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EU-Provisionsverbot für Versicherungsmakler und viele neue Bürokratiebaustellen

Die Europäische Kommission hat am 24.05. ihren mehrfach verschobenen Gesetzesentwurf für eine EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy) vorgelegt. Eigentlich soll diese das Vertrauen in die Märkte stärken und insbesondere Investitionen von Kleinanlegern fördern. ‚Setzen, sechs‘, muss aus deutscher Verbraucher- und Versicherungsmakler-Sicht als Schulnotenbewertung für die Zielabweichung konstatiert werden. Es gibt nur eine gute Nachricht: Die EU-Kommission sieht im Entwurf ihrer sogenannten Kleinanlegerstrategie kein generelles Provisionsverbot für Finanzanlagenvermittler vor, da dieses „zu disruptiv“ wäre.

Aus Sicht von Verbrauchern und Versicherungsmaklern steuert die EU-Kommission aber auf ein Totalversagen zu: Ausgerechnet Versicherungsmakler, die im Lager des Kunden stehen, auf ein breites Produktspektrum zugreifen können, dem Kunden bedarfsgerechte Versicherungsprodukte schulden und für ihre Tätigkeit in Haftung genommen werden können, werden  bei der Beratung und Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten (insurance-based investment products) mit einem Provisionsverbot belegt! Die bereits in der am 08.05. ‚geleakten‘ Version (vgl. ‚vt‘ 20/23) enthaltene problematische Regelung soll nun in Artikel 30 IDD mit einem neuen Punkt 5b. eingefügt werden (Übersetzung durch ‚vt‘):

„Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein Versicherungsvermittler oder ein Versicherungsunternehmen, der/das versicherungsbasierte Anlageprodukte vertreibt und den Kunden darüber informiert, dass die Beratung auf unabhängiger Basis erfolgt, im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung für den Kunden (…) keine Gebühren, Provisionen oder andere monetäre oder nichtmonetäre Vorteile annimmt und einbehält, die von einem Dritten oder einer im Namen eines Dritten handelnden Person gezahlt oder gewährt werden.“

Da im englischen Originaltext der „insurance intermediary“, der Kunden informiert, dass „that advice is given on an independent basis“, angesprochen ist, dürfte kaum ein Zweifel daran bestehen, dass damit neben dem Versicherungsberater auch der Versicherungsmakler umfasst ist. Denn dem ist gesetzlich in die Wiege gelegt, dass er im Lager des Kunden zu stehen und, im Gegensatz zu gebundenen Vertretern, Mandanten unabhängig zu beraten hat. Aufgrund der Rechtssituation in Deutschland dürfen Kunden zudem die Erwartungshaltung haben, dass sie von einem Versicherungsmakler unabhängig beraten werden.

„Die Kommission macht es sich viel zu einfach, wenn sie das Regelwerk für Finanzberater blind auf unabhängige Versicherungsmakler überträgt. Die Welt ist zu komplex, als dass man mit einer Regel für alle arbeiten könnte. Ein solcher Schritt wäre eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung zulasten unabhängiger Versicherungsmakler und es ist ausgesprochen zweifelhaft, dass der Endkunde von einem solchen Schritt tatsächlich profitieren würde“, kritisiert Markus Ferber (CSU), Abgeordneter des Europäischen Parlaments (Fraktion der Europäischen Volkspartei), im Gespräch mit der ‚vt‘-Redaktion.

„Geplant ist nach dem Entwurf, dass unabhängig agierende Vermittler – in Deutschland qua Gesetz also Versicherungsmaklerinnen und -makler – keine Provisionen mehr für die Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten erhalten sollen“, legt auch der AfW den Finger in die Wunde. Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW, moniert: „Wir halten es für komplett abwegig, dass dieses wettbewerbsverzerrende Vorhaben im Sinne von Verbraucherschutz sein soll. Makler würden im Wettbewerb gegenüber gebundenen Vertretern massiv benachteiligt und diskriminiert. Wir werden auf eine ersatzlose Streichung dieser europarechtswidrigen Regelung hinwirken.“

Bereits CDU-Finanzexperte MdB Dr. Carsten Brodesser hatte das drohende „Verbot für ungebundene Berater/Versicherungsmakler“ kritisiert als „merkwürdiges Verständnis von unabhängiger und kundenorientierter Beratung“ (vgl. ‚vt‘ 20/23). Die geplante Regelung zu Versicherungsmaklern ist aus Sicht der Versicherungsbranche das negative ‚Highlight‘. Doch die Kommission hat einen ganzen Rattenschwanz an Änderungen und Verschärfungen im Bereich Retail-Kunden vorgelegt, die für Kritik sorgen.

In seinem Eingangsstatement auf der Pressekonferenz letzten Mittwoch in Brüssel äußerte sich Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis wie folgt zu den Intentionen der EU: Es stelle sich die Frage, „warum Europa nicht die entsprechende Investitionskultur auf privater Ebene wie in anderen Ländern“ habe. Und „warum nutzen Kleinanleger nicht in vollem Umfang die Kapitalmärkte aus?“ Dombrovskis machte verschiedene Gründe und Problembereiche aus Sicht der EU-Kommission dafür verantwortlich: Menschen bekämen nicht „immer den ‚besten Deal‘ angeboten, also das entsprechende value for money“. Auch die Information „ist oft sehr komplex, deshalb ist es schwierig für den Kleinanleger, die Finanzprodukte zu verstehen und diese miteinander zu vergleichen“. Hier wird einmal mehr deutlich, wie sehr die Brüsseler Bürokraten im eigenen Saft kochen.

Die Antwort der EU-Kommission auf die an vielen Stellen selbst geschaffene Komplexität im Retailgeschäft lautet: Mehr Komplexität! Auch EU-Kommissarin Mairead McGuinness machte klar, dass man regulatorisch erneut ‚in die Vollen‘ geht: „Dies ist der ehrgeizigste Legislativvorschlag seit Einführung der EU-Finanzregulierung. Er soll sicherstellen, dass der Finanzrahmen die Interessen der Kleinanleger berücksichtigt. Die Initiative trägt allen Phasen des Investitionsprozesses und allen Sektoren der EU-Kapitalmärkte Rechnung, und es wird ein umfassender Rahmen vorgeschlagen, der die EU-Bürgerinnen und -Bürger bei ihren Investitionsentscheidungen unterstützen soll. Wir wollen die europäischen Bürgerinnen und Bürger ermutigen, ihr Geld für sich arbeiten zu lassen, indem sie einen Teil ihrer Ersparnisse investieren. Die Europäerinnen und Europäer sparen viel, investieren aber weniger, und diese Strategie für Kleinanleger zielt darauf ab, das Investitionspotenzial von Ersparnissen zu erschließen.“

‚vt‘-Fazit: Ein Provisionsverbot für Versicherungsmakler wäre eine gravierende Wettbewerbsverzerrung auf Vermittler- und Versichererebene. Wer im Lager des Kunden steht, darf keine Vergütung vom Versicherer erhalten? Dabei sollte jeder wissen, wie die Honorarzahlungsbereitschaft der meisten Kunden ist. Steine in den Weg legt die EU-Kommission damit aber auch Maklerversicherern im Wettbewerb mit AO-starken Konzernen. Und dies, obwohl gerade Maklerversicherern durch die Zusammenarbeit mit Versicherungsmaklern viele Innovationen und Produktverbesserungen zu verdanken sind.

Diese von der EU-Kommission geplante Regelung ist das Gegenteil von Verbraucherschutz. Wir setzen uns daher dafür ein, dass der Passus auf dem weiteren Gesetzgebungsweg mit EU-Parlament und EU-Ministerrat gekippt wird. Gute Finanzmarktpolitik besteht auch darin, nicht immer neue Vorschriften auf bestehende Regulierungen draufzusatteln, sondern das Regelwerk zu entschlacken.

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