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Betriebsschließungsversicherung: Ablehnungsdesaster oder Lösungsorientierung?

Der Umgang der Anbieter der Betriebsschließungsversicherung (BSV) mit Covid-19 bzw. dessen Folgen könnte der Branche einen gewaltigen Imageschaden bescheren oder aber viele Pluspunkte bei Gewerbekunden, Politikern und Medien bringen: Ob die BSV aufgrund der aktuellen Allgemeinverfügung Leistung erbringt bzw. zu erbringen hat, hängt von den individuellen AVB ab. Da gibt es mehrere Streitpunkte, wie die AVB auszulegen sind.

Das hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass die BSV für den Fall konzipiert ist, dass bspw. ein Gastronomiebetrieb durch die zuständige Behörde geschlossen wird, da ein Fall mit nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger aufgetreten ist. An eine Pandemie, wie nun durch das Coronavirus, wurde da nicht gedacht.

Diese Versicherer-Sicht können betroffene Betriebe verständlicherweise nicht teilen, dort steht die eigene Betroffenheit im Vordergrund – der Laden ist dicht, jahrelang wurden Prämien gezahlt, jetzt soll die Versicherung für den Schaden auch leisten. Abgesehen von der Frage nach der rechtlich zutreffenden AVB-Auslegung appellieren wir an die Versicherer, fair mit Vermittlern und Kunden umzugehen.

Damit meinen wir nicht Kulanz, indem Schäden getragen werden, obwohl die AVB bspw. abschließend und unmissverständlich auflisten, welche Krankheiten und Krankheitserreger versichert sind, und darunter Coronaviren eben nicht aufgeführt sind.

Aber es ist ein häufiger Fall, dass in § 1 der Versicherungsumfang mit Verweis auf das IfGS definiert wird, und in § 2 geregelt wird: „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“, mit einer nachfolgenden Auflistung.

Das Coronavirus ist einerseits seit einigen Wochen unter § 7 IfSG aufgenommen, andererseits ist es in der AVB-Auflistung nicht enthalten. Zurich legt den zuvor zitierten § 2 der AVB so aus, dass die „versicherten Krankheiten und Krankheitserreger abschließend aufgeführt“ werden.

Da das Coronavirus „in dieser Aufzählung nicht enthalten“ ist, „besteht hierfür kein Versicherungsschutz“. Rechtsanwalt Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Partner in der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte, wertet Bedingungen mit dem Verweis auf das IfSG und einer zusätzlichen Auflistung diverser Krankheitserreger anders:

„Einige Versicherer nehmen das zum Anlass, die Deckung abzulehnen, weil SARS Cov-2 dort nicht aufgelistet wurde. In sehr vielen Fällen dürfte dieses Argument aber nicht durchgreifen. Da die Bedingungen in den meisten Fällen Bezug auf das IfSG nehmen, bringen sie damit zum Ausdruck, dass die in diesem Gesetz aufgelisteten Krankheiten maßgeblich sein sollen.“

Zudem sei zu beachten, wie der verständige Durchschnittsverbraucher die Regelung verstehe, des Weiteren gingen Unklarheiten zu Lasten des Verwenders. Einen weiteren Streitpunkt liefert die versichererseitige Interpretation, die Schließungsmaßnahmen durch die Allgemeinverfügung seien präventiv, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, damit fehle es an der Leistungsvoraussetzung, dass die Behörde den Betrieb geschlossen hat, weil dort eine meldepflichtige Krankheit aufgetreten ist.

Ob spitzfindige Auslegungen der AVB als ‚Abwehrstratgie‘ angesichts momentan nicht abschätzbarer Schadenssummen, da niemand weiß, wie lange die Schließungen andauern, oder zutreffende rechtliche Auslegung, ist eine Frage der individuellen AVB, und da kann es auf kleinste Details, Kommas und Wortwahl ankommen.

Das Coronavirus ist jedenfalls inzwischen im IfSG aufgeführt, so dass bei AVB mit Verweis auf das IfSG und konkreter Erkrankung im Betrieb die Betriebsschließungsversicherung greifen dürfte. Werden neben dem IfSG zusätzlich konkrete Krankheiten bzw. Krankheitserreger aufgeführt, wird es darauf ankommen, ob die Formulierung eindeutig ein ‚ausschließlich‘ ergibt oder in Verbindung mit IfSG lediglich eine (beispielhafte) Aufzählung zum Zeitpunkt der AVB-Abfassung.

‚vt‘-Fazit: Eine Pandemie ist in den üblichen Betriebsschließungsversicherungen nicht vorgesehen, ob das (angesichts der Coronakrise) Einfluss auf die Rechtsprechung haben wird, bleibt abzuwarten. Abwarten auf das Ergebnis langer Rechtsstreite können die betroffenen Betriebe aber nicht, da sind zügige Soforthilfen gefragt.

Vermittler stehen sonst bei den Kunden, die eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen und jahrelang Prämie gezahlt haben, als schlechte Berater da. Das sollten Gründe für die Versicherer sein, über Lösungen nachzudenken, bei denen die Kunden (und deren Berater) nicht im Regen stehen bleiben.

Positive Schlagzeilen dürften zudem für eine starke Nachfrage der Betriebsunterbrechungsversicherung und entsprechende Prämieneinnahmen nach der Coronakrise führen, während freie Versicherungsvermittler kategorische Ablehnungen wohl negativ in Erinnerung behalten werden, mit entsprechender (Nicht-)Berücksichtigung beim Neugeschäft. Wir bleiben bei der Gesamtthematik für Sie am Ball!

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