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Das Allianz-Kuriosum bei der VEMA-Qualitätsumfrage unter der Lupe

Partnerbetriebe der Versicherungsmakler-Genossenschaft eG (VEMA) haben im Rahmen der regelmäßigen Qualitätsumfrage die für das Neugeschäft jeweils drei wichtigsten Anbieter der betrieblichen Altersvorsorge genannt und deren Produktqualität, Qualität der Antragsbearbeitung und Policierung sowie Erfahrungen bei der Leistungsbearbeitung bewertet. Auf Platz 1 der bevorzugten Partner landet die Allianz mit 170 von insgesamt 636 Nennungen, was einem sehr hohen Anteil von 26,73 % entspricht. Es folgt auf Platz 2 die Alte Leipziger mit 95 Nennungen (14,94 %) vor der Swiss Life mit 48 Nennungen (7,55 %).

Die Qualitätsbewertung liefert in Teilen aber ein ganz anderes Bild: Qualitätssieger ist die LV 1871 mit einem Mittelwert von 1,68 – bei den Nennungen der für das Neugeschäft wichtigsten Anbieter war der Qualitätsspitzenreiter mit einem Anteil von 4,09 % erstaunlicherweise nur Achter. Danach folgt der Nennungszweite Alte Leipziger mit dem Mittelwert von 1,70, ebenso wie Swiss Life und Stuttgarter, kurz dahinter der Volkswohl Bund mit 1,73.

Und wo bleibt die Allianz, die doch für das Neugeschäft als bedeutendster Versicherer von VEMA-Partnern genannt wurde? Die landet abgeschlagen mit 1,97 auf Platz 9 im Qualitätsranking. Jetzt ist ein Qualitätsmittelwert von 1,97 zunächst nicht als katastrophal schlecht zu bewerten. Allerdings zeigt der enge Abstand zwischen Platz 1 und 5 von nur 0,05 Punkten wie dicht es in der Spitzengruppe zugeht, während die Allianz satte 0,29 Punkte hinter dem Besten liegt. Obendrein wird der Allianz mit 1,85 die schlechteste Produktqualität der 10 namentlich aufgeführten Versicherer bescheinigt, mit Ausnahme AXA (1,96).

Bei der Qualität auf einem der hintersten Plätze aber ‚Top-Seller‘ für Versicherungsmakler – das erscheint merkwürdig, ist aber nicht der Regelfall. Vielmehr zeigt sich bei den Auswertungen der VEMA-Qualitätsumfrage häufig erwartungsgemäß, dass die Sieger bei den drei wichtigsten Anbietern der VEMA-Partner für das Neugeschäft auch auf oder nur knapp hinter dem Treppchen landen beim Qualitäts-Mittelwert. Manchmal kommt es vor, dass ein Anbieter (noch) weniger häufig ‚genannt‘ wird, aber bei der Qualität top abschneidet.

So belegte bspw. DMB Rechtsschutz bei der letzten Rechtsschutz-Qualitätsumfrage bei den Nennungen Platz 8 und landete zugleich auf dem Qualitäts-Bronzerang (vgl. ‚vt‘ 15/21). Bei der aktuellen bAV-Umfrage ist die LV 1871 ja sogar Qualitätssieger und dennoch bei den Nennungen nur auf Platz 8. Wenn Versicherungsmakler eine super Qualität bescheinigen, dann könnte das die Vermutung nahelegen, dass diese Anbieter zukünftig stärker berücksichtigt und dementsprechend bei der nächsten Umfrage bei den Nennungen weiter vorne landen.

Umgekehrt könnte man dann aber auch glauben, wer in der Qualität vergleichsweise schlecht bewertet wird, womöglich früher besser war und davon bei den Nennungen noch profitiert, der fällt dann aber in Zukunft auch bei den Nennungen zurück.

Doch das Beispiel Allianz zeigt das Gegenteil. So belegte der blaue Riese bei der vorherigen bAV-Qualitätsumfrage (12/2019) Platz 1 bei den Nennungen der für das Neugeschäft wichtigsten Anbieter und Platz 8 bei der Qualität. Die Allianz war also schon 2019 auf einem hinteren Qualitätsplatz, sie ist nun sogar auf Platz 9 weiter abgerutscht. Sie behauptet dennoch weiterhin Platz 1 bei der Neugeschäftsbedeutung und das mit großem Vorsprung.

Wenn es also nicht nur eine Momentaufnahme ist, sondern die Allianz trotz vergleichsweise schlechter Qualitätsbewertung 2019 auch 2021 von VEMA-Versicherungsmaklern zum wichtigsten Anbieter für das Neugeschäft gekürt wird, dann drängen sich mehrere Fragen auf: Was macht die Allianz so bedeutsam für Versicherungsmakler? Lässt sich dieses Motiv mit den Pflichten des Versicherungsmaklers vereinbaren? Oder ist es fragwürdig, wenn Versicherungsmakler einem Versicherer das meiste Neugeschäft zuführen, obwohl es acht Versicherer gibt, die von VEMA-Versicherungsmaklern als qualitativ besser bewertet werden?

Wir haben den VEMA-Vorstandsvorsitzenden Hermann Hübner gefragt: ++ Welcher Grund ist der VEMA bekannt oder wird von der VEMA vermutet, dass VEMA-Partner Allianz beim Neugeschäft mit großem Abstand als wichtigsten Partner nennen, obwohl acht andere Versicherer bei dieser Umfrage hinsichtlich Qualität besser bewertet werden? ++ Lässt sich das nach Auffassung der VEMA mit den Beratungspflichten des Versicherungsmaklers nach § 60, 61 VVG vereinbaren? Wenn ja, wie?

„Grundsätzlich kann man für alle Sparten, zu denen wir unsere Maklerkollegen befragen, davon ausgehen, dass die vertriebliche Bedeutung (Anzahl der Nennungen) den Kompromiss aus Preis und Leistung darstellt. Bei aller Beratung ist es am Ende doch der Kunde, der sich für SEINEN Vertrag entscheidet. Braucht er alle Leistungen, die ein besserer Tarif bietet? Ist er bereit, den eventuellen Mehrbeitrag zu zahlen?“, sagt VEMA-Teamleiter Marketing/Presse Björn Keim und vermutet zum konkreten Anbieter:

„Legen Sie einem normalen Arbeitnehmer die Allianz und zwei weitere Versicherer vor, von denen er zuvor noch nie etwas gehört hat, punktet der Bekanntheitsgrad. Evtl. soll das seine einzige Altersvorsorge werden, in den über die Jahre ein sechsstelliger Betrag eingezahlt wird. Da schenkt man dem größten Versicherer im Land evtl. eher sein Vertrauen, als einem Anbieter, den man so gar nicht einstufen kann.“

Daher spricht auch nichts gegen die Einhaltung der Beratungspflichten, so Keim: „Unsere Umfrageergebnisse geben uns keinen Anlass dazu, daran zu zweifeln, dass alle unsere Kollegen ihrer Beratungspflicht nachkommen und eine solide Beratung liefern. Es wird keine Beratung geben, bei der nur ein einziger Anbieter angeboten wird, wenn es mögliche Alternativen gibt.“

‚vt‘-Fazit: Keine Frage, die Allianz ist mit ihrem Bekanntheitsgrad und Werbeetat gut ‚vorverkauft‘. Auch die Sichtweise, dass so mancher Versicherungsnehmer dem größten Versicherer im Land eher sein Vertrauen schenkt als einem kleineren oder weniger bekannten Versicherer, hat ihre Berechtigung. Allerdings sind Größe und heutige Stabilität kein Garant, dass das in Jahrzehnten immer noch so ist, und bei der AV sprechen wir ja von langlaufenden Verträgen.

Zudem ist es ja nicht so, dass die anderen Versicherer, die besser bewertet wurden, erst gestern ins Versicherungsgeschäft eingestiegen sind oder schlechte Solvenzquoten aufweisen. Wenn Allianz nicht nur beim Mittelwert der drei Qualitätsparameter unter den zehn aufgeführten Versicherern den vorletzten Platz einnimmt, sondern insbesondere auch bei der Produktqualität nur AXA hinter sich lässt, scheint uns das Größen- und Bekanntheitsargument etwas dünn.

Oder ist es tatsächlich so, dass viele Kunden den Versicherungsmakler-Vorschlägen nicht folgen und auf ‚Allianz‘ bestehen? Gerne können Sie uns Ihre Beratungs- und Kundenentscheidungs-Erfahrungen per E-Mail oder telefonisch mitteilen.

Dieser Beitrag ist frei lesbar. Wenn Sie den 'direkten Draht' für das vertrauliche Gespräch mit Ihrem ‚versicherungstip‘-Chefredakteur nutzen, umfassend und zeitnah informiert und vollen Zugriff auf alle Print- und Digital-Leistungen von ‚versicherungstip‘ haben möchten: Sichern Sie sich umgehend die volle Leistungspalette  mit einem

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