Pressemitteilungen 'k-mi'-Verlag

EU-Vertriebsstudie enthüllt Kehrseite des Provisionsverbots

Die EU-Kommission hat eine ausführliche Studie veröffentlicht über 'Vertriebssysteme für Retail-Anlageprodukte in der Europäischen Union'. Die Studie vergleicht in 15 EU-Ländern vor allem das Angebot von Anlageprodukten über verschiedene Vertriebskanäle und den Zugang zur Finanzberatung durch Privatanleger. Da die Studie auch Gegenstand einer mündlichen Anhörung der EU-Kommission Ende Juni war, greifen wir die wichtigsten Punkte heraus: Die besondere Würze der Studie liegt zudem darin, dass sich unter den 15 untersuchten Vertriebssystemen von Mitgliedstaaten auch diejenigen von Großbritannien und den Niederlanden befinden, die seit einigen Jahren mit Provisionsverboten für Retail-Anlageprodukte experimentieren. Liefert die aktuelle Studie nun also auch Erkenntnisse, ob und wie ein Provisionsverbot wirkt? Glaubt man Verbraucherschützern wie der vzbz, dann herrscht beim Thema Anlegerschutz in Deutschland tiefstes Mittelalter, während in Großbritannien – und neuerdings auch in Holland – das Anleger-Paradies Einzug gehalten hat. 'k-mi' hat in der Vergangenheit jedoch schon mehrmals aufgezeigt, dass es hierfür keine empirischen Belege gibt (vgl. 'k-mi' 51/15, 11/16, 18, 28, 40/17).

Gibt es denn nun mit der aktuellen Studie, die durch das Beratungsunternehmen Deloitte durchgeführt wurde, Hinweise auf die Segnungen eines Provisionsverbots? Um es kurz zu machen: Nein! Die EU-Kommission fasst die Studien-Ergebnisse zu dieser Frage selbst wie folgt zusammen, wobei die Terminologie der 'nicht-unabhängigen' Beratung die Provisionsberatung bezeichnet: "Die breit angelegte Studie zeigt auch, dass die Beratung durch nicht unabhängige Berater wie Banken und Versicherer für den durchschnittlichen europäischen Anleger die Norm bleibt." Dies bedeutet also, dass auch in Großbritannien und in den Niederlanden – trotz des Provisionsverbotes und entgegen der Behauptungen von Verbraucherschützern – Anlegerschutzwunderdinge ausgeblieben sind, da Honorarberatung bislang EU-weit kaum eine Rolle spielt. Was ist dann aber in UK und bei den Nachbarn in Holland wirklich durch ein (Teil-)Verbot von Provisionen passiert?

Als Antwort widerlegt die Studie die oft von Verbraucherschützern gestreute Behauptung, dass der durch ein Provisionsverbot entstehende Beratungsbedarf 1:1 durch sog. 'nicht-abhängige' Beratung ersetzt werden kann! Dies ist die Hauptursache der sog. Beratungslücke bzw. des 'Advice Gap', die sich für Normalverdiener gerade in der weiterhin akuten Niedrigzinsphase als fatal erweisen dürfte. Zur Methode der Studie: Die Studie nennt zwei Hauptinformationsquellen: In zehn der 15 EU-Staaten wurden 500 sog. Testkäufe (Mystery Shops) bei Banken, Versicherungen, Beratern und Robo-Advisern durchgeführt. Zudem erfolgte eine Internet-Recherche über Investmentprodukte bei den jeweils größten Vertrieben und Finanzdienstleistern der jeweiligen 15 Länder.

Wie nicht anders zu erwarten war, ergibt sich aus der Studie, dass Produkte, Portfolien, Dokumentation und Vertriebswege in den 15 untersuchten EU-Staaten sich teilweise erheblich unterscheiden. Gemeinsamkeiten gibt es jedoch bei den gängigsten Anlageprodukten, die den Privatanlegern im all-gemeinen in den Mitgliedstaaten angeboten werden, denn dies sind in aufsteigender Reihenfolge Aktienfonds, Rentenfonds und Mischfonds. Die Verfügbarkeit von ETF, originären Altersvorsorgeprodukten und Lebensversicherungen ist dagegen wesentlich länderspezifischer. Das Produktangebot von Robo-Advisern sei bis auf wenige Ausnahmen zudem auf ETF beschränkt. Bei den angebotenen Produkten handelte es sich hauptsächlich um sog. 'Inhouse'-Investmentfonds, also konzerneigene Produkte. Hier offenbart sich das erste größere methodische Problem der Studie: Offenbar haben die ca. 50 durchgeführten 'Mystery Shops' pro Land nur bei größeren Banken und Instituten stattgefunden, die mit (eigenen) Fondsanbietern verflochten sind. Die bpsw. für Deutschland typische Vertriebslandschaft z. B. über Pools und freie Vermittler wird damit keinesfalls korrekt widergespiegelt und erlaubt daher auch keinen Rückschluss auf die Situation in Deutschland!   

Das zweite größere Ergebnis der Studie betrifft den Kostenkomplex und lautet gemäß den Studienautoren (übersetzt) wie folgt: "Im allgemeinen zeigen unsere Daten, dass ein Privatanleger potenziell großen Gebührenunterschieden zwischen den verschiedenen Händlern für jede Art von untersuchtem Anlageprodukt ausgesetzt ist. Darüber hinaus sind die Gebühren für die gleiche Kategorie von Anlageprodukten in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich." Die Situation in Großbritannien und Holland ist jedoch besonders zu betrachten, wie in der Studie betont wird: "Von den Mitgliedstaaten haben die Vertriebsgesellschaften in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich offenbar die niedrigsten laufenden Gebühren für alle Arten von Fonds. Dies hängt möglicherweise mit dem Verbot von Zuwendungen zusammen, das dazu geführt hat, dass Vermittler ihre Beratung aufgegeben haben (Hervorhebung durch die Redaktion) und den Verbrauchern durch ihren reinen Online-Kanal mehr kostengünstige Optionen angeboten haben."

Die aktuelle Studie bestätigt damit auch empirisch, was Verbraucherschützer oft leugnen: Ein Provisionsverbot führt zu einer Beratungslücke! Der Vorteil von angeblich geringen Fondskosten in den Niederlanden und UK ist zudem trügerisch: In der Studie werden die Upfront-Honorare und laufenden Kosten der Honorarberatung in UK und NL zwar kurz erwähnt, aber nicht berücksichtigt, so dass ein wirklicher Kostenvergleich anhand der Studie gar nicht möglich ist bzw. zu Lasten der Provisionsberatung verzerrt ist. Zudem schränken die Studienautoren das Lob der geringen Kosten wieder merklich ein und dämpfen die Digitalisierungs-Euphorie: "Das Verbot von Zuwendungen in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich war ein starker Treiber für Fonds-Supermärkte, Online-Broker und Online-Investmentplattformen von etablierten Anbietern. Generell zeigen Fonds-Supermärkte und Online-Broker geringere Investitionskosten. Aufgrund der komplexen Kostenstruktur, die auf den Websites von Fondssupermärkten und Online-Brokern zu finden ist, muss ein Kleinanleger jedoch sorgfältig prüfen, ob er alle relevanten Kosten und Gebühren ermittelt hat." Bezüglich Deutschland ordnet der deutsche Fondsverband BVI gegenüber 'k-mi' die Ergebnisse der Deloitte Studie wie folgt ein: "Die Angaben zu den Ausgabeaufschlägen der Fonds in Deutschland basieren auf den maximalen Beträgen. In der Praxis zahlen Anleger aber oft nur einen Teil davon. Das Ergebnis zu den laufenden Kosten deckt sich mit unserer Analyse aktiv gemanagter Fonds auf Basis von Morningstar-Daten. Demnach bewegen sich die laufenden Kosten der in Deutschland vertriebenen Fonds im europäischen Mittelfeld."

Unabhängig von den Kosten sieht die Studie damit allerdings den eindeutigen Effekt, dass die Provisionsverbote das Beratungsangebot teilweise drastisch reduzieren und aus Kleinanlegern überwiegend unfreiwillige Selbstentscheider oder Versuchskaninchen für ggf. unausgegorene und unerprobte FinTechs machen: Die neuen Vorschriften in England und den Niederlanden "hatten erhebliche Auswirkungen auf die nationale Investitionslandschaft und führten zu einer Verlagerung des Anlegerverhaltens von der Beratung durch Banken und Versicherer zu Kleinanlegern, die entweder selbst über Online-Anlageplattformen Anlageentscheidungen treffen oder sich durch IFA beraten lassen." Gerade in den Niederlanden ist dieser Effekt besonders stark laut Studie: "In den Niederlanden wurden Mystery-Shopper systematisch auf die Websites der Institutionen umgeleitet, wo sie eigenständig im Execution-Only-Modus investieren konnten", heißt es dort zu den Testanlegern.

'k-mi'-Fazit: Wenn Sie sich gewundert haben, dass diese aktuelle Studie der EU-Kommission wenig öffentliche Resonanz gerade in Verbraucherschützerkreisen hervorgerufen hat, dann kennen Sie nun den Grund: Die Erkenntnisse der Studie liefern mehr Argumente gegen ein Provisionsverbot als dafür. Belege für eine Verbesserung der Beratung durch ein Provisionsverbot liefert die Studie nicht, dagegen aber zahlreiche empirische Belege für das Entstehen einer Beratungslücke u. a. mit völlig unerforschten Auswirkungen für Durchschnittsanleger durch das Hantieren mit sog. 'Robo-Advisern'. Die unverantwortliche Schwarz-Weiß-Malerei, dass Provisionsberatung praktisch Kundenverrat, während Honorarberatung völlig frei von Interessenkonflikten sei, muss im Interesse des Anlegerschutzes aufhören.

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