Der Europäische Rechnungshof geht in seinem aktuellen Sonderbericht 14/2025 knallhart mit der EU-Kommission und EIOPA ins Gericht: „Ausbau der zusätzlichen Altersvorsorge in der EU: EU-Maßnahmen tragen nicht wirksam zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Etablierung des Paneuropäischen Privaten Pensionsprodukts bei“, lautet der Titel des Sonderberichts. Damit bescheinigt der Europäische Rechnungshof, dass auch die ideologische Überregulierung beim PEPP krachend gescheitert ist. Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) sieht sich in seiner Kritik bestätigt: „Ein Produkt, das mit einer Kostenobergrenze von einem Prozent pro Jahr auskommen muss, ist wirtschaftlich nicht tragfähig – weder für Anbieter noch für Vermittler“, erklärt BVK-Präsident Michael H. Heinz und ergänzt: „Solange diese unrealistische Deckelung besteht, wird es kaum Versicherer geben, die PEPP-Produkte entwickeln, geschweige denn Vermittler, die dazu beraten. Und das bei einem Produkt, das aufgrund eines länderübergreifenden Vertriebs zusätzlichen Beratungsbedarf hat.“ Zur unrealistischen Deckelung der Vertriebskosten komme hinzu, dass Standardprodukte – wie die Europarente – weder den individuellen Lebenslagen der EU-Bürger, noch den unterschiedlichen und sehr komplizierten Besteuerungen in den 27 EU-Staaten gerecht werden können. Der Europäische Rechnungshof liefert dazu folgende ‚Erfolgs‘-Zahlen:
„Für unter die PEPP-Verordnung fallende Produkte schätzte die Kommission den potenziellen Wert des Marktes für den Zeitraum 2020–2030 zunächst auf 0,7 Billionen €. Im Jahr 2025, d. h. drei Jahre nach Beginn der Anwendung der Verordnung, gibt es jedoch nur ein PEPP auf dem Markt (das im Herkunftsland und in drei Ländern der Region angeboten wird). Bislang wurde dieses Produkt – mit weniger als 5 000 Sparern in allen vier Ländern zusammengenommen und verwalteten Vermögenswerten von weniger als 12 Mio. € – kaum in Anspruch genommen.“ Von ideologisch geblendeten Eurokraten herbeigewünschte 700 Mrd. € bis 2030 sind bisher 12 Mio. € eingetroffen. Das macht eine Erfüllungsquote von bisher 0,0017 %!
Dieses Desaster haben wir bereits vor über drei Jahren in unserem Bericht „Wie soll ,Europarente’ PEPP ohne Vertrieb funktionieren?” (vgl. ‚vt‘ 14/22) prognostiziert: „Wer noch nie im Vertrieb gearbeitet hat, kann kaum ermessen, welche Bedeutung die aktive und kompetent durchgeführte Kundenansprache auf die Abschlussquote beim Kunden hat. Doch aus dem behördlichen Blickwinkel heraus malt man sich gerne seine eigene Welt: ‚Weg frei für die neue europäische Altersvorsorge (...) Was das PEPP attraktiv macht‘, titelte die BaFin vor ca. einem Jahr in einem Fachartikel. Die Aufsicht erläuterte dort weiter: „Das PEPP, kurz für Pan-European Personal Pension Product, dient der langfristigen privaten Altersvorsorge. Der Clou: Das Produkt soll jedem Europäer unabhängig von Alter und Beruf offenstehen. Anbieten dürfen es unter anderem Versicherungsunternehmen, Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Investment- und Verwaltungsgesellschaften sowie Verwalter alternativer Investmentfonds mit Sitz in der EU.“ Die euphorische Sichtweise der BaFin zu einem ‚attraktiven‘ PEPP teilten wir nicht und zogen das Fazit:
„Im Bereich der Altersvorsorge hat sich die EU nun ebenfalls bei den PEPPs offenbar durch Einflüsterungen von sogenannten Verbraucherschützern völlig verrannt. Ein Regulierungsrahmen für ein Altersvorsorge-Produkt, das faktisch keine Vertriebskosten zulässt, aber eine Breitenwirkung entfalten soll, ist u. E. zum Scheitern verurteilt. Entweder man schafft ein Zwangsprodukt mit Pflichtbeiträgen oder man lässt in der Praxis eine aktive Vertriebssteuerung zu. Diese grundlegende Erkenntnis von Praktikern ist offenbar nicht bis nach Brüssel durchgedrungen. Der drohende Rohrkrepierer des politisch bzw. künstlich erschaffenen PEPP-Produkts zeigt aber einmal mehr, wie wichtig Ihre Beratungsleistung für Kunden volkswirtschaftlich ist. Der Fehlschluss, dass diese auch angesichts der von der EU selbst geschaffenen Bürokratie nicht mehr adäquat vergütet werden soll, kann nicht wirklich Grundlage der EU-Finanzmarktregulierung bleiben, da es dem Anlegerschutz zuwiderläuft.“
Drei Jahre später drückt der Europäische Rechnungshof dies auf Basis der zurückliegenden Entwicklung etwas moderater aus (Randziffer 110), liest der EU-Kommission und EIOPA aber unmissverständlich die Leviten: „Das von der Kommission vorgeschlagene Paneuropäische Private Pensionsprodukt (PEPP) hat sich weder als alternative Möglichkeit zur Altersvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger der EU erwiesen noch das Interesse von Anbietern geweckt. Dies ist in erster Linie auf fehlende steuerliche Anreize, die Kostenobergrenze von 1 % und vorhandene Alternativen zurückzuführen.“ Auch der VOTUM Verband hatte vor dem absehbaren Desaster gewarnt, so dessen Geschäftsführender Vorstand Martin Klein: „Der VOTUM Verband hatte bereits zur Einführung des PEPPs darauf hingewiesen, dass es ein Irrweg ist, wenn der europäische Gesetzgeber mit Unterstützung der Aufsicht meint, der bessere Produktentwickler zu sein und auf diesem Weg die soziale Marktwirtschaft in eine Planwirtschaft zu überführen. Letztendlich ist der Bericht des Rechnungshofs ein erneuter Beleg dafür, dass mit einer Vielzahl von regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Maßnahmen in der EU ein ausuferndes bürokratisches Regelwerk geschaffen worden ist, jedoch das Ziel klar verfehlt wurde.“
‚vt‘-Fazit: Mit gesundem Menschenverstand und Berücksichtigung von Praktikerwissen lassen sich sinnvolle Regulierung mit Nutzen für den Verbraucher einerseits und andererseits ideologische Überregulierung, die die Wirtschaft schädigt aber dem Verbraucherschutz nicht dienlich ist, oftmals schnell erkennen. Auf der europäischen und deutschen politischen Bühne finden sich neben Ideologen auch Politiker mit fachlicher Expertise. Da ist es wünschenswert, wenn erstere in den Hintergrund gedrängt werden und Experten mehr in den Vordergrund treten. Ebenso sollte bei Konsultationen und Stellungnahme mehr auf die fachlichen Argumentationen der Berufsverbände geachtet werden und weniger auf die ideologisch geprägten Sichtweisen sogenannter Verbraucherschützer.