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Brisante Makler-Haftungsgefahr – Das sagen Gerichte zur ‚Spontanen Anzeigepflicht‘

Ob die Arglist nach § 22 VVG dazu führt, dass der eigentliche Wegfall der ‚Spontanen Anzeigepflicht’ nach § 19 VVG weitgehend kassiert wird, haben wir am aktuellen Fall des Versicherungsmaklers Matthias Helberg/Osnabrück (vgl. ‚vt‘ 42/17), dem nicht rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Heidelberg (Az.: 2 O 90/16) vom 08.11.2016 (vgl. ‚vt‘ 41/17) und der Auffassung der Kanzlei Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB/Köln (BLD) sowie der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/3945, S. 64) im Rahmen der VVG-Reform 2008 (vgl. ‚vt’ 43/17) beleuchtet. Während wir aus der Gesetzesbegründung ableiten, dass eine ungefragte Mitteilungspflicht nur im Einzelfall bei ganz besonderen Umständen besteht, werten es LG Heidelberg und BLD als arglistige Täuschung, wenn Multiple Sklerose nicht angegeben wird, obwohl der Versicherer in seinen verkürzten Gesundheitsfragen (extra?) nicht danach gefragt hat. Doch es gibt rechtskräftige Urteile und Beschlüsse, die nicht zum BLD/LG Heidelberg-Tenor passen: ++ Beschluss des OLG Düsseldorf vom 29.06.2009 (Az.: I-4 W 20/09) im Zusammenhang mit einer Rechtsschutzversicherung: „Gemäß § 19 VVG unterliegt der Versicherungsnehmer einer Anzeigepflicht für erhebliche und ihm bekannte Gefahrumstände nur dann, wenn der Versicherer ihn hiernach in Textform gefragt hat. Eine entsprechende schriftliche Frage hat die Antragsgegnerin ersichtlich nicht gestellt. (…) Angesichts dieser gesetzlichen Vorgaben ist für weitere Anforderungen an die Offenbarungspflicht des Antragstellers unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben kein Raum. Der Versicherer hat es in der Hand, sich vorvertraglich durch konkrete Fragen an den späteren Versicherungsnehmer (…) vor einer von ihm als unsachgemäß empfundenen Inanspruchnahme zu schützen.“ ++ Beschluss des BGH vom 19.05.2011 (Az.: IV ZR 254/10) im Zusammenhang mit einer Hausratversicherung (Hinweis: Noch vor VVG 2008): „Ebenso anerkannt ist allerdings, dass in sehr restriktiv zu handhabenden Ausnahmefällen den Versicherungsnehmer eine spontane Offenbarungsobliegenheit treffen kann. Eine solche auf Treu und Glauben beruhende Offenbarungspflicht ohne Auskunftsverlangen des Versicherers bezieht sich auf die Mitteilung außergewöhnlicher und besonders wesentlicher Informationen, die das Aufklärungsinteresse des Versicherers so grundlegend berühren, dass sich dem Versicherungsnehmer ihre Mitteilungsbedürftigkeit auch ohne Auskunftsverlangen aufdrängen muss.“ ++ Beschluss des OLG Hamm vom 27.02.2015 (Az. 20 U 26/15) im Zusammenhang mit einer Dread Disease Police: „Eine solche sich aus Treu und Glauben ergebende spontane Anzeigepflicht kommt aber allenfalls dann in Betracht, wenn es sich um die Mitteilung außergewöhnlicher und besonders grundlegender Informationen handelt, die das Aufklärungsinteresse des Versicherers so grundlegend berühren, dass sich dem Versicherungsnehmer ihre Mitteilungsbedürftigkeit aufdrängen musste. Um die mit § 19 Abs. 1 VVG bezweckte Abschaffung der spontanen Anzeigepflicht nicht zu unterlaufen, bedarf es hierbei solcher Gefahrumstände, die so selten und fernliegend sind, dass dem Versicherer nicht vorzuwerfen ist, sie nicht abgefragt zu haben.“ ++ Urteil des OLG Celle vom 09.11.2015 (Az. 8 U 101/15) im Zusammenhang mit einer Pflegetagegeldversicherung: „Nach der gesetzlichen Wertung obliegt dem Versicherer die Mitteilung der Umstände, die er für gefahrerheblich ansieht. Wenn der Versicherer dies versäumt, kann es dem Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben angelastet werden, wenn er den Fragenkatalog als abschließend ansieht und nicht weitergehende Überlegungen dazu anstellt, was den Versicherer unter Umständen darüber hinaus interessieren könnte. Insofern ist der Auffassung zuzustimmen, dass eine spontane Anzeigepflicht nur bei Umständen besteht, die zwar offensichtlich gefahrerheblich, aber so ungewöhnlich sind, dass eine auf sie abzielende Frage nicht erwartet werden kann.“ ‚vt‘-Zwischenfazit: Jedem Urteil liegen individuelle Fälle zu Grunde, die wir hier nicht ausführlich beleuchten können. Die Urteile bekräftigen u. E. aber, dass eine spontane Anzeigepflicht nur bei außergewöhnlichen Umständen besteht. Nach unserem Verständnis wäre das bspw. eine sehr seltene Krankheit. Da Multiple Sklerose eine bekannte Krankheit ist, deuten die aufgeführten Urteile und Beschlüsse für uns darauf hin, dass die Begründung des LG Heidelberg fehlerhaft ist.

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