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UK nach Provisionsverbot: Beratungslücke klafft weiter!

Die Politik befindet sich in Großbritannien nach dem angekündigten Rücktritt von Premierminister Boris Johnson aktuell wieder in schweren Turbulenzen. Bei zwei Sachen herrscht in England allerdings große Kontinuität: Seit 70 Jahren regiert die Queen und seit 2013 herrscht durch Einführung des Provisionsverbots eine erhebliche Be­ratungslücke. Und auch die neuesten Daten aus Großbritannien belegen, dass das Provisionsverbot dort entsprechend negative Effekte hat. Dies geht aus den sog. 'Retail Investments Product Sales Data' hervor. 'k-mi' verfolgt diese statistische Datener­hebung der britischen Aufsicht FCA schon länger (vgl. 'k-mi' 05/19, 32/20, 34/21). Die aktuellen Daten aus 2021 zeigen erneut bzw. weiterhin, dass die Beratungsquote in den meisten der neun Retail-Produktgruppen mit insgesamt 30 erfassten Retail-Anlagevehiklen seit Einführung des Provisionsverbots sinkt bzw. teilweise drastisch zurückgeht. Rückschlüsse auf die Beratungsquote sind dadurch möglich, dass die FCA für Neuabschlüsse in den Produktgruppen jeweils gesondert 'Advised-sales' sowie 'Non-advised sales' erfasst. Erstere sind Abschlüsse durch Beratungen; unter 'Non-advised sales' werden Vermittlungen, 'Execution only' und Direktvertrieb erfasst. Folgende Unternehmen müssen Produktabschlüsse bei Privatkunden oder Verbrauchern als 'Retail Investments Product Sales Data' (PSD) an die FCA melden:  ++ Versicherer  ++ Verwalter alternativer Investmentfonds (AIF) oder von Investmentfonds (OGAW)  ++ Betreiber eines Investmentfonds-Sparplans oder eines privaten Altersvorsorgeplans  ++ Emittenten/Verwalter von sonstigen strukturierten Produkten. Im Jahr 2021 lieferten 238 Unternehmen Retail-PSD an die Aufsicht.

Die Daten sprechen eine klare Sprache: In der untenstehenden Grafik (Nr. 1) haben wir anhand der FCA-Daten die Entwicklung der Beratungsquote bei ++ Investmentfonds (Trusts and OEICs) veranschaulicht. In Großbritannien ist demnach die Beratungsquote z. B. bei Investmentfonds vom Maximum 67 % im Jahr 2009 auf mittlerweile nur noch konstante 11–12 % gefallen! Auch wenn sich hier ggf. noch andere langfristige Trends widerspiegeln (mehr Selbstentscheider und höhere Beratungskosten durch Regulierung), ist in der entsprechenden Grafik klar abzulesen, dass die Schere zwischen 'Advised Sales' und 'Non-Advised Sales' erst mit der Einführung des Provisionsverbots ab 2013 aufgeht. Dies ist ein klarer Beleg für das Entstehen einer Beratungslücke in Großbritannien durch das Provisionsverbot!

Diese Tendenz zieht sich durch weitere Produktgruppen:  ++ Bei den Anleiheprodukten (Bonds) gab es vor Einführung des Provisionsverbots eine Beratungsquote von fast durchweg über 90 % . Inzwischen schwankt diese um die 50 % (in 2021 zuletzt 55 %, siehe Grafik 2 links)  ++ Bei 'Personal Pensions' – also der Produktgruppe von diversen Altersvorsorgeprodukten – ist es noch dramatischer: Mit Einführung des Provisionsverbots im Jahr 2013 explodiert die Beratungslücke ('Advice gap') auf ganze zwei Drittel bzw. 66 % (siehe Grafik Nr. 3 unten). Die britische Regierung hatte zwischenzeitlich eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, um diesen fatalen Trend (Altersvorsorge ohne Be­ratung) zu brechen, z. B. Rentenvorschüsse für Honorare oder Steuergutschriften. Am Ende vergeblich: Seit 2018 sinkt die Be­ratungsquote bis 2021 mit 34 % wieder auf den schlechtesten Wert der Statistik seit 2013. Hinzu kommt: Das absolute Wachstum in diesem Segment bei den Neuabschlüssen geht an den Honorarberaten in Groß­britannien vorbei: Der Zuwachs im Neugeschäft bei 'Personal Pensions' geht in absoluten Zahlen fast ausschließlich auf 'Non-advised sales' zurück, im Beratungssegment ist das Neugeschäft in absoluten Zahlen sogar rückläufig. Ob dies langfristig zielführend ist, bezweifeln wir. Zumindest widerlegt es klar, dass sich Anlegerschutz oder Beratungsqualität durch Einführung eines Provisionsverbotes verbessern!

'k-mi'-Fazit: Trotz der erstklassigen Aufbereitung dieser Daten durch die britische Aufsicht lesen Sie z. B. bei 'Verbraucherschützern' wie dem 'vzbv' wenig bis gar nichts über solche Fehlentwicklungen, die handfest empirisch belegt sind. Warum eigentlich nicht? Müssten Verbraucherschützer, die im öffentlichen Auftrag agieren und staatlich finanziert sind, nicht ein objektives und ausgewogenes Bild liefern, anstatt das Provisionsverbot in UK unkritisch abzufeiern? Die Gründe für diese messbaren Fehlentwicklungen sind eine direkte Folge des Provisionsverbots und die damit einhergehenden Verwerfungen auf dem Berater-Markt in Großbritannien. Dies hat auch zuletzt die Evaluierung der FCA zur Finanzmarktreform und zum Provisionsverbot in Großbritannien unter dem Titel 'Eva­luation of the impact of the Retail Distribution Review and the Financial Advice Market Review' ergeben:  ++ Der Markt für Beratung in UK ist wettbewerbsschwach  ++ es gibt formale und faktische Mindestanlagegrenzen für den Zugang zur Beratung  ++ die vermeint­lichen Hoffnungsträger Robo-Advisors sind nur Nischenthema  ++ es herrscht eine geringe Zahlungsbereitschaft bei Honoraren vor bzw. ein Missverhältnis von Zahlungsbereitschaft und marktüblichen Honoraren (vgl. ausführlich 'k-mi' 21/21). Wir halten Sie zur Entwicklung in UK auf dem Laufenden, auch wenn die FCA in Kürze wieder ihre Daten zu den Beratereinkommen ('The retail intermediary sector') veröffentlicht!

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