vt – Aktuelle Themen

Bei AXA sollen Versicherungsmakler für untätige Vertreter Ausgleich zahlen

Entscheidet sich ein Versicherungsnehmer, bspw. weil er unzufrieden ist mit seinem Vermittler, einen Versicherungsmakler zu mandatieren, dann ist das eine eindeutige Willensäußerung, wem der Verbraucher nun das Vertrauen schenkt und von wem er beraten und betreut werden möchte. Bei kundenorientierten Unternehmen stehen die Kunden getreu dem Motto ‚Der Kunde ist König‘ im Mittelpunkt.

Nicht so bei der AXA Konzern AG. Hier arbeitet man immer noch mit Schutzabkommen für die Ausschließlichkeitsvertreter. Der Wille des Kunden ist, so als ob es IMD und § 1a VVG nicht gibt, offensichtlich weit weniger wichtig als das finanzielle Wohlergehen der von der Betreuung entbundenen AO.

Ein aktueller Fall: Versicherungsmakler Bernd Hägele, Geschäftsführer der Versicherungen Hägele GmbH/Böbingen, erhielt im Mai von einer Mandantin den Auftrag zur Betreuung eines Krankenversicherungsvertrages bei der AXA. Die Versicherungsnehmerin war unzufrieden mit dem AXA-Vertreter. Die Bestandsübertragung wurde direkt angezeigt. Zugleich bat der Versicherungsmakler um Stellungnahme zu einer eingereichten Behandlungsrechnung. Eine Eingangsbestätigung des Übertragungswunsches erhielt der Versicherungsmakler zwar am selben Tag, doch anschließend gab es über zwei Monate keine weiteren Informationen von AXA.

Mitte Juli schaltete Hägele seinen Maklerbetreuer ein. AXA teilte dem Versicherungsmakler schließlich mit, man habe das Maklermandat und den Kundenwunsch am 08.05.2023 erhalten und den abgebenden Vermittler bereits darüber informiert. Ab dem Übertragungszeitpunkt in seinen Bestand stünden dem Versicherungsmakler im Prozessportal die Vertragsdaten und der vertragsbezogene Schriftwechsel zur Verfügung.

Mitgeteilt wird zudem: „Für die Übertragung der Versicherungsverträge wird ein Provisions-/Courtageausgleich fällig.“ Der Ausgleichsbetrag wird mit 143,47 € angegeben. Das Verdienstkonto des Maklers habe man bereits mit diesem Betrag belastet. Auf Basis welcher rechtlichen Grundlage AXA einen Ausgleichsbetrag in Rechnung stellen darf, teilte der Versicherer nicht mit. Der Belastung widersprach der Versicherungsmakler. Am gleichen Tag teilte AXA Hägele mit, man habe wunschgemäß die Bestandsübertragung rückgängig gemacht. Wenn er wolle, könne man ihn als Korrespondenzmakler hinterlegen.

Der Fall landet auf dem ‚vt‘-Redaktionstisch. Wir fordern umgehend von AXA-Boss Dr. Thilo Schumacher eine Stellungnahme an und wollen u. a. wissen: ++ Warum dauert eine Bestandsübertragung mehr als zwei Monate?  ++ Warum hat der Versicherungsmakler in der Zwischenzeit keine Informationen erhalten?  ++ Warum soll der Versicherungsmakler eine Ausgleichszahlung leisten?  ++ Wie wird die Höhe des Ausgleichsbetrages berechnet? Auf Basis welcher rechtlichen Grundlage sollen Versicherungsmakler eine Ausgleichszah­lung leisten?  ++ Wer erhält den ‚Provisionsausgleich‘ und was wird damit vergütet?  ++ Erhält ein Versicherungsmakler eine Ausgleichszahlung, wenn ein von ihm vermittelter Vertrag in den Bestand eines Vertreters übertragen wird? Wenn nein, warum nicht?

„Wir haben uns mit dem Makler zu diesem Thema bereits ausgetauscht“, lautet die schmallippige Reaktion der AXA. Dass die Statthalter des französischen Versicherungsriesen mehr als eine Woche benötigen, um zu dieser ‚ausgefeilten‘ Antwort zu kommen, ist das eine. Weit schlimmer ist die Inhaltslosigkeit. Denn die Nicht-Antwort der AXA offenbart deren Desinteresse an Transparenz, die auch den Verbraucher betrifft. Der zahlt ja mit dem Versicherungsbeitrag auch die Betreuungsvergütung.

Doch warum soll ein Vertreter Geld für Untätigkeit erhalten? Wenn die AXA Aufklärungsverweigerung betreibt, dann hält das ‚vt‘ nicht davon ab, im Archiv zu stöbern. Denn die geforderte Ausgleichszahlung erinnert an unsere mehr als zwölf Jahre zurückliegende Recherche zu „besonderen Schutzvorschriften“ der „Ausschließlichkeitsorganisation (Exklusivvertrieb) angehörigen Vertreter“ (vgl. ‚vt‘ 20/11 „AXA kassiert Makler ab“).

Hat der von einem AXA-Vertreter vermittelte Kunde entschieden, dass er sich von einem Versicherungsmakler besser beraten und betreut fühlt und diesem daher das Mandat erteilt, so erkennen die Kölner „schutzwürdige Bestands- und Provisionsinteressen“ des Exklusivvertriebs und wollen den Versicherungsvertrag u. a. nur dann übertragen, wenn der Makler eine „Provisionsabfindung“ zahlt. Das geht aus der der ‚vt’-Redaktion vorliegenden ‚AO-Schutzinformation’ hervor.

Wir finden im aktuellen AXA-Vorgehen einige Parallelen zu den dort enthaltenen Regelungen. Das lässt uns darauf schließen, dass diese skandalöse Vertreter-Schutzvorschrift weiterhin Anwendung bei der AXA findet: So sind dort die konkreten Abfindungshöhen festgelegt, bspw. in SUHK beträgt diese „100 % der dem abgebenden Vermittler noch nicht gutgeschriebenen Betreuungsprovision für das laufende Versicherungsjahr sowie einmalig 50 % der dem abgebenden Vermittler noch nicht gutgeschriebenen Betreuungsprovision bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages“. Bei der Krankenversicherung „beträgt die einmalige Provisions-/Courtageabfindung 3 % der Jahresnettoprämie“. Keine Provisionsabfindung wird bei der Übertragung von Lebensversicherungsverträgen berechnet, allerdings verbleibt „die Dynamikprovision beim Abschlussvermittler“.

Wir haben im aktuellen Fall des KV-Vertrages nachgerechnet. Tatsächlich entspricht der von AXA geforderte Ausgleichsbetrag 3 % des Jahresnettobeitrags. Auch die zwei Monate dauernde Bestandsübertragung lässt sich anhand der Schutzvorschriften erklären. Denn die Kölner haben dadurch genug Zeit, ihren im Wettbewerb unterlegenen Ausschließlichkeitsvertreter zu informieren und ihm eine Rückgewinnungsfrist zu gewähren: Geht der AXA ein Kundenwunsch zur Bestandsübertragung vor, „wird sie den bisherigen Vermittler unverzüglich hiervon unterrichten und ihm Gelegenheit geben, den Versicherungsnehmer umzustimmen. Bleibt dies innerhalb der folgenden vier Wochen erfolglos“, kann der Vertrag übertragen werden.

Aber: „In begründeten Ausnahmefällen ist eine Fristverlängerung um zwei Wochen möglich.“ Was für den bevollmächtigten Versicherungsmakler wie Untätigkeit der AXA aussieht, ist in Wahrheit also ein rechtlich höchst fragwürdiger Rückgewinnungszeitraum, den AXA ihren Vertretern einräumt, obwohl der Kunde eine eindeutige Willenserklärung abgegeben hat. Einer Rückgewinnungsfrist hat der VN nicht zugestimmt. Wenn die AXA eine Vollmacht auf den Tisch bekommt, dann hat sie diese unverzüglich anzuerkennen.

Kommen wir zum dritten Punkt, der nahelegt, dass die alten Schutzvorschriften weiterhin zum Nachteil der Kunden und Versicherungsmakler Anwendung finden: „Einem Makler wird der Versicherungsvertrag nur übertragen, wenn er bereits eine Courtagevereinbarung mit AXA unterhält …“ Wozu das gut ist, sieht man auch an dem aktuellen Fall: Das Verdienstkonto des Versicherungsmaklers wurde ohne dessen Einverständnis mit dem Ausgleichsbetrag belastet! Zu den dubiosen Schutzvorschriften der AXA befragten wir seinerzeit deren Vertriebsvorstand. Aber auch damals galt, dass die Kölner zu diesem heiklen Thema lieber auf Tauchstation gingen. Eine Antwort hat uns nicht erreicht.

‚vt’-Fazit: ++ Solche Schutzvorschriften sind die Axt am Postulat der Waffengleichheit der Vertriebswege ++ Die AXA wäre gut beraten, ihre Ausschließlichkeitsvertreter besser auszubilden und zu einer die Kundenzufriedenheit fördernden Betreuung zu motivieren. Wer unzufriedene Kunden hinterlässt, hat keine Schutz-Ausgleichszahlungen verdient. 

++ Die Rechtsprechung sollte sich den geänderten verbraucherfokussierenden Regulierungen anpassen. Die vom Kunden gezahlte Betreuungsvergütung gehört an den weitergeleitet, der nach dem Willen des Kunden die Betreuung wahrnimmt  ++ Auch mit der großzügigen Einräumung einer Rückgewinnungsfrist für den Vertreter erklärt die AXA Verbraucher, die eine eindeutige Willenserklärung abgegeben haben, für unmündig. Mit derart verbraucherfeindlichem Verhalten ist die AXA u. E. ein Fall für die BaFin.

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