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Rhion sieht sich von Versicherungsmaklerpflichten nicht betroffen

Die Rhion Versicherung AG/Neuss bezeichnet sich als „Maklerversicherer“ der RheinLand-Versicherungsgruppe. Doch nun wirft Rhion Versicherungsmakler raus. Nicht, weil diese Versicherungsmakler mit hoher Stornoquote oder vielen Verbraucherbeschwerden negativ aufgefallen sind, sondern weil die erwarteten Neugeschäftsvolumina nicht geliefert wurden. Wie die ‚vt‘-Recherche erbringt, sieht sich Rhion von den Versicherungsmaklerpflichten nach § 60 VVG nicht betroffen: „Hiermit widerrufen wir aus geschäftspolitischen Überlegungen die mit Ihnen geschlossene Courtagezusage form- und fristgerecht“, teilt Rhion verdutzten Versicherungsmaklern mit. Die Verträge sollen bis Mitte 2019 umgedeckt werden, danach werden auch die Kunden rausgeworfen: „Andernfalls werden wir die Verträge zum natürlichen Ablauf kündigen.“ Demnach ist es Rhion egal, dass Verbraucher einen Nachteil erleiden können, bloß weil Versicherungsmakler einen erwarteten Mindestumsatz nicht bringen. Denn wie uns Versicherungsmakler berichten, soll hinter den „geschäftspolitischen Überlegungen“ die Erwartung des ‚Maklerversicherers‘ stehen, dass Versicherungsmakler mindestens 5.000 € Jahresneugeschäft abliefern. Die ‚vt‘-Redaktion hat Lars Fuchs, der zum 01.01.2019 die Gesamtleitung des Maklervertriebs der Rhion übernommen hat, um Stellungnahme gebeten. Warum widerruft Rhion die Courtagezusage, wenn ein Versicherungsmakler nicht mindestens 5.000 € Jahresneugeschäft liefert und gibt es weitere geschäftspolitische Überlegungen für den Widerruf von Courtagezusagen? Die Antwort der Neusser: „Richtig ist, dass wir die Anzahl unserer Maklerverbindungen derzeit reduzieren. Als nach wirtschaftlichen Erwägungen agierendes Unternehmen behalten wir uns vor, bei ausbleibendem Geschäft eine Verbindung zu beenden, wenn Kosten und Betreuungsaufwand dies erfordern.“

Nachvollziehbar ist, dass Kosten und Betreuungsintensität, wenn sie denn vorhanden sind, bei Versicherungsmaklern mit geringem Geschäft runtergefahren werden. Festzuhalten ist, dass Versicherer eine Courtagezusage fristgerecht widerrufen bzw. eine Courtagevereinbarung kündigen können. Von der Seite ist Rhion rechtlich nichts vorzuwerfen. Doch mit Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre mit  ++ dem GDV-Verhaltenskodex, wonach die Bedürfnisse des Kunden in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen sind  ++ den Erwartungen der IDD, dass Versicherer Interessenkonflikte u. a. bei Versicherungsvermittlern vermeiden müssen und  ++ den Versicherungsmaklerpflichten nach § 60 VVG sollte ein anderer Umgang mit Versicherungsmaklern und deren Kunden an den Tag gelegt werden.

Denn wenn ein Versicherungsmakler für bestimmte Mandantengruppen den Zugriff auf Rhion-Produkte per Direktanbindung erhalten muss, stellt eine Mindest-Umsatzerfüllung u. E. einen Interessenkonflikt dar. Wie sich eine Mindest-Umsatzerwartung mit den IDD-Vorgaben und § 48a VAG vereinbart, haben wir Fuchs gefragt. „Interessenkonflikte können wir nicht erkennen. Neben der vereinbarten Courtage gibt es keine zusätzlichen Anreize monetärer Art i.S.d. § 48a VAG“, antwortet Rhion. Richtig ist, dass eine Mindestumsatzerwartung keinen monetären Anreiz darstellt. Jedoch dürfen „Versicherungsunternehmen (…) keine Vorkehrungen durch (…) Verkaufsziele oder in anderer Weise treffen, durch die Anreize für (…) Versicherungsvermittler geschaffen werden könnten (…)“. Da kann der Druck zur Mindestproduktion wie die Vorgabe von Verkaufszielen wirken. Außerdem sollen laut GDV-Verhaltenskodex auch Versicherer die Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen. Zudem erinnern wir Fuchs an § 60 VVG, wonach der Versicherungsmakler verpflichtet ist, „seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grunde zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen“. Diese Pflichten sind bei sinkender Anzahl an Anbindungen schwieriger zu erfüllen. Auch das bügelt der ‚Maklerversicherer‘ einfach ab: „Wir sind als Versicherungsunternehmen nicht Adressat des § 60 VVG.“ Diese Feststellung ist richtig. Aber wenn einen Versicherer die Versicherungsmaklerpflichten einen feuchten Kehricht interessieren, dann ist das ein Alarmsignal.

Die Versicherungsmaklerin Anlage-und Vermögensberatung GmbH/Tönisvorst ist eine der Betroffenen. Deren Geschäftsführer Frank Dufeu ist von dem Verhalten der Rhion enttäuscht: „Ich bin nicht Makler geworden, um mir von einem Versicherer Mindestvorgaben diktieren zu lassen. Dies stellt einen massiven Eingriff in meine unvoreingenommene selbstständige Beratungsleistung dar! Ein ‚Maklerversicherer‘, der Umsatzvorgaben stellt, sich aber als Digitaler Versicherer präsentieren will, das passt nicht. Durch die Digitalisierung der Rhion reduziert das Unternehmen ja bereits erheblich seine Kostenstruktur, indem es viele Prozesse auch auf den Vermittler überträgt. Nun wird hier mit weiterer Kostenersparnis argumentiert. Fragt ein Versicherer eigentlich mal, wie wir als Makler die immer weiter steigenden In House Kosten für Technik etc. finanzieren?“

Rhion will mit ihrem im Oktober 2018 eingeführten neuen Markennamen ‚rhion.digital‘ ihre „digitale Exzellenz“ künftig „stärker vorantreiben“. Versicherungsmakler, die häufiger zu Rhion-Produkten greifen, eine weitreichende Unterstützung, umfassenden Service und eine persönliche, hochqualifizierte Betreuung vor Ort zu gewähren, zugleich Versicherungsmakler mit niedriger Produktion eine sehr niedrige Kosten verursachende Anbindung zu belassen, wäre ein erster Schritt, die Digitalisierung sinnvoll zu nutzen. Damit kommen wir zurück zu „Kosten und Betreuungsaufwand“, die so hoch sind, dass sie einen Widerruf der Courtagezusage „erfordern“. Versicherungsmakler Dufeu hat da andere Erlebnisse: „Faktisch findet keine Unterstützung durch den Maklerbetreuer statt. Im Bedarfsfall, höchst selten, greife ich zum Telefon und stelle ihm ggf. eine Frage. Fahrtkosten und Zeit wurden hier seit Jahren nicht  investiert, da keine MB-Besuche stattgefunden haben. Dieses Argument der Rhion ist ein völliger Flopp.“

‚vt‘-Fazit: ## Versicherungsmakler, denen Rhion die Courtagezusage widerrufen hat, müssen nun die Verträge umdecken, andernfalls wirft Rhion die Kunden raus  ## Versicherungsmakler, die über eine Anbindung an Rhion nachdenken, sollten berücksichtigen, dass Rhion Umsätze erwartet, und wenn diese ausbleiben, die betreffenden Versicherungsmakler rauswirft – mit den entsprechenden Folgen für deren Kunden und Umdeckarbeit  ## Wir haken bei Rhion nach, ob im digitalen Zeitalter Anbindungen von Versicherungsmaklern, die weniger Neugeschäft bringen als erhofft, aber einen Bestand haben, auf niedrigem Kostenniveau erhalten bleiben können – und wenn nein, warum nicht. Mehr dazu in einer der kommenden ‚vt‘-Ausgaben.

 

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