Sind lange Laufzeiten eines Fonds ein Risiko für Privatanleger? So ähnlich äußert sich aktuell die Verbraucherzentrale NRW in einem Rundumschlag gegen direkt investierende Sachwertfonds wie ELTIF: "Mit kleinem Geld groß einsteigen? Vorsicht beim Fondsprodukt ELTIF", so die pauschale Warnung der VZ NRW. Als erstes wird direkt auf das "Risiko 1: Lange Laufzeiten" verwiesen, das nicht nur ELTIF betrifft. Schon dieses Timing der VZ NRW ist aber erstaunlich schräg: Momentan machen vor allem offene Immobilienfonds negative Schlagzeilen, gerade weil sie ihren Investoren kurze Laufzeiten suggerieren und deshalb u. a. durch Anteilsrückgaben bzw. einen Investorenexodus in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Selbst offene Immobilienfonds mit einem halbwegs gesunden Portfolio und z. B. geringem Leerstand geraten dadurch unter Druck und müssen Immobilien zur Unzeit und mit Zusatzkosten verschleudern, um die Welle von Anteilsrückgaben, die sich momentan erst aufbaut, zu bedienen.
In solchen schlechten Marktphasen, die wie aktuell durch einen sprunghaften Zinsanstieg geprägt sind, können geschlossene (Immobilien-)Fonds ihre Trümpfe ausspielen: Sofern nicht gerade Anschlussfinanzierungen mit fremdfinanzierenden Banken anstehen, sind temporäre Preiskapriolen für geschlossene Fonds nur Buchverluste. In der Regel müssen die Immobilien nicht zu Tiefstpreisen verkauft werden, sondern können mit milderen Mitteln durch Krisen gesteuert werden (Aussetzung von Ausschüttungen, Anpassung der Laufzeit etc.). In der Risikoklassifizierung schlägt sich dieser Vorteil von geschlossenen Fonds allerdings nicht nieder: Hier herrscht eine verkehrte aufsichtsrechtliche Welt: Offene Immobilienfonds und z. B. der ELTIF klimaVest werden überwiegend mit der bestmöglichen PRIIPs-Risikoklasse '1' oder auch '2' vertrieben, die Anlegern minimale bis geringe Volatilität vorgaukeln sollen. Geschlossene Publikums-(Immobilien-)Fonds sind dagegen – bis auf eine Ausnahmen (vgl. 'k-mi' 02/23) – in der Risikoklasse '6' gefangen, obwohl Asset und Anlagestrategie grundsätzlich vergleichbar sind. Angesichts der aktuellen Hiobsbotschaften für offene Immobilienfonds (Verluste, Abwertungen, hohe Mittelabflüsse) liegt die Frage auf der Hand, warum diese Ungleichbehandlung überhaupt besteht. 'k-mi' thematisiert diese eklatante Wettbewerbsverzerrung schon länger, auch weil es erhebliches Haftungspotential für Banken birgt, da die Einstufung in die PRIIPs-Risikoklasse '1' für offene Immobilienfonds und z. B. für den klimaVest ernsthafte methodische und aufsichtsrechtliche Zweifelsfragen aufwirft (vgl. 'k-mi' 42, 49, 51/23).
Auch die von 'k-mi' koordinierte BMI/Bundesarbeitsgemeinschaft mittelständischer Investmentpartner hat dazu bereits im Oktober 2023 bei der BaFin eine Eingabe zum "Verdacht auf Verstöße gegen PRIIPs-Vorschriften durch Verwalter offener Immobilien-AIFs" eingereicht. Außer einer kurzen Eingangsbestätigung haben wir dazu seit acht Monaten nichts mehr von der Aufsicht gehört! Ob die BaFin bei dem Thema die Hände in den Schoß legt oder im Tiefschlaf ist, wissen wir natürlich nicht! Aber Bankvertriebe und Institute, die offene Immobilienfonds mit der Risikoklasse '1' als faktisch risikolos verkaufen, sollten sich lieber nicht darauf verlassen, dass diese Risikoklassifizierungen im Detail mit der BaFin abgestimmt sind bzw. von dieser explizit so abgesegnet wurde!
Unsere Warnungen werden aktuell von den Turbulenzen beim UniImmo: Wohnen ZBI bestätigt (vgl. 'k-mi' 26/24). Wir haben der Union Investment hierzu 6 spezifische Fragen gestellt. Der genossenschaftliche Fondsriese antwortete uns in dieser Woche zwar weitschweifig, geht aber nur bzgl. folgender Punkte auf unsere konkreten Fragen ein: ++ Die Einstufung mit '2' sei nicht falsch, aber künftig soll der UniImmo: Wohnen ZBI nicht mehr mit der Risikoklasse '2', sondern nun mit '3' vertrieben werden, so Union Investment: "Die Einstufung als risikoarme Anlage war korrekt und erfolgte im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben. Auf die mit dem Fonds verbundenen Risiken weisen der Verkaufsprospekt, das Basisinformationsblatt (BIB) und die Produktinformation (PIF) von UniImmo: Wohnen ZBI hin. Die Risikoeinstufung des Fonds (gemessen am Gesamtrisikoindikator im Basisinformationsblatt) wird aufgrund der durch die Sonderbewertung gestiegenen Volatilität von Stufe 2 auf 3 ansteigen. Mit Blick in die Zukunft ist festzuhalten, dass das neue Marktgefüge durch die Neubewertung aller Immobilien im Portfolio zum Stichtag eingepreist wurde. Daher gehen wir – sofern es keine weiteren Marktverwerfungen gibt – von einer Beruhigung der Anteilspreisentwicklung aus."
++ Unsere Frage, ob es nun zu einem Dominoeffekt kommt und bei weiteren Investment(sonder-)vermögen der Union Investment in naher Zukunft zu analogen Sonderbewertungen oder ggf. zur Anpassung bei der Risikoeinstufung kommen wird, verneint Union Investment: "Der Gewerbeimmobilienmarkt stellt sich ganz anders als der deutsche Wohnimmobilienmarkt dar. Die aktuellen Herausforderungen am Wohnimmobilienmarkt lassen sich nicht auf die Gewerbeimmobilien übertragen. Dies zeigt sich auch an der Situation der Gewerbeimmobilienfonds von Union Investment. Vier weitere Nutzungsarten, Immobilienstandorte in vielen Ländern und eine lange Produkthistorie über verschiedene Immobilienzyklen zeichnen diese Fonds aus. So weisen alle Gewerbeimmobilienfonds der Union Investment Real Estate GmbH eine positive Wertentwicklung auf und konnten ihre Ausschüttungen im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöhen. Aufgrund der konservativen Bewertung wurde in der Hochphase weniger aufgewertet, weshalb jetzt auch Wertanpassungen moderater ausfallen. Eine Neubewertung ist bei den Gewerbefonds nicht zu erwarten." ++ Die Antwort der Union Investment auf unsere Frage, welche Benchmark der UniImmo: Wohnen ZBI zur Darstellung der Performance-Szenarien verwendet, hat uns aufgrund der Leichtfertigkeit besonders verblüfft: "Zur verwendeten Benchmark: Da es keine offizielle Benchmark gibt, mit der man operieren kann, behilft man sich damit, die Wertentwicklung des UniImmo: Wohnen ZBI mit der Wertentwicklung des UniImmo: Deutschland als Benchmark zu vergleichen.
Unsere Auffassung dazu: Weder der UniImmo: Europa noch der UniImmo: Deutschland taugen u. E. als geeignete 'Benchmark'. Union Investment betont in der Antwort auf unsere Fragen ja gerade die Unterschiede zwischen Wohnen und Gewerbe! Neben diversen anderen Gründen allein schon deswegen, weil beide Fonds nur zu einem verschwindend geringen Anteil in Wohnimmobilien investiert sind (jeweils rund 2,6 %). Gemäß Anhang IV Nr. 16 lit. g) der PRIIPs-RTS muss eine sektorbezogene Übereinstimmung zwischen dem Anlageprodukt und dessen Benchmark bestehen, was hier eindeutig nicht der Fall ist. Der Kardinalfehler ist darüber hinaus natürlich, dass weder der UniImmo: Wohnen ZBI noch seine 'Benchmark' über monatliche Preise verfügen. Wegen der konstanten Wertfortschreibung der Immobilien über drei Monate hinweg werden die Verlustrisiken beim Risikoindikator und den Performance-Szenarien stark unterschätzt. Das sollten die vertreibenden Volksbanken unbedingt beachten: Der UniImmo: Wohnen ZBI hätte u. E. mit Risikoindikator '6' und konservativen Schätzwerten zur Wertentwicklung ausgewiesen werden müssen.
'k-mi'-Fazit: Die BaFin steht bei geschlossenen Fonds bzgl. der Handhabung von Stellvertretern und Benchmarks zum Ausweis einer besseren Risikoklasse als '6' und der Performance-Szenarien mit beiden Beinen auf der Bremse (vgl. 'k-mi' 13/24). Offene Immobilienfonds und ELTIF wie der klimaVest, die ebenso wenig wie geschlossene Fonds eine monatliche Asset-Bewertung vorweisen können, haben aber offenbar sehr viel mehr Spielraum bis hin zur 'Narrenfreiheit' bei der Auswahl ihrer Benchmarks und sonstiger Annahmen zur Bewältigung der PRIIPs-Anforderungen, um die Risikoklasse zu 'tunen' (vgl. auch 'k-mi' 51/23). Wir sind gespannt, was Gerichte demnächst dazu sagen! Alle Anleger, die seit Januar 2023 (Beginn der BIB-Pflicht für Investmentfonds) Fondsanteile erworben haben, können sich u. E. bei diversen offenen Immobilienfonds auf die fehlerhaft berechneten PRIIPs-Kennziffern berufen und nach unserer Überzeugung den gezahlten Kaufpreis gegen Rückübertragung der Anteile zurückverlangen. Wenn das erst einmal die Anlegerschutzanwälte spitz bekommen, wird’s ungemütlich. Wir sind auch mal gespannt, wann wir dazu was von der BaFin oder den Verbraucherzentralen bzw. von den 'Experten' des vzbv hören! Gerade letztere hören ja immer das Gras wachsen, wenn es gegen geschlossene Fonds und Vermögensanlagen geht, sind aber jetzt merkwürdig stumm!