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Ein Fall für die Aufsicht: Verbrauchernachteil – Aviva/FPI ignoriert deutsche Gesetze

Der britische Versicherer Aviva scheint von deutschen Gesetzen wenig zu halten. Eine Vollmacht, die unbefris­tet ausgestellt wurde, ist gültig, bis diese vom Vollmachtgeber widerrufen oder vom Vollmachtnehmer zurückgegeben wird. Und wenn die Vollmacht eine Postempfangsvollmacht beinhaltet, dann greift die Korrespondenzpflicht. Doch die Aviva Life & Pensions Ireland dac hält sich weder an die entsprechende deutsche Gesetzeslage noch einschlägige Rechtsprechung, wie Versicherungsmakler wiederholt erfahren mussten.

Ein Rückblick auf die Aviva-Historie: Die Friends Provident International (FPI) hat im Herbst 2013 ihr Neugeschäft in Deutschland eingestellt. Später wurden die Verträge vom britischen Versicherer Aviva übernommen und landeten (Brexit-bedingt) bei der Aviva Life & Pensions Ireland dac.

Vor einigen Wochen bat Versicherungsmakler Jürgen Beisler, finpool Maklerservice AG/Unterhaching, das Servicecenter ‚Friends Plan Deutschland‘ um das Formular für den Fondswechsel für einen Friends Planprivate-Vertrag sowie um eine Übersicht der derzeit verfügbaren Fonds. Die Vollmacht des Mandanten hatte er bereits früher eingereicht. Das Formular erhielt er mit der Erklärung, er solle „für die zukünftige Umsetzung vertraglicher Inhalte eine aktuelle Vollmacht“ einreichen.

Auf seinen Hinweis, dass eine gültige Vollmacht vorliege, wurde ihm mitgeteilt, die eingereichte Vollmacht könne Aviva „aufgrund interner Vorgaben nicht akzeptieren, da diese älter als zwölf Monate ist“. Alternativ zu einer aktuellen Vollmacht könne er „einen aktuellen Kundenwunsch zur Verfügung stellen. Hier kann gerne ein Zweizeiler formuliert werden, aus dem hervorgeht, dass die zukünftige Betreuung ausschließlich durch Sie erfolgen soll. Der Name des zukünftigen Maklers sowie die Firma sind in diesem Kundenwunsch namentlich zu erwähnen. Zudem ist dieser vom Kunden gegenzeichnen zu lassen.“ Diese Vorgehensweise sei „aus Sicherheitsgründen erforderlich“. Versicherungsmakler Beisler wies darauf hin, dass interne Vorgaben nicht über geltenden Gesetzen stehen. Was dann passierte, ist eine bodenlose Frechheit:

Denn Aviva schrieb den Kunden an und wies auf die Maklervollmacht hin, die am 02.01.2014 unterzeichnet wurde. „Auf Grund unserer internen Vorgaben bei Vollmachten, die älter als zwölf Monate sind, benötigen wir Ihre Zustimmung durch Unterschrift von Ihnen als Versicherungsnehmer (…)“ Doch damit nicht genug, Aviva scheint es egal zu sein, dass der Kunde den Versicherungsmakler als Risiko wahrnimmt: „Diese Vorgehensweise ist zu Ihrem Schutz“ und sei „bei Vollmachten, die vor mehr als 12 Monaten unterzeichnet wurden, erforderlich“. Der Fall landet auf dem ‚vt‘-Redaktionstisch. Wir haben Group CEO Amanda Blanc und James Lilwall, Head of German Business, mit der Aviva-Vorgehensweise konfrontiert und eine Stellungnahme abgefordert u. a. zu folgenden Fragen:

++ Sind unbefristete und nicht widerrufene Vollmachten, die älter als 12 Monate sind, nicht mehr gültig? Wenn ja, auf Basis welcher rechtlichen Regelung? Wenn nein, warum akzeptiert Aviva entgegen der gesetzlichen Regelung unbefristete und nicht widerrufene Vollmachten, die älter als 12 Monate sind, nicht?

++ Kunden/VN geben mit der Maklervollmacht eine eindeutige Willenserklärung ab. Die unberechtigte Zurückweisung einer gültigen Vollmacht kann für den VN zu Nachteilen führen. Wie vereinbart sich nach Auffassung der Aviva die Nichtbeachtung der vom Kunden erteilten Vollmacht mit § 1a VVG

++ Wer haftet nach Auffassung der Aviva für mögliche Schäden des VN, die durch die Zurückweisung der gültigen Vollmacht entstehen?

++ Mit der vorliegenden Vollmacht bevollmächtigt der Kunde den Versicherungsmakler u. a. zur Abgabe und Entgegennahme sämtlicher Willenserklärung bzgl. Versicherungsverträgen und zur Vertretung des Vollmachtgebers bei der Korrespondenz mit Versicherern. Wie vereinbart sich nach Auffassung der Aviva die Korrespondenz mit dem VN unter Umgehung des Versicherungsmaklers mit den Regelungen der Vollmacht und der Korrespondenzpflicht? Das sind wichtige Fragen nicht nur für Kunden und Vermittler, sondern auch hinsichtlich der Beachtung deutscher Gesetze und Rechtsprechung. Doch Blanc und Lilwall ziehen es vor, auf Tauchstation zu gehen.

Das erinnert an den knapp zwei Jahre zurückliegenden Fall des Finanz- und Versicherungsmaklers Michael Solbach/Bückeburg (vgl. ‚vt‘ 26/21). Dieser wollte für eine Mandantin den ‚Friends Plan‘ beitragsfrei stellen. Auch Solbach wurde zunächst abgespeist mit der Aussage: „Wir akzeptieren keine Maklervollmachten, welche älter sind als 1 Jahr. Bitte lassen Sie uns daher eine neue, aktuelle und unterschriebene Maklervollmacht zukommen.“ Nachdem ‚vt‘ Aviva mit der rechtswidrig zurückgewiesenen Vollmacht konfrontierte, gab es zwar keine Antwort, doch dann ging alles ganz schnell. „Die Maklervollmacht wurde ein paar Tage später anerkannt. Ihre Anfrage hat mir also geholfen. Vielen Dank dafür“, informierte uns Versicherungsmakler Solbach.

Über den Fortgang im aktuellen Fall berichtet Versicherungsmakler Jürgen Beisler: Der verärgerte Aviva-Kunde hat – „um weitere Nervereien abzuwenden“ – eine Willenserklärung an die Gesellschaft gesendet: „Anbei die Bestätigung, dass Herr Beisler weiterhin eine gültige Maklervollmacht für mich hat. Generell ist mein Verständnis, dass eine Vollmacht so lange Gültigkeit hat, bis sie widerrufen wird. Von keiner anderen Gesellschaft, für die Herr Beisler eine Vollmacht von mir erhalten hat, bin ich bis dato jemals um eine (jährliche) Bestätigung gebeten worden. Daher bin ich doch reichlich verwundert“, kritisiert der VN das Verhalten von Aviva. Selbst die Beschwerde des Kunden war dem Versicherer offenbar keine Entschuldigung wert: „Von einer Reaktion durch die Aviva ist mir nichts bekannt!“, sagt Beisler und fügt an: „Es ist gut, dass diese Gesellschaft kein Neugeschäft mehr macht.“

‚vt‘-Fazit: Die unberechtigte Zurückweisung einer gültigen Vollmacht kann für den VN zu Nachteilen führen. Wenn Aviva sich an die deutsche Rechtslage und Rechtsprechung nun wiederholt nicht hält und damit Nachteile für die Kunden in Kauf nimmt, dann sehen wir die Aufsicht gefordert.

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