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Dialog: Skandalöse Zahlungsverweigerung mit unterstellter Obliegenheitsverletzung

Die Dialog Versicherung AG versucht, mit fragwürdigen Methoden eine Schadenregulierung abzuwimmeln. Spitze des Eisbergs ist eine vorgeworfene Obliegenheitsverletzung, die rechtlich völlig abwegig ist und sich als unhaltbare Argumentation entpuppt: Am 18.02.2022 wurde durch einen Sturm auf dem Grundstück des bei der Dialog versicherten Eigentümers eine Fichte im unteren Teil abgeknickt. Wetterbedingt war eine zeitnahe Baumbeseitigung im Garten des Kunden nicht möglich.

Versicherungsmakler Michael Otto, Geschäftsführer der Otto Assekuranzmakler KG/Isernhagen, meldete den Schaden im Zuge der Beseitigung dem Wohngebäudeversicherer Dialog am 26.07. und fügte Fotos und Rechnung bei. Mit Schreiben vom 27.07. lehnte die Dialog eine Entschädigung ab. Begründet wurde die Ablehnung mit einer Obliegenheitsverletzung. Der Schaden hätte „unverzüglich“ angezeigt werden müssen. Moniert wurde des Weiteren, dass die Arbeiten bei der Schadensmeldung bereits vollständig ausgeführt waren.

„Wir ersetzen auch die notwendigen und tatsächlich entstandenen Kosten für das Entfernen, den Abtransport und die Entsorgung der durch Sturm umgestürzten Bäume vom Versicherungsgrundstück“, heißt es im Ablehnungsschreiben. Das wäre prima. Doch neben der von der Generali-Tochter vorgeworfenen Obliegenheitsverletzung wird auch ein grundsätzlicher Leistungsfall verneint, da „laut Foto nur ein Stück vom Baum abgebrochen“ sei.

Doch Versicherungsmakler-Urgestein Otto lässt sich nicht ins Bockshorn jagen, sondern weist bei seiner Beschwerde auf den Altvertrag-Status hin. Die damalige Generali Sach habe im Zuge der VVG-Reform 2008 von der Möglichkeit des Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen Gebrauch gemacht. Folglich würden zu dem Vertrag keine vertraglichen Obliegenheiten bestehen, klärt er die Dialog-Sachbearbeiterin auf.

Ergänzend verweist Otto auf das relevante BGH-Urteil vom 12.10.2011 (Az. IV ZR 199/10). Auch den weiteren Ablehnungsgrund weist er zurück. Denn es sei „laut Foto nicht nur ein Stück Baum abgebrochen, sondern der Baumstamm war in ganz überwiegender Länge abgeknickt und umgestürzt“. Somit handele es sich um einen umgestürzten Baum im Sinne der vereinbarten Klausel. Kompetent liefert Otto auch hier mit Verweis auf das AG Emmendingen (24.04.2020, Az. 8 C 65/18) und LG Wiesbaden (22.06.2007, Az. 9 S 9/07) einschlägige Urteile mit.

Nun sollte man eigentlich davon ausgehen dürfen, dass bei der Dialog geschulte und regelmäßig weitergebildete Mitarbeiter mit der Schadenfallbearbeitung betraut sind. Daran zweifelt Otto nachhaltig, als er die Antwort vom 08.08. auf seine Beschwerde in Händen hält. „Auch nach nochmaliger“ und nun sogar „abschließender Prüfung zur Sach- und Rechtslage“ könne man „für diesen Schadenfall keine Entschädigung leisten“.

Dies auch „unabhängig von dem Thema Obliegenheiten“. Wie übel ist das denn? Eine Entschuldigung zu der rechtsfehlerhaft vorgeworfenen Obliegenheitsverletzung unterbleibt nicht nur, diese wird noch nicht einmal eingeräumt. Kein Wunder, dass der Versicherungsmakler zur Überzeugung gelangt, „entweder versucht die Sachbearbeiterin mich in die Irre zu führen oder sie wurde nicht fortgebildet“.

Das Thema ‚behauptete Obliegenheitsverletzung‘ trotz Altvertrag will die Dialog aber nicht weiter vertiefen. Stattdessen wird nun die Klausel und ein angeblich fehlender Nachweis zur Regulierungsablehnung herangezogen: Laut Klausel zu „Aufräumkosten für Bäume“ seien die „Kosten für das Entfernen durch Sturm umgestürzter Bäume vom Versicherungsgrundstück versichert“. Es sei aber „nicht nachgewiesen, dass es sich um einen umgestürzten Baum handelt“. Nun hat aber bereits die Rechtsprechung festgestellt, dass der Begriff des Umstürzens keine Entwurzelung des Baumes voraussetzt.

Ottos Beschwerde zur ersten Ablehnung, es sei „laut Foto nicht nur ein Stück Baum abgebrochen, sondern der Baumstamm war in ganz überwiegender Länge abgeknickt und umgestürzt“, weist die Dialog zurück: „Ein Nachweis, dass der Baumstamm in ganz überwiegender Länge abgeknickt und umgestürzt ist, liegt nicht vor und lässt sich den vorliegenden Lichtbildern nicht entnehmen.“ Doch die Fotos, die der ‚vt‘-Redaktion vorliegen und eben jene sind, die laut Otto der Dialog eingereicht wurden, lassen eine ganz andere Würdigung zu.

Unzweifelhaft ist ein an der Abbruchstelle zersplitterter Baumstamm und keineswegs bspw. lediglich ein abgebrochener Ast zu erkennen. Und dieser abgebrochene Baumstamm ist, dazu liefern die Bilder eine klare Erkenntnis, umgestürzt. Ob der umgestürzte Teil nun den überwiegenden Teil darstellt oder ob der wesentliche Teil des Baumstammes stehen geblieben ist, wird sich wohl an der jeweiligen Länge bemessen. Doch danach fragt die Dialog nicht. Vielmehr legt sie einen Teil der Rechnung zu ihren Gunsten und zum Nachteil des VN aus.

Korrekt hat der Landschaftsbauer wiedergegeben, dass ein Teil der Kosten für einen Facharbeiter mit Spezialausbildung angefallen sind. Denn der verbleibende Baumstamm musste mit Hilfe eines Baumkletterers gefällt werden. Die Dialog zieht das als Beweis heran, dass nicht der überwiegende Teil des Baumes abgeknickt war. Allerdings übersehen die Münchner dabei sehr großzügig die Gegebenheiten, die man auf den Bildern erkennen kann.

Ein eng bewachsenes Terrain, Gehwege, Beleuchtungssäulen, eine Mauer sowie eine Grillstelle, die eine Laube erahnen lässt: Auch wenn der Restbaumstumpf nur wenige Meter beträgt, wer trägt denn dann die Kosten, wenn dieser völlig unüberlegt gefällt wird und mitsamt vorhandener Äste weitere Beschädigungen verursacht? Der Fall landet auf dem ‚vt‘-Redaktionstisch, wir bitten den Dialog-Vertriebsvorstand Dr. Florian Sallmann um Stellungnahmen u. a. zu folgenden Fragen:

++ Eine Fichte kann eine Höhe von 40 Metern erreichen. Wie viele Meter müssten bei einer solchen Gesamt­länge abgeknickt sein, um im Sinne der Klausel als umgestürzter Baum zu gelten?  ++ Wie viel Prozent von der ursprünglichen Gesamtlänge eines Baumes dürfen nach sturmbedingtem Abknicken noch stehen, damit im Sinne der Klausel ein umgestürzter Baum vorliegt?  ++ Auf den von Versicherungsmakler Otto eingereichten Fotos ist ein umgestürzter Baum mit Abbruchkante zu erkennen. Warum ist das nach Auffassung der Dialog kein umgestürzter Baum im Sinne der Klausel?  ++ Ist nach Auffassung der Dialog nur ein entwurzelter Baum ein umgestürzter Baum im Sinne der Klausel ‚Aufräumkosten für Bäume‘?

Doch neben den Fragen zur Klausel stellen wir auch drängende Fragen zu der behaupteten Obliegenheitsverletzung: ++ Auf welche rechtliche Regelung begründet Dialog die geltend gemachte Obliegenheitsverletzung? ++ Wenn es keine rechtliche Grundlage für die Geltendmachung einer Obliegenheitsverletzung gibt: + Warum wurde diese dennoch geltend gemacht? + Stellt Dialog durch Schulungsmaßnahmen sicher, dass Sachbearbeiter den Unterschied von ‚Altverträgen‘ zu ‚Neuverträgen‘ kennen und diesen bei der Schadenprüfung und Schadenregulierung berücksichtigen? Wenn ja, wann und wie?

Dies sind weit über den konkreten Fall des abgeknickten Baumes für Versicherungsmakler sehr bedeutsame Fragen. Denn dem Vertrag liegen die VGB 2003 zu Grunde. Die Generali Sach hatte als Vorgänger der Dialog Sach „von den Möglichkeiten des Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen Gebrauch gemacht“, weiß Otto. Dem widerspricht auch die Dialog bei unserer Anfrage an Dr. Sallmann nicht. Es kommt also das alte VVG zur Anwendung. „Der Versicherer muss bei seiner Vertriebstätigkeit gegenüber Versicherungsnehmern stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse handeln. Zur Vertriebstätigkeit gehören (…) Mitwirken bei Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen, insbesondere im Schadensfall“, bestimmt § 1a VVG unmissverständlich.

Welche Erwartungshaltung darf man nicht nur, sondern muss man mit Blick auf § 1a VVG an Sachbearbeiter der Schadenabteilung haben? Wenn ein Schadenbearbeiter die Sach- und Rechtslage prüft, dann halten wir es zumindest für grob fahrlässig, wenn dabei nicht festgestellt wird, dass es sich um einen Altvertrag handelt, bei dem das alte VVG zur Anwendung kommt. Wenn Otto die Geltendmachung einer Obliegenheitsverletzung als Irreführung empfindet, dann ist das gut nachvollziehbar.

Übrigens: Unsere konkreten Fragen an Vorstandsmitglied Dr. Sallmann blieben zwar unbeantwortet, aber die Dialog hat reagiert, wie sie ‚vt‘ mitteilt: „Bezüglich Ihrer Anfrage vom vergangenen Freitag weisen wir darauf hin, dass der Schadenfall bereits im Sinne unseres Kunden reguliert ist.“ Mit der Nachricht zur Kehrtwende der Dialog überraschen wir dann sogar Versicherungsmakler Otto, dem diese Mitteilung noch gar nicht vorliegt. Der prüft den Wahrheitsgehalt und kann schließlich bestätigen, dass im System der Dialog ein Scheck avisiert ist.

‚vt‘-Fazit: ++ Es ist bedenklich, wie hartnäckig die Dialog die Schadenregulierung verweigerte. Insbesondere die vorgeworfene Obliegenheitsverletzung zeigt, dass eine ordnungsgemäße Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht durchgeführt wurde oder die Dialog mit der Sachbearbeitung Mitarbei­ter betraut, die dazu nicht ausreichend qualifiziert und weitergebildet sind. Da muss der Vorstand dringend Abhilfe sicherstellen.

++ Dieser Fall liefert Versicherungsmaklern eine wichtige Erinnerung – oder wer zur Zeit der VVG-Reform noch nicht tätig war, eine bedeutende Aufklärung – wie wichtig die Kenntnis um die Rechtsstellung von Altverträgen ist. Denn viele Versicherer haben seinerzeit, wohl aus Kostengründen, von der Möglichkeit des Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen Gebrauch gemacht.

 

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