vt – Aktuelle Themen

Allianz-Fahnder im Maklerunternehmen

Montagmorgen acht Uhr, es klingelt an der Tür des Maklerbüros. Zwei an Beamte erinnernde Männer begehren Einlass, es stehe eine Überprüfung an. Alle Dokumente zu Verträgen sind wichtig, auch der PC ist von Interesse. Was sich anhört, als ob die Steuerfahndung zuschlägt, entpuppt sich aber als Kontrolle des Maklerunternehmens durch Mitarbeiter der Allianz.

Dies ist zwar keine Schilderung eines aktuellen Vorfalls, indes könnte so die Zukunft aussehen. Denn der Münchner Versicherungskonzern knallt Versicherungsmaklern aktuell einen Nachtrag zur Courtagezusage zwecks „Umsetzung des Verhaltenskodex für den Vertrieb von Versicherungsprodukten“ auf den Tisch. Mit blumigen Worten erläutert die Allianz die Bedeutung von Ausbildungsqualität und Weiterbildung sowie der Einhaltung gesetzlicher und unternehmensinterner Regelungen.

Hoffen muss man, dass bei der Allianz auch schon vorher datenschutzrechtliche Belange eingehalten wurden (und nicht etwa Allianz-Vertreter noch Zugriff auf Kundendaten hatten, obwohl bereits Makler mandatiert waren) und Umdeckungen von Personenverträgen kritisch beleuchtet wurden (und nicht etwa mit millionenschweren Provisionsvorschüssen die berüchtigte MEG AG (vgl. ‚vt’ 42/11) gefüttert und regelmäßig ‚gedrehte’ KV-Verträge angenommen wurden).

Was im Allianz-Schreiben salbungsvoll so klingt, als sei es einem Qualitätsmanagementhandbuch zur DIN EN ISO 9000 ff. entnommen, mündet in einem „Basis-Kodex für Versicherungsvermittler“, der dem GDV-Verhaltenskodex (vgl. u. a. ‚vt’ 30/13) stark ähnelt, und nun zur „Geschäftsgrundlage unserer Zusammenarbeit“ werden soll. Zusammengefasst, aber auf 10 Punkte ausgewälzt, sind es eigentlich gesetzliche Regelungen, denen Sie als Versicherungsmakler ohnehin unterliegen und aufsichts-, haftungs- oder strafrechtlich bei Verstößen im Boot sitzen.

Die Krux: Die Allianz fordert keine Bestätigung, sondern geht offenbar davon aus, dass der Nachtrag ohne Widerspruch Geltung erlangt. Der Hammer: „Im Fall von Kundenbeschwerden“ schreibt die Allianz sich das Recht zu, dass sie „die Beachtung des Kodex in der täglichen Vertriebspraxis überprüfen“ wird.

Freilich wollten wir von der Allianz (u. a.) wissen  ++ mit welchen konkreten Maßnahmen diese bei Ihnen eine Überprüfung auf Beachtung der Kodex-Regelungen „in der täglichen Vertriebspraxis“ vornimmt  ++ warum es aus Sicht der Allianz erforderlich ist, für Versicherungsmakler geltende gesetzliche Regelungen nochmals in einem „Basis-Kodex für Versicherungsvermittler“ aufzuführen und diesen zur Geschäftsgrundlage zu erklären  ++ wie nach Auffassung der Allianz der Nachtrag rechtliche Gültigkeit als Geschäftsgrundlage der Zusammenarbeit erlangt und  ++ ob die Allianz bei einem Widerspruch die Courtagezusage kündigt.

Dazu haben wir die für den Maklervertrieb verantwortlichen Vorstandsmitglieder Dr. Karl-Walter Gutberlet (Sach) und Dr. Thomas Wiesemann (LV und KV) um Stellungnahme gebeten. Auf die präzisen und klaren Fragen heißt es von der Allianz: „Wir haben unser Verfahren mit unseren Wirtschaftsprüfern abgestimmt. Unser internes Maßnahmenpaket zum Verfahren steht im Einklang mit den unverbindlichen Auslegungsrichtlinien des Verhaltenskodexes für den Vertrieb des GDV. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an den GDV.“

Freilich bitten wir den GDV, uns zu erläutern, bspw. mit welchen Maßnahmen die Allianz Makler überprüfen und ob die Allianz bei einem Widerspruch die Courtagevereinbarung kündigen wird. Wenngleich wir uns fragen, was die anderen Versicherer als Mitgliedszahler des GDV dazu sagen, dass in Berlin die Presseaußen- oder Hauptstelle der Allianz sitzt. Neugierig sind wir auch, was es mit den „unverbindlichen Auslegungsrichtlinien des GDV-Verhaltenskodexes“ auf sich hat. Bisher hatten wir den Kodex so verstanden, dass Mitgliedsunternehmen freiwillig beitreten können, sich im Falle des Beitritts das Versicherungsunternehmen dann aber verbindlich an die Regelungen halten muss.

Was Unverbindlichkeit offensichtlich bedeutet, macht die Allianz mit weiteren Infos im Januar an die Makler deutlich. Denn kürzlich informierte der ‚Allianz Zentralbereich Maklervertrieb‘ die Makler-Geschäftspartner über eine „attraktive Vergütung in 2014“ per „Sonderförderung für Risiko und kapitalmarktnahe Produktgruppen“.

Ab einer Bewertungssumme von 500.000 € im gesamten Neugeschäft 2014 erhält der Makler 4 ‰ Zusatzvergütung auf Neuabschlüsse von Risiko- und kapitalmarktnahen Produkten. Indes beleuchtet der Basiskodex mit Punkt neun Sondervergütungen kritisch, und analog schreibt der GDV-Verhaltenskodex (ebenfalls Punkt neun), dass „umsatzbezogene Zusatzvergütungen“ die „Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers tangieren“ sowie „das Kundeninteresse beeinträchtigen können“ (aber freilich nicht dürfen). Als uns die Allianz-Sondervergütungs-Vereinbarung auf den Tisch flattert, haken wird dort umgehend nach, woraus sich aus Sicht der Allianz ergibt, dass dennoch das Kundeninteresse nicht beeinträchtigt wird.

Die Antwort: „Unsere Vergütungssysteme entsprechen den Anforderungen des GDV Verhaltenskodex. Mit einer Sonderförderung von Produktgruppen – nicht von spezifischen Produkten – ab einer bestimmten Größenordnung geben wir Synergievorteile an Makler weiter. Damit wird weder die Unabhängigkeit des Maklers, noch das Kundeninteresse beeinträchtigt.“ Überschlägig berechnet müsste ein Makler 14 Verträge à 100 € Monatsbeitrag à 30 Jahre Laufzeit in 2014 vermitteln.

Unter Berücksichtigung eines kundenindividuellen Bedarfs, der zahlreichen Versicherer und vielen Tarife sowie des aktuellen Verbraucherverhaltens dürfte es für eine deutliche Mehrzahl der Maklerbetriebe nicht realistisch sein, die geforderten 500.000 € Bewertungssumme bei der Allianz zu platzieren, ohne dabei das Kundeninteresse zu vernachlässigen. Bei durchschnittlich 4 % Courtage auf die Bewertungssumme sind 4 ‰ ein Anreiz von 10 % höherer Vergütung und bei Erreichen der ‚förderungswürdigen’ Bewertungssumme ein Zusatzverdienst von 2.000 €.

Im Gegensatz zu fonds- und indexgebundenen Produkten wird für das klassische Geschäft keine Sonderförderung gezahlt – an der traditionsreichen KLV hat die Allianz offenbar kein Interesse mehr. Und das ist keine Vertriebssteuerung? Die Allianz mag „Synergievorteile“ nennen, für uns ist es gesteuerte Verkaufsförderung. Wir plädieren dafür, dass die Allianz die Courtagen um 4 ‰ erhöht – ab dem ersten Vertrag.

‚vt’-Fazit: ++ Kundenbeschwerden können vorkommen, ohne dass Ihnen als Makler tatsächlich ein Vorwurf zu machen ist. Unter welchen Umständen die Allianz Beschwerden als Anlass zu einer Praxisüberprüfung nimmt, bleibt ebenso intransparent wie die Verfahren selbst, mit denen die Allianz Ihre „tägliche Vertriebspraxis überprüfen“ wird.

Auf unsere konkreten Fragen bleiben die Münchner die Antwort schuldig. Wir werten das Vorhaben als unberechtigten Eingriff in den Gewerbebetrieb des freien, selbstständigen und unabhängigen Versicherungsmaklers. Wer nicht riskieren will, dass die Allianz-Fahnder plötzlich vor der Tür stehen, wird aber dem Nachtrag zur Courtagezusage zeitnah widersprechen müssen, andernfalls dürfte sie tatsächlich Geschäftsgrundlage für die zukünftige Zusammenarbeit werden.

++ Das ist schon pervers: Makler mit Zusatzvergütungen verführen darf man. Bringt er reichlich Geschäft, nimmt der Versicherer es an und freut sich über Umsätze. Werden Medien aufmerksam, dass ein Vermittler tatsächlich unseriös gearbeitet hat, zückt der Versicherer die vereinbarten Geschäftsunterlagen und wäscht seine Hände in Unschuld. Unter dieser Betrachtung ist das Vorgehen an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten.

++ Wir bleiben für Sie am Ball, wie unverbindlich-verbindlich sich die dem GDV-Verhaltenskodex beigetretenen Versicherer an diesen auch halten müssen. Feigenblätter werden früher oder später von den Verbrauchermedien entlarvt, dann steht der nächste Skandal ins Haus. Unter dem haben dann wieder alle zu leiden, insbesondere Sie als Vermittler.

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