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vzbv: Stimmungsmache mit nicht rechtskräftigen LG-Urteilen

"Versicherungsvermittler dürfen sich nicht als unabhängig darstellen", titelt der vzbv in einer Pressemitteilung vom 24.10.2023 und bezieht sich dabei auf zwei von ihm erstrittene Urteile (vgl. 'k-mi' 43/23). Wir beleuchten heute die Urteile näher und lassen auch die betroffenen Finanzdienstleister zu Wort kommen!

Denn sowohl Zeitpunkt als auch Inhalt der vzbv-Pressemeldung sind äußerst erklärungsbedürftig: ++ Zunächst ist der per Überschrift kommunizierte Inhalt eine pure Selbstverständlichkeit: Die deutliche Mehrheit der Versicherungsvermittler ist Ausschließlichkeits- oder Mehrfachagent, als solcher an einen oder mehrere Versicherer gebunden und daher per se nicht unabhängig  ++ Zweitens: Die entsprechenden Urteile, auf die sich der vzbv bezieht (LG Köln vom 15.06.2023, Az.33 O 15/23 sowie Landgericht Bremen vom 11.07.2023, Az. 9 O 1081/22), liegen seit mehreren Monaten vor: Warum werden sie erst jetzt vom vzbv öffentlich thematisiert? Wollte der vzbv sie aufgrund ihrer dünnen Aussagekraft erst gar nicht öffentlich verwenden und zieht sie nun vor dem Hintergrund der durch die EU-Kleinanlegerstrategie ausgelösten Debatte um die Unabhängigkeit von Versicherungsmaklern aus der Schublade?  ++ Drittens: Auch auf die Rechtskraft der Urteile kann der vzbv die ganzen letzten Monate nicht bei der Herausgabe der Pressemitteilung gewartet haben. Denn beide Entscheidungen sind nicht rechtskräftig! Darauf weist der vzbv im Text der Pressemitteilung aber nicht hin, sondern nur als versteckter Hinweis am Download-Link  ++ Viertens: Die Berufungen gegen die beiden Entscheidungen sind längst eingelegt. Auch darauf weist der vzbv mit keiner Silbe hin  ++ Fünftens: Obwohl die Urteile nicht rechtskräftig sind und vermutet werden darf, dass dem vzbv die Berufungen bekannt sind, werden die Namen der Beklagten veröffentlicht. Eine Prangermaßnahme gegen 'mittelständische' Vermittler, die wir für völlig überzogen halten.

Widmen wir uns nun mit dem LG Köln der ersten Entscheidung: Dem dort beklagten Versicherungsmakler wurde mit dem Urteil untersagt, "im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern eine Versicherungsberatung ohne Vermittlungsziel anzubieten, ohne über eine Zulassung nach § 34d Abs. 2 GewO zu verfügen". Laut LG Köln soll der Makler gegen die Vorschrift des § 34d Abs. 3 GewO verstoßen haben. Bei dem sog. Tätigkeitsverbot in § 34d Abs. 3 GewO handelt es sich laut LG Köln um eine Marktverhaltensregelung: "Wer als Versicherungsvermittler tätig ist, darf nicht als Versicherungsberater tätig sein und umgekehrt." Das angebliche 'Corpus Deliciti': "Der Beklagte (...) bietet an, als Versicherungsmakler oder als Versicherungssachverständiger tätig zu werden. Die Hinweise zur Vergütung, wonach die 'Beratung und Vertragsvermittlung durch den Versicherungsmakler (... ) durch eine Courtage abgegolten' sei, 'die Beratung ohne Vermittlung durch den Versicherungssachverständigen [...] durch eine Honorarvereinbarung' erfolge, stellt beide Tätigkeitsfelder nebeneinander."

Anders als in der Pressemitteilung vom vzbv suggeriert, äußert sich das LG Köln in diesem Einzelfall also gar nicht konkret oder grundsätzlich zu der Frage, ob sich z. B. Versicherungsmakler als "unabhängig" bezeichnen dürfen, noch was Provisionen dabei für eine Rolle spielen. Auf Anfrage erklärt der betroffene Versicherungsmakler – Die Finanzprüfer e. K. – Walter Benda/Kerpen – gegenüber 'k-mi' demnach auch: "Die Pressemitteilung des vzbv ist sehr sportlich, denn ich wurde nur wegen eines Satzes abgemahnt, der Klarstellung, dass eine Beratung auch ohne anschließend zwingende Vermittlung erfolgen kann. Die reine Aussage, dass kein Kaufzwang besteht wurde mir als unerlaubte Tätigkeit eines Versicherungsberaters unterstellt. Eine etwaige Abhängigkeit eines Versicherungsmaklers aufgrund von Provi­sionen war nie streitgegenständlich, sondern wurde nur als Argument durch die vzbv aufgeführt." Gleichzeitig weist Versicherungsmakler Benda darauf hin, dass er bereits – vertreten durch RA Daniel Berger, Kanzlei Wirth Rechtsanwälte/Berlin – vor dem Oberlandesgericht Köln Berufung eingelegt hat. 

Um einen ganz anderen Sachverhalt ging es beim Urteil des LG Bremen aus dem Juli 2023, dem zweiten Urteil, auf das der vzbv sich in seiner Pressemitteilung vom 24.10.2023, also mehr als drei Monate später bezieht. Dem Unternehmen wird dort vom LG Bremen auferlegt, es zu unterlassen auf der Internetseite gegenüber Verbrauchern beim Angebot von Finanzdienstleistungen als Anlageberater oder Versicherungsmakler mit folgenden Formulierungen zu werben: "'Wir bieten bundesweit produktunabhängige Beratung an.' und/oder 'Wir bieten bundesweit eine unabhängige Beratung zu folgenden Themen:' (…)" Der Unterlassungsanspruch des vzbv stützt sich darauf, dass angeblich "eine irreführende geschäftliche Handlung" vorliege: "Nach den eigenen Angaben der Beklagten im Impressum ihrer Internetseite verfüge die Beklagte über eine Zulassung nach § 34f Abs. 1 GewO und gerade nicht nach § 34h GewO (…) Daher könne sich nach Auffassung des Klägers allenfalls der Honorar-Anlagenberater als unabhängig bezeichnen, der Finanzanlagenvermittler hingegen nicht, und zwar auch dann nicht, wenn er in Einzelfällen anstatt oder neben einer Provision sein Honorar vom Anleger erhalte. Abgrenzungskriterium sei eben die Unabhängigkeit."

Das LG Bremen folgt dem insoweit, "weil auch unter Berücksichtigung des Gedankens aus § 94 WpHG 'Unabhängigkeit' nach den Regelungen in § 34f Abs. 1 GewO und § 34h GewO eine Unabhängigkeit nur im Falle des Honorar-Anlagenberaters im Sinne von § 34h GewO angenommen werden kann und nur er sich als unabhängig bezeichnen kann. Der Finanzanlagenberater kann dies dagegen nicht, auch wenn er in Einzelfällen anstatt oder neben einer Provision sein Honorar vom Anleger erhält". Die Betonung liegt hier u. E. auf der Spekulation "angenommen werden kann". Hintergrund: Im Kapitalanlagebereich gibt es seit dem 2. FiMaNoG einen formalen bzw. aufsichtsrechtlichen Bezeichnungsschutz für Wertpapierdienstleistungsunternehmen hinsichtlich der Bezeichnung "unabhängig" (§ 94 WpHG). In der GewO gibt es dazu beim § 34f und h allerdings keine direkte Entsprechung.

Daher wird auch hier die nächste Instanz entscheiden müssen: Wie uns der im Fall des LG Bremen betroffene Finanzdienstleister – die Finanzberatung Schorn GmbH/Bremen – auf Anfrage mitteilt, habe man "in Abstimmung mit dem AfW Bundesverband Finanzdienstleistung vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen Berufung gegen das Urteil eingelegt". Gegenüber 'k-mi' erläutert GF Thomas Mitroulis von der Finanzberatung Schorn dazu: "Die Vielzahl der Kundendepots wird bei der FIL Fondsbank geführt, dort haben wir Zugriff auf mehr als 7.800 Investmentfonds namhafter Fondsgesellschaften und Fondsboutiquen. Von einer unabhängigen Beratung – gleich, ob im Finanzanlagen- oder Versicherungsbereich – wird der durchschnittliche Verbraucher nach unserer Auffassung lediglich erwarten, dass der Berater keinen rechtlichen oder zumindest faktisch vermittelten Verpflichtungen gegenüber dem Produktanbieter/Versicherer unterliegt – wie dies z. B. bei einem Ver­sicherungsvertreter, einem Bankberater oder einem gebundenen Vertreter nach § 2 Abs. 10 KWG/§ 3 Abs. 2 WpHG der Fall ist –, und ausschließlich im Interesse des Kunden tätig wird." Durch eine Provisionszahlung, so Mitroulis, "wird die Finanzberatung Schorn nicht abhängig – zumal die Zahlung wirtschaftlich sogar durch den Kunden erfolgt." Man biete den Kunden grundsätzlich zwei verschiedene Vergütungsmodelle an: "Sie haben die Wahl zwischen traditionellen Provisionsmodellen bis hin zu Honorar-Modellen in denen wir keine Provisionen erhalten", ergänzt Mitroulis.

'k-mi'-Fazit: Die beiden Urteile sind vor dem geschilderten Hintergrund alles andere als "richtungs­weisend", wie der vzbv behauptet, wohl auch um die Frage der Unabhängigkeit auf das Thema der Provisionen zu verengen. In Sachen 'Unabhängigkeit' gibt es nun also eine Wiedervorlage vor dem OLG Köln und OLG Bremen. Bis zur weiteren Klärung raten wir allerdings dazu, Aussagen, die sich auf die eigene Unabhängigkeit beziehen, zu überprüfen, um sich keinen unnötigen Ärger einzuhandeln. Sollte die OLG-Entscheidungen zu einem anderen Ergebnis kommen als die Vorinstanzen, sind wir gespannt, ob es dann auch wieder eine große Pressemitteilung des vzbv gibt!

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