Wie der Bundesrat ‚kapital-markt intern‘ auf Anfrage vorab bestätigt hat, wollen alle drei befassten Ausschüsse die Einbringung einer Bundesratsinitiative des Landes Hamburg zur Begrenzung der Anlagesummen bei Vermögensanlagen in den Deutschen Bundestag empfehlen. Sofern der Bundesrat in seiner Plenarsitzung am 28.10.2022 der Empfehlung seiner Ausschüsse (Finanzen, Umwelt, Wirtschaft) mit absoluter Mehrheit folgt, landet der Hamburger Vorstoß (BR-Drs. 428/22) also im Bundestag.
Bei den Hamburger Plänen, die von der Verbraucherschutzsenatorin Anna Gallina der Grünen initiiert wurde, geht es darum, bei Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagengesetz/VermAnlG eine „generelle Deckelung der Anlagesummen je Investment entsprechend der individuellen Vermögenslage“ auf 1.000 € einzuführen! Für höhere Beträge sind entsprechende Nachweise und Selbstauskünfte erforderlich, maximal sollen aber nur 25.000 € pro Investment möglich sein.
Todesstoß statt Vorstoß
Betroffene Unternehmen, die u. a. in der von ‚k-mi‘ koordinierten BMI/Bundesarbeitsgemeinschaft mittelständischer Investmentpartner zusammengeschlossen sind, weisen darauf hin, dass dieser Plan, Vermögensanlagen faktisch mit Crowdinvestments gleichzustellen, „der kostenmäßige Todesstoß für Vermögensanlagen“ wäre. Grund: Die durchschnittlichen Zeichnungssummen je Anleger würden durch die 'Hamburger Deckelung' dramatisch fallen. Die Folge: Unnötige Platzierungsrisiken für Anleger entstehen, und Projekte mit höheren Gesamtvolumina werden deutlich schwieriger zu finanzieren sein. Durch die niedrigeren Zeichnungssummen und die in Folge geringeren Investitionsvolumina werden Möglichkeiten zur Risikostreuung/Diversifikation bei der jeweiligen Beteiligung dadurch eingeschränkt, dass in weniger verschiedene Assets investiert werden kann (bspw. statt drei Windrädern kann nur noch eines erworben werden).
Damit läuft der Antrag des Landes HH auf einen prohibitiven Worst-Case hinaus: Faktisch werden prospektpflichtige Vermögensanlagen vertrieblich gleichgestellt mit nicht-prospektpflichtigen sog. Schwarmfinanzierungen bzw. Crowdinvestments. Die Emission und Konzeption von prospektpflichtigen Vermögensanlagen ist aber aufwendiger als bei Schwarmfinanzierungen, nicht zuletzt durch die umfangreiche Prospekterstellung, die aber durch ihre Schaffung von Transparenz eine herausragende anlegerschützende Funktion hat. Diese ist mit der Deckelung von Anlagebeträgen in Zukunft gefährdet: Durch die willkürliche Begrenzung des Vertriebspotentials dürften prospektpflichtige Emissionen von Vermögensanlagen künftig wirtschaftlich im äußersten Fall überhaupt nicht mehr darstellbar sein. Auch dies führt zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Anlegerschutzes, da Ausweichbewegungen in prospektfreie und damit schwächer regulierte und weniger transparente Segmente zu erwarten sind.
Auch Erneuerbare leiden
Weitere Nachteile, auf die die BMI verweist:
Vermögensanlagen nach VermAnlG hatten in der Vergangenheit einen erheblichen Anteil an der Finanzierung von Erneuerbaren Energien: Allein in den Jahren 2016–2021 wurden 1,81 Mrd. € nur von Privatanlegern mittels prospektpflichtiger Vermögensanlagen in Erneuerbare Energien investiert. Darin sind sog. Bürgerenergiebeteiligungen und institutionelle Mittel, die mittels Vermögensanlagen platziert wurden, noch gar nicht enthalten (Weitere Details kann man der ausführlichen ‚k-mi‘-Platzierungsstatistik entnehmen)
Die Bedeutung von Vermögensanlagen für das Segment der Erneuerbaren Energien ergibt sich auch aus den Jahresberichten der BaFin. Dort werden die Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte jährlich nach Anlageobjekten auswertet. Vermögensanlagen, die in Windkraft, Solar sowie in sonstige Energien (z. B. Wasser, Blockheizkraftwerke) sowie in die Holzbewirtschaftung investieren, machen gemäß BaFin-Statistik rein von der Anzahl her – anders als bei Crowdinvestment – mindestens jeweils die Hälfte der Angebote aus. Der Hamburger Vorstoß würde also die nach dem Atomausstieg äußerst dringlichen Ausbauziele für Erneuerbare Energien, die ohnehin ambitioniert erscheinen, zusätzlich erschweren.
Auch ist keine Notwendigkeit einer solchen Deckelung von Anlagesummen ersichtlich: Eine erneute Regulierung nach der jüngsten Novellierung des VermAnlG durch das erst kürzlich verabschiedete Anlegerschutzstärkungsgesetz ist nicht erforderlich. Anleger sind insbesondere durch das Erfordernis einer Anlagevermittlung bzw. Anlageberatung und die damit einhergehenden Aufklärungspflichten ausreichend geschützt. Außerdem wurde das Schutzniveau für die Anleger durch das Verbot von Blind-Pools sowie die Einführung einer unabhängigen externen Mittelverwendungskontrolle erhöht.
Die Behauptung des Hamburger Gesetzesantrags, „das im VermAnlG regulierte Kapitalmarktsegment werde staatlich nicht beaufsichtigt“, ist ebenfalls nicht zutreffend. Es findet eine Prüfung des Verkaufsprospekts und des Vermögensanlagen-Informationsblattes durch die BaFin statt, die sich auf die Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit bezieht. Darüber hinaus prüft die BaFin regelmäßig im Rahmen der ihr bei der sogenannten ‚Produktintervention‘ eingeräumten Befugnisse alle Gesichtspunkte des Anlegerschutzes von Vermögensanlagen. Konkret bedeutet dies, dass die BaFin explizit ermächtigt ist, die EU-weit gültigen Vorschriften und Maßnahmen für die Produktintervention für Finanzprodukte auch bei Vermögensanlagen anzuwenden. Die Behauptung des Gesetzes-Antrags einer angeblich fehlenden staatlichen Aufsicht ist demnach unbegründet!