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Mecklenburgische: Missachtet Maklervollmachten früherer Vertreter (Teil 3)

Die Mecklenburgische Versicherungsgruppe weigert sich, Handlungen auf Basis von Maklervollmachten durchzuführen, wenn der die Vollmacht einreichende Versicherungsmakler ehemals deren Ausschließlichkeitsvertreter war. Das bedenkliche Verhalten der Mecklenburgischen, eine mit Vollmacht ausgesprochene Kündigung eines Versicherungsvertrages zu ignorieren, beleuchten wir am Fall des Versicherungsmaklers Thomas Lütkenhues/Osnabrück (vgl. ‚vt‘ 25/19).

Ihre Vorgehensweise sieht die Mecklenburgische „im Einklang mit dem Urteil des OLG Bamberg vom 04.11.1992 und dem BGH-Urteil vom 29.05.2013“. Allerdings nennt die Mecklenburgische keine konkreten Urteils-Passagen, die ihre Rechtsauffassung stützen. Wir legten ausführlich dar, dass OLG und BGH über die Zusammenarbeit mit dem Versicherungsmakler im Zusammenhang mit der Korrespondenz urteilten, aber nicht über die Zulässigkeit einer Missachtung aller mit Vollmacht ausgesprochenen Willenserklärungen (vgl. ‚vt‘ 26/19).

In der weiteren Korrespondenz mit VV Thomas Flemming führt der Versicherer Details aus einem Urteil des OLG Koblenz vom 11.07.2018 (Az.: 9 U 117/18) auf, man habe „hinsichtlich der Zulässigkeit unseres Vorgehens keine Bedenken“ gehabt. Das Gericht habe ausgeführt (Hervorhebungen durch VR): „Allerdings kann man aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs durchaus den Schluss ziehen, dass in den Fällen, in denen die Unzumutbarkeit aus der Person des Maklers folgt, es der Beklagten wegen des damit verbundenen erheblichen Mehraufwandes auch unzumutbar sein kann, jedes Schreiben, das der bisherige Vertreter ihr gegenüber abgibt, daraufhin zu überprüfen, ob es (auch) Willenserklärungen des Kunden erhält, oder auf sonstige Korrespondenz beschränkt ist.

Auch das Urteil des Oberlandesgerichtes Bamberg (VersR 1993, 1146), auf das sich die Beklagte ausdrücklich beruft, kann dahingehend verstanden werden, dass es der Beklagten möglich ist, Willenserklärungen, die durch ihren früheren Ausschließlichkeitsvertreter namens und in Vollmacht eines Kunden, abgegeben wurden, zurückzuweisen. Auffällig ist, dass das OLG Koblenz die Interpretation beider Urteile mit „kann“ einleitet, also offen lässt, welche Rechtsauffassung zutreffend ist, die Mecklenburgische die Äußerungen aber offenbar als gefestigte Rechtsauffassung zu ihren Gunsten auslegt. Das Urteil haben wir uns näher angesehen:

Bei dem Urteil handelt es sich um ein UWG-Verfahren. Ein Versicherungsmakler hatte die Mecklenburgische nach erfolgloser Abmahnung verklagt. In einem Schreiben an einen Kunden, der den VM bevollmächtigte, hatte die Mecklenburgische nach Auffassung des VM irreführende Aussagen getätigt. Die Mecklenburgische würde dem Kunden gegenüber suggerieren, er könne keine wirksame Willenserklärung über den Versicherungsmakler abgeben.

Das Schreiben diene der gezielten Behinderung im Wettbewerb, da es bezwecke, Kunden von ihrem Entschluss, sich von ihm betreuen zu lassen, abzubringen. Zudem sei die Berufung auf eine angebliche obergerichtliche Rechtsprechung unlauter, da sie unwahr sei. Während die Vorinstanz, das LG Bad Kreuznach, zugunsten des VM urteilte, kassierte der 9. Zivilsenat auf Berufung der Mecklenburgischen das Urteil und wies die Klage ab.

Die Mecklenburgische zitiert aus dem Urteil Passagen, die scheinbar deren Rechtsauffassung bestätigen. Doch der Schriftsatz des OLG Koblenz enthält Äußerungen, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen:

„Allerdings hatte der Bundesgerichtshof in dem zitierten Urteil nur hinsichtlich der Zumutbarkeit der Korrespondenz zu entscheiden (…)“ Das OLG kommt zu dem Ergebnis: „Durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ist somit die Frage der Unzumutbarkeit der Entgegennahme von Erklärungen, die ein früherer Ausschließlichkeitsvertreter im Namen eines Versicherten abgibt, nicht eindeutig geklärt. Eine Auslegung dahingehend, dass auch die Entgegennahme von Willenserklärungen erfasst ist, kann damit weder als eindeutig richtig oder unrichtig angesehen werden.“

Die Aussage der Mecklenburgischen, ihr Vorgehen sei durch Rechtsprechung bestätigt, erscheint damit in einem anderen Licht. Ohnehin haben die (von der Mecklenburgischen zitierten) ‚Spekulationen‘ des OLG Koblenz, welche Schlüsse aus den Urteilen gezogen werden könnten, einen zu beachtenden Hintergrund. Denn – zur Erinnerung – es liegt ein UWG-Verfahren vor. Dabei ging es um folgende Kernthemen: Das OLG befasst sich mit Aussagen der Mecklenburgischen gegenüber dem Kunden dahingehend, ob darin eine Irreführung zu sehen ist, ob (falsche) Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen vorliegen und ob eine Wettbewerbsbehinderung gegeben ist.

Und in diesem Kontext deutet das OLG Koblenz die Urteile aus u. a. mit dem Ergebnis, es fehle „an einer eindeutig richtigen oder unrichtigen Aussage im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG“. Da sich das OLG mit den Aussagen der Mecklenburgischen beschäftigte und eben nicht über die Zulässigkeit des Vorgehens, alle Willenserklärungen zu ignorieren, urteilte, halten wir deren Aussage in der Antwort an uns, dass „das OLG Koblenz im Jahr 2018 hinsichtlich der Zulässigkeit unseres Vorgehens keine Bedenken hatte“ für falsch. Denn unsere Anfrage an VV Flemming betraf die Nichtakzeptanz von Maklervollmachten.

Was sagen Rechtsexperten zur Rechtsauffassung der Mecklenburgischen? Rechtsanwältin und Fachanwältin für Versicherungsrecht Kathrin Pagel, Partnerin in der Kanzlei Michaelis/Hamburg, teilt die Rechtsauffassung der Mecklenburgischen nicht: „Auch das OLG Koblenz weist darauf hin, dass der von dem BGH zu entscheidende Fall anders lag. Dort hatte der Versicherer ausdrücklich zugesagt, dass er Willenserklärungen, die der Makler im Namen des Kunden und unter Vorlage einer Vollmacht ausspreche, so behandeln werde, als seien diese vom Kunden selbst ausgesprochen worden.

Zudem sehe ich in der Entgegennahme der Kündigung keine ‚Korrespondenz‘ mit dem Versicherer, da diese eine einseitige – wenn auch empfangsbedürftige – Willenserklärung ist. Diese bedarf keinerlei Mitwirkungshandlung des Versicherers, denn der Zugang kann nicht willentlich verweigert werden, wenn die Kündigung wirksam in den Empfangsbereich des Versicherers kommt.“

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht Norman Wirth, Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte/Berlin, der prozessführender RA beim Korrespondenzpflicht-Urteil des BGH (Az. IV ZR 165/12) war (vgl. ‚vt‘ 25/13), bezweifelt die generelle Unzumutbarkeits-These:

„Das ist schon eine kreative Herleitung ihrer Rechtsposition, die die Mecklenburgische da äußert. Es war ja schon etwas salopp vom BGH, ohne Not in unserem Korrespondenzpflicht-Urteil das obiter dictum zu der angeblichen Unzumutbarkeit der Korrespondenz  mit einem ehemaligen Vertreter einzubringen. Der BGH ließ hierzu jede Begründung dafür vermissen, warum die Korrespondenz in diesem Fall pauschal unzumutbar sein solle.

Ich bin überzeugt davon, dass der BGH das, wenn ein solcher konkreter Fall einmal bis zu ihm gelangt, so nicht stehen lassen kann. Aber dann auch noch aus dieser dünnen, unbegründeten Meinung des BGH zu schließen – wie die Mecklenburgische es hier ja tut –, dass unabhängig von der Korrespondenzpflicht die Willenserklärungen einfach zurückgewiesen werden können, ist ganz dünnes Eis. Das sollte tatsächlich einmal durchgefochten werden.“

Wilfried E. Simon, IGVM-Vorsitzender und Dozent für Versicherungsrecht, hält das Ignorieren von Kündigungen für unzulässig und erkennt einen BaFin-relevanten Missstand: „Wenn die Mecklenburgische gegenüber den VN erklärt, sie werde Erklärungen von deren bevollmächtigtem Versicherungsmakler nicht bearbeiten, dann kann das gravierende Nachteile für die VN zur Folge haben. Somit ist das u. a. ein Missstand, gegen den die BaFin einschreiten muss. Eine Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und damit ein einseitiges Rechtsgeschäft. Die Kündigung wirkt deshalb mit dem Zugang beim VR – bei einzuhaltenden Fristen aufschiebend bedingt.

Entsteht durch das Ignorieren von Erklärungen des Versicherungsmaklers, die rechtlich bindend sind, wenn die Vollmacht korrekt ist, auf Seiten des VN dadurch ein Schaden, der dafür auch kausal ist, steht dem VN Schadensersatz zu.“ Simon sieht auch den Versicherungsmakler betroffen: „Auf Seiten des Versicherungsmaklers besteht die Gefahr, dass diesen ein Mitverschulden gem. § 254 BGB treffen kann, wenn er seine Handlungen nicht darauf abstellt, dass ihm mitgeteilt wurde, dass der VR seine Erklärungen ignoriert.

‚vt‘-Zwischenfazit: Das OLG Koblenz erkennt in den von der Mecklenburgischen an Kunden gesendeten Schreiben und Aussagen keinen wettbewerbsrechtlichen Verstoß und keine Irreführung. Damit hat das OLG aber nicht die Praxis der Mecklenburgischen als zulässig erklärt, sämtliche Willenserklärungen des VN, die durch den bevollmächtigten Versicherungsmakler vorgelegt werden, zu ignorieren. Auch Rechtsexperten sehen die Begründung der Rechtsposition mit dem BGH-Korrespondenzpflichturteil auf sehr dünnem Eis.

Abgesehen von den Problemen, die der Versicherungsmakler hat, ist das auch ein Ärgernis für den Kunden. Wie die Mecklenburgische auf eine Kundenbeschwerde reagiert und was sie zu unserer Frage bzgl. Vereinbarkeit mit dem GDV-Verhaltenskodex sagt, berichten wir in der ‚vt‘-Ausgabe der kommenden Woche. (Das Urteil des OLG Koblenz kann hier heruntergeladen werden.)

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