsentwurf können der BaFin bis 15.01.2023 eingereicht werden. Zusammen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) setzen wir uns für Belange der Verbraucher und Versicherungsmakler weiterhin engagiert ein.

‚vt‘-Fazit: Beim Produktfreigabeverfahren die Komplexität und Bürokratie erhöhen, Versicherer zwingen weitere Mitarbeiter zur Bewältigung der Regulatorik einzustellen, damit die Kosten deutlich zu erhöhen, zugleich den Kundennutzen auch mit Blick auf die Rendite stärken. Die BaFin hat für diesen Widerspruch drei Lösungen: Erstens Vergütungen absenken, zweitens Vergütungen absenken, drittens Vergütungen absenken.

Die Notwendigkeit und den Wert einer qualifizierten Beratung und Vermittlung will die BaFin offenbar nicht mehr anerkennen. Doch ohne auch für Bürgerinnen und Bürger mit niedrigerem Einkommen verfügbare qualifizierte Berater steuern wir auf Zustände wie im Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland (UK) zu (vgl. ‚vt‘ 29 und 35/22), und das hat mit Kundennutzen nichts zu tun. Das Merkblatt ist für Verbraucher, Vermittler und Versicherer von erheblichem Nachteil.

Daher bedarf es dieses Merkblatts und der Anwendung der dortigen Regulatorik nicht. Zudem hat die BaFin mit dem § 48a VAG ohnehin bereits das notwendige Instrumentarium zur Missstandsaufsicht in der Hand, um gegen Versicherer mit Vergütungshöhen vorzugehen, die dem Kundeninteresse wiedersprechen.

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