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Marktwächter: Transparenz fordern, aber selbst verweigern!

Marktwächter: Transparenz fordern, aber selbst verweigern!

"Erfolgskonzept Marktwächter" titelte die SPD in dieser Woche. Nach nur 18 Monaten zeige sich, so deren verbraucherpolitische Sprecherin Elvira Drobinski-Weiß, dass die SPD-Bundestagsfraktion mit der Einführung von Marktwächtern in der digitalen Welt sowie für den Finanzmarkt "goldrichtig" lag: "Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband, hat heute im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz über den Aufbau und die ersten Erfolge in der Arbeit der Marktwächter berichtet. Bisher wurden von November 2015 bis heute fünf Untersuchungen veröffentlicht. Hierbei wurden die Themen Transparenz beim Dispositionskredit, bedarfsgerechte Geldanlage, Streaming-Dienste und Werbung im Grauen Kapitalmarkt unter die Lupe genommen. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, Marktwächter auch für Lebensmittel, Gesundheit und Energie aufzubauen." Laut der Bundestags-Meldung über die Ausschusssitzung liest sich das jedoch alles andere als eine Erfolgsbilanz: "Auf die Frage aus dem Ausschuss, ob sich auch Erfolge auf Seiten der Verbraucher feststellen ließen, die sich aufgrund der Arbeit der Marktwächter anders am Markt verhielten, musste Müller passen. Dies zu ermitteln, übersteige die Möglichkeiten der Verbraucherzentralen", heißt es dort.

Auch wir wüssten gerne, welche Erfolge bspw. der sog. 'Marktwächter Finanzen' vorzuweisen hat. Uns sind keine bekannt. Statt dessen musste der 'Marktwächter' u. a. von 'k-mi' und anderen Marktteilnehmern und Experten permanent viel Kritik einstecken: Der langjährige zuständige Abteilungsleiter im BMF für Investmentfonds, Uwe Wewel, geißelt aktuell in 'Cash online' scharf die Vorgehensweise des Finanzmarktwächters als "unzulässig", einfach wei­terhin KAGB-Produkte dem grauen Kapitalmarkt zuzurechnen, womit dieser seine staatliche Förderung aufs Spiel setze: "Damit missachtet er die Entscheidung des Gesetzgebers und es muss das 'quasi amtliche Siegel' der Förderung durch die Bundesregierung hinterfragt werden." Immer wieder wurde zudem heftig kritisiert, dass der 'Marktwächter' keine repräsentativen Untersuchungen vornimmt, sondern mit verschwindend kleinen Datensätzen operiert, daraus jedoch gleichsam wie ein Alchimist – irreführende allgemeingültige Aussagen destilliert. Bspw. in der vielbeachteten Mitteilung des vzbv vom 10.12.2015: "In einer Untersuchung des Marktwächters Finanzen deckt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg Missstände in der Finanzberatung auf: 95 % der aktuell unterbreiteten Anlagevorschläge von Banken und Finanzvertrieben passen nicht zum Bedarf der Verbraucher."

Diese 'Aufdeckung' einer angeblichen landesweiten Fehlberatungsquote von 95 % basierte jedoch lediglich auf lächerlichen 202 'Beratungsfällen', die sich ratsuchend mit 366 (neuen) Produktangeboten an die Verbraucherzentralen wandten, analysierte 'k-mi' in der Ausgabe 51/15. Die Datenbasis war also weder ausreichend noch repräsentativ: Der Schwachsinn bzw. die Scharlatanerie solcher Behauptungen ist offensichtlich. Es wäre ungefähr so, als würde man sich in Arztpraxen mit 200 Patienten oder Autowerkstätten mit 200 Kfz umsehen und dann behauten: 95 % der Deutschen sind krank bzw. 95 % der deutschen Autos sind nicht fahrbereit! Auch die Bankenverbände hielten mit deutlicher Kritik nicht zurück: "Das ist weder eine neutrale noch eine repräsentative Untersuchung. Hier wird mit nicht belastbarem Zahlenmaterial knallharte Interessenpolitik gemacht. Davon hat der Verbraucher überhaupt nichts", so Henning Bergmann, Leiter Kapitalmarktrecht beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV), am 12.12.2015 in der 'Börsen-Zeitung'.

Wie sich nun bei der Befragung von vzbv-Vorstand Müller im Bundestags-Verbraucherausschuss herausstellt, wollen die Verbraucherzentralen/Marktwächter nicht nur keine repräsentativen Untersuchungen machen, sie können es auch gar nicht: "Auf die Frage, inwieweit die Erkenntnisse der Marktwächter wissenschaftlich fundiert seien, entgegnete Müller, dass die Verbraucherzentralen diesen Anspruch nicht erheben würden. 'Wir sind parteiisch', sagte Müller, nämlich für die Verbraucher", so der Ausschussbericht vom 22.06.2016.

Haben die Verbraucherzentralen/Marktwächter denn inzwischen dazugelernt? Weit gefehlt. Am 01.06.2016 schlug der 'Marktwächter Finanzen' erneut mit einer 'Untersuchung' zu und behauptete: "Stichprobe zeigt: Zulassungen häufig nicht korrekt. Aus einer Stichprobe von 25 Vermittlern verfügten sechs nicht über die erforderliche Zulassung als Finanzanlagenvermittler nach §34f Gewerbeordnung (GewO). In zwei weiteren Fällen fehlte eine notwendige Zulassung als Immobiliardarlehensvermittler (§34i GewO) beziehungsweise Makler (§34c GewO)." Der zuständige Projektleiter beim 'Marktwächter Finanzen' äußerte sich in den Sozialen Medien dazu wie folgt und machte aus 'häufig' gleich 'regelmäßig': "Vermittler im Grauen Kapitalmarkt fehlt regelmäßig richtige Zulassung", so der Projektleiter auf Twitter. Die Auswirkungen solcher systematischen und bewussten Desinformation ließ nicht lange auf sich warten: "Verbraucherschützer schlagen Alarm: Jeder dritte Finanzberater ist ein Scharlatan" titelte 'Focus Online' am 06.06.2016 in einem Anfall journalistischer Umnachtung. Wohl­gemerkt, es geht hier um eine nicht-repräsentative Datenbasis von 25 Fällen mit angeblich 8 fehlenden Zulassungen bei einer Grundgesamtheit von 36.720 Finanzanlagevermittlern! Also um eine homöopathisch dosierte 'Fehlerquote' von 0,2 Promille! Vielleicht sollte man den Marktwächtern mal eine Duden-Ausgabe schenken, in denen sie die Adjektive 'häufig' und 'regelmäßig' nachschlagen können. Im Marktwächter-Budget, das den Steuerzahler ca. 17 Mio. € kostet, war diese Büroausstattung wohl noch nicht drin, von demoskopischen Know-how ganz zu schweigen!

'k-mi' hat daher bei den Marktwächtern angefragt, was es mit den fehlenden 8 Vertriebserlaubnissen auf sich hat, z. B. um welche Produkte es geht etc. Uns hatte nämlich schon stutzig gemacht, dass es sich um Fälle aus dem Herbst 2015 geht und dort bspw. von den Marktwächtern eine Erlaubnis nach § 34i GewO gefordert wird, obwohl es diese zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht gab! Angesichts der ohnehin erschreckend niedrigen Datenbasis – also der Mücke, aus der man den Elefant gemacht hat – wäre es also ein leichtes gewesen für die Marktwächter, uns zu­mindest die 6 Fälle zu dokumentieren, in denen diese "sechs nicht über die erforderliche Zulassung als Finanzanlagenvermittler" verfügten. Gegenüber 'k-mi' verweigern die Marktwächter jedoch eine Auskunft zu den konkreten Umständen der 6–8 fehlenden Erlaubnisse, aus denen man einen Skandal konstruiert hat. Ein Sprecher des vzbv verweist uns auf Anfrage lediglich auf längst bekannte Unterlagen und erklärt: "Die Stichprobe basiert auf den geprüften Angeboten der Untersuchung 'Transparenz bei Werbung für Produkte des Grauen Kapitalmarkts' (...) Überprüft wurde im Anschluss an diese Untersuchung, ob die Anbieter als Vermittler aufgetreten sind und wenn ja, ob die jeweilige Zulassung vorgelegen hat. Bei den Produkten handelt es sich überwiegend um Vermögensanlagen."

Aha! Mit der verunglückten Marktwächter-Untersuchung 'Transparenz bei Werbung für Produkte des Grauen Kapitalmarkts' hatten wir uns bereits in 'k-mi' 17/16 befasst. Der entscheidende Satz in dieser Studie lautet: "Aus den im Untersuchungszeitraum Oktober bis November 2015 recherchierten und bewerteten Werbemitteilungen fallen lediglich zwei der 91 beworbenen Produkte unter das im Sommer 2015 verschärfte VermAnlG." Für die Frage der fehlenden Erlaubnisse heißt dies – neben der Frage, was es überhaupt bedeutet, wenn "Anbieter als Vermittler auftreten" –, dass zu diesem Zeitpunkt diverse Übergangsvorschriften im Rahmen des Kleinanlegerschutzgesetzes anzuwenden waren, ob überhaupt eine Erlaubnis nach § 34f erforderlich war! U. a. abhängig davon, ab wann welche Angebote in den Markt gingen. Gerne hätten wir diese Fälle gemeinsam mit den Marktwächtern analysiert! Wer weiß, vielleicht wären aus 6 von 36.720 Fällen ohne § 34f-Erlaubnis nur 3 Fälle geworden, oder 2 oder 0! Leider waren die Marktwächter nicht bereit, an einer Aufklärung mitzuwirken!

'k-mi'-Fazit: Wer Transparenz einfordert und in diesem Zusammenhang ständig Skandale an die Wand malt, sollte sich selbst mit hohen Transparenz-Standards messen lassen. Statt dessen produzieren die Marktwächter spektakuläre Untersuchungen, die sich bei der ersten Nachfrage in Luft auflösen! Dies ist nicht nur nutzlos, sondern schädlich! Die Marktwächter müssen sich fragen, ob sie nicht selbst Scharlatane sind und entpuppen sich damit immer mehr als verbraucherschutzpolitisches Feigenblatt der SPD:  ++ beratungsresistent  ++ ignorant  ++ intransparent  ++ Sachkunde fraglich  ++ nicht in der Lage, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu liefern. Statt dessen erfolgt knallharte Interessenpolitik bzw. statt Verbraucherschutz perfide Desinformationskampagnen zur Simulation einer Daseinsberechtigung!

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