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Gothaer mit geändertem Regulierungsverhalten bei Nässeschäden

„Bisher sind Nässeschäden aufgrund undichter Fugen bei einer Duschtasse von der Gothaer reguliert worden. Doch jetzt erhalte ich für den Schaden eines Mandanten eine Ablehnung. Ist bekannt, ob die Gothaer ihr Regulierungsverhalten da grundsätzlich geändert hat und ist das überhaupt zulässig?“, fragt ein niedersächsischer Versicherungsmakler in der ‚vt‘-Redaktion an.

Binnen weniger Tage liegt eine zweite und eine dritte Frage und Kritik zum Sachverhalt vor. Dem ist die ‚vt‘-Redaktion nachgegangen und fördert ein Ergebnis zu Tage, das Versicherungsmakler kennen sollten: Bisher habe die Gothaer Nässeschäden aufgrund undichter Fugen bei einer Duschtasse reguliert. Denn dabei handele es sich um Leitungswasser, das bestimmungswidrig ausgetreten ist aus mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung verbundenen Einrichtungen.

Doch nun lehne die Gothaer die Schadenregulierung ab, da die eine Einrichtung umgebenden Bereiche, wie bspw. Fugen, mangels Verbundenheit mit dem Rohrsystem nicht zu den von der Wohngebäudeversicherung umfassten versicherten Gefahren gehören würden. Wenn nach altem Bedingungswerk – die Gothaer Allgemeine Versicherung AG hat im Februar 2018 neue Wohngebäudeprodukte eingeführt – solche Schäden reguliert wurden, stellt es eine gravierende Änderung dar, die Versicherungsmaklern bekannt sein muss, wenn diese Regulierungspraxis auch bei Altverträgen nicht mehr zum Tragen kommt.

Daher haben wir Gothaer-Vertriebsvorstand Oliver Brüß um Stellungnahme gebeten:

++ Warum reguliert die Gothaer Nässeschäden, die durch Leitungswasser entstehen, das bestimmungswidrig aus mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung verbundenen Einrichtungen, wie Fugen einer Duschtasse, ausgetreten ist, auch bei altem Bedingungswerk nicht mehr?

++ Wurde diese Änderung des Regulierungsverhaltens Versicherungsmaklern kommuniziert? Wenn ja, wann und mit welchen Hinweisen konkret? Die Kölner führen in ihrer Antwort die Rechtsprechung an:

„Diese Entscheidungen – im Sinne von Einzelfallentscheidungen – folgen dabei differenten Ansätzen, lassen in der Tendenz jedoch erkennen, dass Nässeschäden an versicherten Sachen, die durch die Wirkung von Wasser, das in das Mauerwerk durch undichte Fugen von Duschtassen, Wannen oder Fliesen in bzw. hinter Duschkabinen eindringt, entstehen, als nicht versichert anzusehen sind.

Seitens der Gothaer haben wir in den letzten Jahren derartige Nässeschäden dann reguliert, wenn nicht eindeutig zu klären war, ob das Leitungswasser ausschließlich durch undichte Fugen von Duschtassen oder Wannen hinter Fliesen oder ins Mauerwerk gedrungen ist; mithin also auch ein direkter Austritt aus der sonstigen Einrichtung eine mögliche Ursache gewesen sein könnte.

Wir haben uns aufgrund der geänderten Sichtweise vieler Gerichte und der Entwicklung im Marktumfeld intensiv mit der Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex beschäftigt und teilen im Ergebnis die Rechtsauffassung der involvierten Gerichte: der eine Duschtasse oder Wanne umgebende Bereich ist nicht Bestandteil einer sonstigen mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtung.

Über die bisherigen standardisierten Deckungskonzepte besteht somit kein Versicherungsschutz für diese sogenannten ‚Fugenschäden‘. Mit unseren neuen Wohngebäudeprodukten, die wir im Februar 2018 eingeführt haben, werden wir diese Fälle entsprechend im Bedingungswerk klarstellend definieren. Wir bieten unseren Kunden damit die Möglichkeit, derartige Schäden in unserer neuen Gothaer Wohngebäude Premium abzusichern.

Im Schadenfall werden wir, wie bisher auch, jeden Einzelfall prüfen und unter Würdigung der Gesamtzusammenhänge entscheiden, ob eine Leistungspflicht besteht. Für alle Verträge, denen zukünftig unsere neue Gothaer Wohngebäude Premium als Vertragsgrundlage dient, ist in den im Bedingungswerk definierten Fällen dagegen klargestellt, dass Versicherungsschutz besteht.“

Die Gothaer argumentiert mit diversen Gerichtsentscheidungen, nennt aber leider keine konkreten Urteile. Das Ergebnis unserer Blitzrecherche:
++
Ein BGH-Urteil haben wir bisher nicht gefunden 
++ Zutreffend ist, dass es unterschiedliche Sichtweisen der unteren Gerichte gibt 
++
Nicht bestätigen können wir eine grundsätzlich geänderte Auffassung der Gerichte. Es gab und gibt Gerichte, die das Eindringen von Duschwasser über Fugen in Boden oder Wände als versichertes Ereignis erkennen, ebenso Gerichte, die den Versicherungsschutz verneinen.

Diese erste Übersicht vertiefen wir aber für Sie mit der Recherche nach weiteren Urteilen und werten diese für Sie aus.

‚vt’-Fazit: ++ Wie tragfähig ist das Eis, auf das sich die Gothaer mit ‚ihrer‘ Auswertung der Rechtsprechung begibt? Gerade wenn es keine BGH-Entscheidung gibt und Oberlandesgerichte unterschiedlicher Regionen unterschiedliche Auffassungen vertreten, dürften VN in den Zuständigkeitsbezirken der OLGs, die den Versicherungsschutz bejahen, gute Chancen haben, auch beim OLG zu gewinnen.

++ Ein geändertes Regulierungsverhalten sollten Versicherungsmakler kennen. Offenbar hat die Gothaer Versicherungsmakler aber nicht darüber informiert. Wenn das neue Bedingungswerk für die neuen Wohngebäudeprodukte eine Klarstellung vornimmt, muss das nicht zwingend bedeuten, dass das Regulierungsverhalten für Alttarife mit altem Bedingungswerk geändert wird. 

++ Als Versicherungsmakler sollten Sie prüfen, ob Sie aufgrund der bisherigen Regulierungserfahrungen mit der Gothaer in der Beratungsdokumentation Aussagen zum Versicherungsschutz bei Nässeschäden durch schadhafte Fugen getätigt haben. Die könnten Ihnen jetzt haftungsrechtlich um die Ohren fliegen. Daher wäre eine Information an betreffende VN über das geänderte Regulierungsverhalten u. E. notwendig. 

++ Vertrieblich bewegt sich die Gothaer auf dünnem Eis. Fliesen- und Silikonfugenfälle sind nur noch in der Premium-Variante enthalten, doch deren Prämie ist deutlich höher. Das könnte zu Umdeckungsüberlegungen führen. Hier könnten schon bald Anbieter auftreten, die Komplettbestände übernehmen. Über Bewegungen im Markt halten wir Sie auf dem Laufenden.

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