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Offene Immofonds: 'k-mi'-Kieselstein wird zum Branchen-Tsunami!

Im Oktober 2023 hatte 'k-mi' einen Kieselstein in den See geworfen. Anlass war die Frage, ob die PRIIPs-Risikoklassen von offenen Immobilienfonds (OIF) – überwiegend 1 oder 2 von 7 Stufen – zu optimistisch sind oder gar methodisch falsch berechnet werden. Aus den Wellen des Kieselsteins ist nun mittlerweile ein Branchen-Tsunami geworden, der über die Branche der offenen Immobilienfonds hereingebrochen ist. Seinerzeit ging die von 'k-mi' koordinierte BMI/Bundesarbeitsgemeinschaft mittelständischer Investmentpartner (unter Einbindung der BaFin) folgender Problemstellung bei offenen Immobilienfonds nach, die wir am 20.10.2023 in 'k-mi' 42/23 wie folgt formulierten: "Da die Immobilien oft nur vierteljährlich bewertet werden, basiert die 'monatliche' NAV-Berechnung zum Zweck der Anteilpreisermittlung bei 'Offenen' wohl nur auf Schätzungen. Aber ist dies laut dem EU-Regulator überhaupt zulässig? Daran bestehen u. E. begründete Zweifel. Wenn nicht, dann müssten offene Immobilienfonds – ebenso wie generell geschlossene AIF – pauschal in Risikoklasse 6 landen!"

Von der BaFin haben wir seitdem dazu nichts Offizielles bzw. Belastbares gehört. Allerdings bekam die ganze Sache nach und nach eine Eigendynamik, die immer größer wurde, u. a. ausgelöst durch die Schock-Abwertung beim OIF UniImmo: Wohnen ZBI ('k-mi' 26, 27/24): Gerichtsurteile wie LG Nürnberg-Fürth ('k-mi' 09/25) und LG Stuttgart ('k-mi' 21/25) sowie Musterverfahrensklagen ('k-mi' 20/25) folgten, in denen die Richter und Juristen unserer Einschätzung folgten und den offenen Immobilienfonds eine falsche Berechnung ihrer Risikoindikatoren vorwarfen.

Nach diesen Schockwellen kommt nun der nächste 'Brecher': Die WERTGRUND Immobilien AG teilt in dieser Woche mit, dass der bekannte OIF WERTGRUND WohnSelect D (Auflage 2010, NAV 332 Mio. €, PRIIPs-Risikoindikator 3) als erster offener Immobilienfonds mit Wirkung zum 01.07.2025 auf monatliche Bewertung umstellt. In der Ankündigung der WERTGRUND heißt es dazu u. a. zur Begründung: "Bislang erfolgte die Bewertung den gesetzlichen Vorgaben folgend quartalsweise. Damit reagiert die WohnSelect Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH vorsorglich auf das noch nicht rechtskräftige Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen: 4 HK O 5879/24) vom 21.02.2025 (…). Im Kern geht es bei dem Urteil um die Frage, ob Immobilien-Sondervermögen weiterhin auf Basis der laufenden Risikobetrachtungen in den Risikoklassen von 1 bis 7 eingestuft werden dürfen. Ausschlaggebend soll dafür laut des Urteils sein, ob die im Fonds gehaltenen Vermögensgegenstände und damit insbesondere die gehaltenen Immobilien mindestens einmal monatlich bewertet werden. Nur wenn dies erfolgt, stehen für ein Immobilien-Sondervermögen nach Auffassung des Gerichts die Risikoklassen 1 bis 7 für die Einstufung offen."

Soweit können wir folgen. Bei der folgenden Schlussfolgerung der WERTGRUND haben wir allerdings Bedenken: "Mit der Umstellung auf einen monatlichen Bewertungsrhythmus erfüllt der WERTGRUND WohnSelect D auf freiwilliger Basis, die vom Gericht aufgestellten Forderungen und schafft damit bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Klärung der aktuellen Frage eine rechtssichere Basis zur Fortführung der bisherigen Praxis der Risikoklassifizierung." Ob die Umstellung aber eben auch eine "rechtssichere Basis zur Fortführung der bisherigen Praxis" ermöglicht, daran haben wir Zweifel. Denn bei monatlichen Preisen braucht man eine Preishistorie von mindestens fünf Jahren, um anhand dieser Historie den Risikoindikator berechnen zu dürfen. D. h. erst nach Ablauf von fünf Jahren kommt man von der 6 weg! Außerdem muss die Risikoklasse um eine Stufe erhöht werden, weil nur monatliche (und nicht tägliche bzw. wöchentliche) Preise zugrunde liegen. So zumindest unser Verständnis der PRIIPs-RTS gemäß der Delegierten Verordnung (EU) 2017/653 (Anhang II, Teil I, Nr. 5, 10 und 15)

Aber unabhängig von dieser Frage zeigt die Maßnahme der Umstellung auf monatliche Immobilienbewertung beim WERTGRUND WohnSelect D, dass man die Thematik sowie die Bedeutung des Urteils des LG Nürnberg-Fürth, in der Union Investment/ZIB in 1. Instanz gegen die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg verloren hat, seitens WERTGRUND durchaus ernst nimmt und die Tragweite erkennt. Der Branchenverband BVI dagegen scheint die Sache laut einem Bericht der 'Immobilien-Zeitung' vom 05.06.2025 noch auf die leichte Schulter zu nehmen. Laut dem IZ-Bericht vom 05.06.2025 ist Rudolf Siebel, GF beim BVI, zuversichtlich, dass das Urteil des LG Nürnberg-Fürth auf dem Weg durch die Instanzen gekippt werde, auch weil man die BaFin nicht auf der Seite der Verbraucher(-schützer), sondern auf Seiten des BVI wisse: "'Wir sind guten Mutes, dass wir die Entscheidung des LG Nürnberg wegbekommen werden.' Die Finanzaufsicht Bafin weiß die Branche dabei auf ihrer Seite. Der Lobbyist erklärte auf der BIIS-Tagung überraschend offen, dass sich die Bafin die BVI-Position zu eigen gemacht habe: Die deutsche Finanzaufsicht wolle sich in den laufenden Gesprächen mit den zuständigen europäischen Finanzaufsichtsbehörden, European Supervisory Authorities (ESAs), für eine Klarstellung im Sinne des bisherigen Verständnisses – also der Berechnung des Risikoindikators eines Fonds anhand seiner eigenen Anteilpreishistorie – einsetzen."

Wir haben auch die BaFin angefragt, ob diese Darstellung bzw. die zitierten Äußerungen des BVI in der Sache überhaupt zutreffen. Die BaFin verweist uns gegenüber darauf, dass man "Aussagen von Herrn Siebel als BVI-Vertreter nicht kommentieren kann", distanziert sich aber indirekt von der inhaltlichen Aussage, dass die Finanzaufsicht sich hier bereits die BVI-Position zu eigen gemacht habe: "Die BaFin prüft als Aufsichtsbehörde im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages unabhängig von der Positionierung des BVI die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Fragen. Die BaFin verfolgt die zivilrechtlichen Auseinandersetzungen in dieser Angelegenheit und wird nach deren Abschluss die Urteilsbegründung des Berufungsgerichts prüfen", so die BaFin aktuell gegenüber 'k-mi'. Wir haben auch beim BVI angefragt, wie die Statements von Herrn Siebel eigentlich gemeint waren bzw. was der BVI eigentlich sagen wollte oder gesagt hat. Nun auf einmal gibt sich der BVI bei diesem Thema allerdings nicht mehr redselig, sondern eher 'zugeknöpft'. Ein BVI-Sprecher antwortet uns dazu lediglich: "Wir führen derzeit konstruktive Gespräche mit der BaFin und werden zu gegebener Zeit über die Ergebnisse berichten." Das nennt man dann wohl landläufig 'zurückrudern'. Man darf also gespannt sein, was passiert, wenn das Urteil des LG Nürnberg-Fürth in der Berufung Bestand hat. Auch 'konstruktive Gespräche' mit dem BVI dürften wohl nicht dazu führen, dass die BaFin sich dann einfach darüber hinwegsetzt.

'k-mi'-Fazit: Seit Oktober 2023 warnen wir Banken und Vertriebe davor, dass die Risikoklassen von offenen Immobilienfonds geschönt bzw. methodisch falsch sein könnten. Die Turbulenzen um den UniImmo: Wohnen ZBI sowie erste Gerichtsentscheidungen geben uns hier recht. Schwer nachvollziehbar ist es u. E., dass der Anbieterverband BVI bislang verbissen am umstrittenen Status Quo festhält und ggf. auf verlorenem Posten kämpft. Aber die Anbieterfront scheint zu bröckeln: Denn wie das Beispiel WERTGRUND zeigt, gibt es durchaus weitere ernstzunehmende Branchenakteure, die die Kritik u. a. von uns und Urteile (bislang noch präventiv) ernstnehmen!

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