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Gothaer vergrätzt Kunden dank blinder Gläubigkeit an externen Schadenprüfer

Was ein externer Schadenprüfer als Ergebnis seiner (angeblichen) Recherche und Prüfung dem Versicherer übermittelt, ist offenbar sakrosankt. Das ist auch bequem, denn wenn der externe Dienstleister Schadenpositionen streicht, dann wird Geld gespart. Bei der Gothaer Allgemeine Versicherung AG geht die Gläubigkeit sogar so weit, dass anderslautende Beteuerungen des langjährigen VN und dessen Vorschlag einer Begutachtung vor Ort ignoriert werden.

Ein krasses Beispiel, wie man sich als Schadenversicherer bei Kunden, Öffentlichkeit und Politik unglaubwürdig machen kann: „Seit 36 Jahren bin ich bei Ihnen versichert und ich möchte die oben dargestellten Dinge nicht von einem Gericht klären lassen. Aber wenn Sie den Schaden nicht freiwillig übernehmen, sehe ich da keine andere Möglichkeit“, schreibt ein enttäuschter Versicherungsnehmer der Gothaer Schadenabteilung, nachdem er mit seinem dritten Versuch, die Gothaer zu einer erneuten Schadenprüfung zu bewegen, statt blind dem externen Schadenprüfer zu vertrauen, gescheitert ist.

Doch bevor der Fall gerichtsanhängig wird, landet er auf dem ‚vt‘-Redaktionstisch. Fassen wir den Ablauf zusammen: Bei einem Sturm am 19.02.2022 wurde die Laube des VN beschädigt. Am 21.02. informiert der VN die Gothaer per Mail über den Schaden. Mit Schreiben vom 24.02. teilt die Gothaer u. a. mit: „Im Rahmen einer bei uns bestehenden Gebäudeversicherung können Sie ohne vorherige Rücksprache Reparaturen am beschädigten Gebäude bis zu einem Betrag von 2.000 € ausführen lassen.“

Sollten die Kosten höher sein, solle der VN einen Kos­tenvoranschlag zusenden. Der Kunde solle eine detaillierte Schadenaufstellung einreichen. Am 29.03. mailt der VN der Gothaer die Schadenaufstellung mit mehreren Schadenfotos zu. Informiert wurde die Gothaer u. a., dass bei der Schiebetür das obere Fenster herausgerissen und dabei der Holzrahmen so beschädigt wurde, dass auch der Rahmen ersetzt werden müsse.

Zudem sei bei einem Seitenfenster die Scheibe zerstört worden, aber der Rahmen bleibe nutzbar. Eine fachmännische Begutachtung habe einen Schaden von unter 2.000 € ergeben. Wetterbedingt erfolgte die Reparatur im Juli. Der VN reicht die Rechnung in Höhe von 1.796,39 € bei der Gothaer zur Regulierung ein. Reguliert wurden im August 595 €, bzgl. der Differenz zu den Reparaturkosten wurde auf einen Prüfbericht eines „Sachverständigenbüros“ verwiesen.

Laut Prüfbericht sei der Querriegel des zweiteiligen Schiebeelements „aus alterungs- und witte­rungsbedingten Einflüssen, welche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf ein einmaliges Ereignis zurückzuführen sind, so beschädigt, dass er ausgetauscht werden musste. Eine komplette Erneuerung der Schiebetür“ stelle „eine Sanierung dar“.

Mit Mail vom 15.08.22 reklamiert der VN die Kürzung und bestreitet die Darstellung im Prüfbericht. Die Schiebetür sei vor dem Schadensereignis tadellos in Ordnung gewesen, danach nicht mehr. Eine Reparatur, so wie bei dem gleich alten beschädigten Seitenelement, sei nicht möglich gewesen. Zudem verweist der VN auf die aus seiner Sicht von der Gothaer am 24.02. zugesagte Regulierung, soweit die Kosten unterhalb von 2.000 € lägen.

Mit Antwort vom 29.08. zitiert die Gothaer die Aussage des externen Schadenprüfers: „Durch Sturm war in Rücksprache mit der Firma die Plexiglasscheibe gebrochen. Der Fensterrahmen bzw. die Holzbauteile waren gemäß Firma altersbedingt durch Witterung morsch und wurden im Zuge der Reparaturarbeiten saniert. Der schadenbedingte Anteil Sturmschaden besteht im Austausch der Scheibe inkl. Dicht-/Befestigungsmaterial und Leisten. Holzarbeiten an den maroden massiven Rahmenteilen der Schiebetür sind eine Sanierungsvariante.“

Sanierungen, so die Gothaer, „sind im Versicherungsschutz nicht inbegriffen“. Daher „können wir keine weitere Zahlung leisten“. Und die im Schreiben vom 24.02. genannte Summe von 2000 € stelle „keine Kostenzusage, sondern eine erste Handlungsempfehlung dar“. Am 15.09. weist der VN die Gothaer nochmals auf die aus seiner Sicht falsche Aussage des Schadenprüfers hin: „Das gesamte Holz einschließlich des die Schiebetür tragenden Teils ist einwandfrei, hat vor wenigen Jahren noch einen neuen Schutzanstrich bekommen und wird noch viele Jahre ihren Dienst tun.

Von einer notwendigen Sanierung kann also keine Rede sein. Wenn Ihr Sachverständiger sich die Laube selber anschaut, wird er nicht ernsthaft behaupten können, das Holzwerk hätte ohnehin nicht erhalten werden können, sondern die Laube hätte neu gemacht werden müssen.“ Nun landet der Fall in der ‚vt‘-Redaktion. Wir haken beim Vorstandsvorsitzenden Thomas Bischof nach: ++ Laut Prüfbericht soll der Querriegel der Schiebetür durch alterungs- und witterungsbedingte Einflüsse so beschädigt gewesen sein, dass er ausgetauscht werden musste. Das sei eine nicht versicherte Sanierung. Hat sich der Schadenprüfer den Querriegel vor Ort angeschaut? 

++ Die Gothaer zitiert die Aussagen des Prüfbüros, wonach die Reparaturfirma mitgeteilt habe, die Holzbauteile seien altersbedingt durch Witterung morsch gewesen. Hat die Gothaer die Angaben des Schadenprüfers überprüft? Liegt der Gothaer die vom Prüfbüro genannte Aussage der Reparaturfirma vor? „Eine Besichtigung durch einen Sachverständigen vor Ort war nicht erforderlich, da aussagekräftige Fotos und eine Einschätzung des VN zur Schadenhöhe vorlagen“, teilt die Gothaer mit und vertritt die Auffassung:

„Der VN ließ bei der Reparatur das gesamte Schiebeelement austauschen. Das wirklich durch den Sturm beschädigte Teil der Schiebetür hätte durch eine Reparatur, die deutlich günstiger gewesen wäre, repariert werden können. Die Rechnungsprüfung durch einen Sachverständigen bestätigte, dass der Austausch des Schiebeelementes nicht erforderlich war und deshalb auch nicht durch uns übernommen werden kann.

Das Schiebeelement hätte repariert werden können. Auch die Reparaturwerkstatt bestätigte dies in einem Telefonat mit dem Sachverständigen. Dies wurde uns nochmal bestätigt.“ Wenn Sie nun verwirrt sind – wir sind es auch.

Es passt nicht zusammen, dass der externe Schadenprüfer die Regulierung ablehnt mit der Begründung, es läge eine aufgrund morscher Holzbauteile notwendige Sanierung vor, während die Gothaer die Schadenszahlung ablehnt, weil eine Reparatur möglich gewesen sei. Wie auch immer, den der ‚vt‘-Redaktion vorliegenden Schadenbildern entnehmen wir, dass das strittige Schiebeelement und das Seitenelement mit Fenster-, aber ohne Rahmenbeschädigung auf der gleichen Laubenseite sind, also identischen Witterungseinflüssen ausgesetzt waren.

Das spricht nicht für eine unterschiedliche Alterung, die sich auf den Bildern auch nicht erkennen lässt. Zudem beschäftigt uns: Wer hat wem was bestätigt? Wir fragen bei den Kölnern nach, ob die Gothaer mit dem Schreiner Kontakt aufgenommen und dieser gegenüber der Gothaer die Reparaturfähigkeit des Schiebeelements bestätigt hat oder ob der Gothaer die vom Sachverständigen genannte Aussage der Reparaturfirma vorliegt.

„Die Aussage der Reparaturfirma liegt uns nicht separat vor“, räumt die Gothaer ein. Es sei „ein übliches Vorgehen, dass sich der Sachverständige die notwendigen Informationen für die Beurteilung des Schadenbildes und der Schadenhöhe direkt bei den Beteiligten einholt. In diesem Fall liegt uns die Bestätigung des Sachverständigen zum Telefonat und zur Aussage der Reparaturfirma vor.“ Was üblich ist, sollte aber nicht blind für jeden Fall gelten. Insbesondere nicht, wenn der VN mehrfach auf eine andere Sachlage hinweist. Schade, dass die Gothaer weder Zeit für ein Telefonat mit dem Schreiner hat noch für eine E-Mail an ihn.

‚vt‘ hat allerdings die fachliche Meinung des Handwerkers vorliegen: Demnach war „das Tor nicht altersschwach“, sondern „der Schaden war ausschließlich auf das einmalige Sturmereignis zurückzuführen und eine Reparatur war aufgrund des Schadensbildes nicht möglich“. Hat der Prüfer dem Handwerker schadenleistungsreduzierende Worte in den Mund gelegt? Damit konfrontieren wir den Schadenprüfer mindhopper GmbH und fragen nach einer Erklärung. „Zur Gewährleistung des Datenschutzes nehmen Sie für die gewünschten Informationen bitte den direkten Weg über die Versicherungsgesellschaft“, beantwortet Geschäftsführer Reno Weiß unsere Frage nicht.

Wir teilen Weiß mit, dass wir dies im Vorfeld selbstverständlich getan haben und mindhopper Gelegenheit zur Stellungnahme geben wollen. Danach herrscht Schweigen. Wir haben uns den Antwort-Ablehner genauer angeschaut: „Mehr als 21 Jahre Erfahrung machen die Belegprüfung von mindhopper® zu dem, was sie heute ist: Die perfekte Dienstleistung für Versicherer“, wirbt der externe Schadenprüfer um Versicherer und verspricht als Ergebnis „die höchste umsetzbare Ersparnis aller Zeiten – für Ihre Schäden rund ums Gebäude“.

Es geht also um Kostensenkungen. Das wird bei den weiteren Werbesprüchen, „Prüfung aller Belege in unter 10 Minuten“ umso deutlicher, insbesondere wenn es heißt „27% Einsparung und maximale Umsetzungsquoten“! Ersparnisse beim Versicherer zu Lasten der VN? Die als ‚speedhopper‘ beworbene „fiktive Schadenermittlung für Frequenz- & Kumulschäden“ lässt tief blicken.

Als „Nutzen“ für Versicherer wird aussagekräftig versprochen: „700,00 € Einsparung pro Schaden.“ Insoweit hat der externe Schadenprüfer im konkreten Fall das 700-€-Versprechen übererfüllt: Die Gothaer darf sich über eine Einsparung von über 1.200 € freuen. Auf Kosten des geschädigten VN.

‚vt‘-Fazit: Mit der Abgabe der Schadenprüfung an Externe geben Versicherer die Empathie für ihre Kunden offenbar gleich mit ab. Einem langjährigen Kunden eine eigene Schadenprüfung trotz wichtiger Argumente des VN zu verweigern, hat mit Kundenorientierung nichts zu tun.

Auch mit Blick auf § 1a VVG sehen wir die Gothaer gehalten, den Schadenfall selbst zu prüfen und ggf. die Zusammenarbeit mit mindhopper auf den Prüfstand zu stellen. Die auf Schadenkostenzusammenstreichung hindeutende Werbung externer Schadenprüfer sollte der BaFin zu denken geben.

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