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BMF interpretiert für Provisionsdeckel-Legitimation das Verfassungsrecht neu

Seit Mitte letzter Woche kursiert ein ‚Referentenentwurf‘ des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zum „Entwurf eines Gesetzes zur Deckelung der Abschlussprovisionen von Lebensversicherungen und von Restschuldversicherungen“. Bei diesem Entwurf zur Einführung eines Provisionsdeckels handelt es sich nicht um den offiziellen Referentenentwurf, der für eine Verbändeanhörung vorgesehen ist. Vielmehr geht der Entwurf in die Ressortabstimmung mit den beteiligten Ministerien BMWi und BMJV.

Warum das Schriftstück nun jemandem ‚aus der Aktenmappe‘ gefallen ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Einige Eckdaten: ++ Das BMF plant einen ‚Basisprovisionsdeckel‘ von 2,5 % und einen ‚Qualitätsprovisionsdeckel‘ von 1,5 % der Bruttobeitragssumme für Abschlussprovisionen, dazu zählt das BMF auch Vertriebsvergütungen, die an den „Fortbestand eines Vertrages“ geknüpft sind.

++ Dazu kommt eine „sonstige Vergütung des Versicherungsvermittlers für über den Vermittlungserfolg hinausgehende Leistungen (z. B. Bestandspflege/Bestandsverwaltung inkl. Prämieneinzug)“, die aber reglementiert ist.

++ Vom Deckel betroffen sein sollen u. a. LV-Verträge, die einen Fälligkeits- oder Rückkaufswert bieten. Der Entwurf scheint mit heißer Nadel gestrickt zu sein, nachdem das BMF bei seinen Provisionsdeckel-Plänen zuletzt stark in die Defensive geraten ist.

So konstatierten die Rechtsgutachten von Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier und Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, der geplante LV-Provisionsdeckel sei sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich unzulässig. Die Gutachten wurden auf Veranlassung der Vermittler-Berufsverbände Bundesverband Finanzdienstleistung AfW e. V. und VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e. V. sowie der von ‚vt‘ koordinierten Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) erstellt (vgl. ‚vt‘ 07/19).

Der Referentenentwurf nimmt (indirekt) Bezug auf die Gutachten und ‚bemüht‘ sich, deren Argumente zu entkräften: 

++ Die Bewältigung der „Herausforderungen des Niedrigzinsumfeldes“ und „Vermeidung möglicher Fehlanreize“ würden „es vertretbar“ machen, dass „mittels eines gesetzlichen Provisionsdeckels in verfassungsrechtlich geschützte Positionen, die Provision als solche und die Provisionshöhe frei vereinbaren zu können, eingegriffen wird.“ 

++ Mit der ‚Basisvergütung‘ und ‚Qualitätsvergütung‘ werde „an die Deckelung von Abschlussprovisionen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen“. 

++ „Mit der Einführung eines flexiblen an qualitativen Kriterien zu orientierenden Provisionsdeckels erscheint eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes fernliegend. Der Gesetzgeber kann diejenigen Sachverhalte auswählen, die er im Rechtssinn als gleich ansehen will. Auch wenn die Deckelung von Abschlussprovisionen unterschiedliche Berufsgruppen betrifft, ist entscheidend, dass die jeweils betroffene Berufsgruppe wesentlich gleiche Leistungen im Rahmen des Abschlusses von Lebensversicherungen erbringen und daher insoweit auch gleich behandelt werden.“

Die BMF-Behauptung, dass Versicherungsmakler beim LV-Abschluss die gleiche Leistung wie Ausschließlichkeitsvertreter erbringen, entlarvt: Entweder das BMF versucht, mit weitschweifigen Ausführungen eine Verfassungskonformität des Provisionsdeckels ‚hinzubiegen‘ oder dem Ministerium sind tatsächlich die umfassenden Beratungspflichten der Versicherungsmakler nach § 60 VVG nicht bekannt 

++ Das BMF behauptet zur LVRG-Evaluierung: „Dieser Druck auf die Versicherungsunternehmen, die Abschlusskosten weiter zu senken, führte nicht zum gewünschten Ergebnis, wie der Evaluierungsbericht darlegt.“ Wo dieses ‚gewünschte Ergebnis‘ herkommt oder eine konkrete Zahl, um die die Abschlusskosten hätten gesenkt werden müssen – Fehlanzeige!  

++ Zeit, auf die massiven Bedenken gegen eine europarechtliche Zulässigkeit eines LV-Provisionsdeckels einzugehen, hatte das BMF offenbar nicht. „Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar“, wird lapidar die Vereinbarkeit ‚bescheinigt‘.

‚vt‘-Fazit: ++ Ich interpretiere mir das Verfassungsrecht, wie es mir in meine Provisionsdeckel-Ideologie passt: Diese Vorgehensweise drängt sich uns beim BMF-Referentenentwurf auf. Wir sind gespannt und informieren Sie umgehend, wie von uns befragte Rechtsexperten die verfassungs- und europarechtlichen Argumentationen des BMF bewerten.

++ Das BMF behauptet weiterhin Fehlanreize durch zu hohe Vergütungen der Vermittler, die durch einen Provisionsdeckel vermieden werden, liefert in der Begründung aber keinen Nachweis für diese These. 

++ Die klaren Aussagen der Rechtsgutachten sehen wir nicht entkräftet. Abzuwarten bleibt der finale Referentenentwurf, der in die Verbändeanhörung geht. Gemeinsam mit der BFV werden wir uns mit konstruktiven Vorschlägen für Sie, den Berufsstand der Versicherungsmakler und Verbraucher einsetzen.

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