Im August letzten Jahres wollte die Nürnberger Lebensversicherung AG mit einer BU-Umdeckungsaktion für Verträge bei einem „Fremdversicherer“ den Umsatz ankurbeln. Wir empfahlen „insbesondere Versicherungsmaklern aus Haftungsgründen höchste Vorsicht bei dieser Umdeckungsaktion“ (vgl. ‚vt‘ 36/19). Zudem kamen wir zu dem Ergebnis, dass dort, wo die „Nürnberger ‚vereinfacht‘ drüber schreibt, dennoch umfassende Abklärungen zu neueren Erkrankungen und Behandlungen erfolgen“ müssen – und prognostizierten daher der Umdeckungsaktion, „ein Rohrkrepierer“ zu werden (vgl. ‚vt‘ 37/19). Aktuell versuchen die Franken mit ihrem BU-Tarif durch im Vergleich zum üblichen Fragenkatalog reduzierter Gesundheits- und Risikoerklärung Umsatz zu generieren. Dabei erhofft man sich offenbar eine Verkaufsmacht der Fonds Finanz Maklerservice GmbH. Jedenfalls heißt es auf der Homepage des Pools: „Nürnberger BU-Aktion exklusiv für die Fonds Finanz.“ Der Fonds Finanz Werbesprech weist auf „stark vereinfachte Gesundheitsfragen“ hin und wirbt: „Mit nur zwei Gesundheitsfragen und der Angabe zu Körpergröße und Gewicht ersetzen wir die regulären Gesundheitsfragen aus dem BU-Antrag.“ Haben sich die Fonds Finanz Geschäftsführer Norbert Porazik und Markus Kiener oder deren Verkaufs- und Werbespezialisten die angeblich vereinfachte Erklärung mal angeschaut? Wie es scheint, nicht. Denn neben zwei Gesundheitsfragen und den BMI-Angaben sind nicht nur vier weitere Fragen zu beantworten, sondern insbesondere muss die versicherte Person mit Unterschrift diverse Erklärungen abgeben, so bspw., dass sie „zurzeit uneingeschränkt arbeitsfähig“ ist. Also doch wieder keine wirkliche Vereinfachung und zugleich eine Haftungsfalle für Versicherungsmakler? Wir haben bei Nürnberger-Chef Dr. Armin Zitzmann und FF-GF Porazik nachgefragt, u. a.:
++ Es wird nach Berufs- und Freizeitrisiken, geplanten Auslandsaufenthalten, Vorversicherungen, Erschwernisangeboten und Ablehnungen, Größe und Gewicht gefragt. Worin besteht dennoch ein Vorteil zu einem normalen Antrag? ++ Eine der Fragen lautet: „Erfolgten in den letzten 5 Jahren Operationen, Rehabilitations-, Krankenhaus- oder Kuraufenthalte?“ Sind damit auch ambulante Operationen gemeint? Wenn ja: Warum wird in der Frage nicht darauf hingewiesen? ++ Eine weitere Frage lautet: „Wurden in den letzten 5 Jahren Behandlungen (z. B. verschreibungspflichtige Medikamente, Infusionen, Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie oder Psychotherapie) durchgeführt bzw. empfohlen?“ Liegt trotz ‚z. B.‘ eine abschließende Aufzählung vor? Wenn nein: Welche Behandlungen sollte der Antragsteller angeben, damit er sich nicht in die Gefahr einer Verletzung der Anzeigepflicht nach § 19 VVG begibt?
++ Die versicherte Person soll mit Unterschrift bestätigen, dass sie „zurzeit uneingeschränkt arbeitsfähig“ ist. Worauf sollte die versicherte Person achten, damit sie sich keiner Verletzung der Anzeigepflicht nach § 19 VVG schuldig macht? ++ Die versicherte Person soll mit Unterschrift bestätigen, dass „… aktuell keine Diagnose vorliegt, aufgrund derer innerhalb der nächsten sechs Monaten eine Berufsunfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit beantragt wird“. Wird die BU-Rente gezahlt, wenn die versicherte Person dies unterschreibt, binnen der sechs Monate dennoch berufsunfähig wird, aber den Antrag auf BU-Rente erst nach sieben Monaten stellt? ++ Richtet sich diese BU-Aktion an ausführlich beratende Versicherungsmakler oder soll sie Vermittlern einen schnellen Verkauf einer BU-Versicherung ermöglichen? Während die Fonds Finanz zur Aufklärung nichts beiträgt, antwortet die Nürnberger: „Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass Kunden Fragen wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen beantworten. Sollten Antragssteller Zweifel an der Interpretation bestimmter Auskünfte haben, stehen die qualifizierten Vermittler hilfreich zur Verfügung. Die Berufsunfähigkeits-Versicherung gehört bekanntermaßen zu den beratungsintensiven Produkten und bedarf stets einer ausführlichen Beratung. Mit dem vereinfachten Antragsverfahren wollen wir Vermittler unterstützen, die ihre Beratung digital oder telefonisch durchführen. Der Umfang des Fragenkatalogs hat jedoch sicher keinen Einfluss darauf, ob jemand gesundheitliche Probleme verschweigen will. (…) Die Risikonahme ändert sich durch das vereinfachte Antragsverfahren nicht.“ Statt einer pauschalen Antwort hätten wir konkrete Antworten auf unsere Fragen bevorzugt, aber fassen wir zusammen:
++ Für Interpretationen sind die Vermittler zuständig. Genau für die wären aber klare Antworten hilfreich, damit weder VN noch Makler in Gefahr geraten, sich später gegen Nürnberger-Vorwürfe betreffs § 19 VVG oder § 22 VVG zur Wehr setzen zu müssen ++ Dabei geht es nicht darum, ob jemand vorsätzlich gesundheitliche Probleme verschweigen will, sondern ob VN und Vermittler ‚auf der sicheren Seite‘ sind, wenn die schriftlich gestellten Fragen wahrheitsgemäß beantwortet wurden ++ Eine digitale Beratung, wie bspw. eine Videoberatung, zu einem beratungsintensiven Produkt kann qualitativ gleichwertig sein wie eine analoge Beratung im persönlichen Gespräch. Warum die Nürnberger mit dem (angeblich) vereinfachten Antragsverfahren explizit Vermittler unterstützen will, die ihre Beratung digital oder telefonisch durchführen, erschließt sich uns nicht. Oder gilt hier doch: Es geht nicht um qualifizierte Beratung, sondern schnellen Verkauf?
Wie bewerten BU-Experten unter den Versicherungsmaklern diese Aktion? ++ Philip Wenzel, Geschäftsführer der Philip Wenzel GmbH & Co. KG, kommt zu dem Ergebnis: „Zusammenfassend ist die vereinfachte Gesundheitsprüfung keine lockere Prüfung, durch die ich jetzt alle Kunden führen kann, die bei mir in den letzten Jahren abgelehnt wurden. Es ist eine Vereinfachung. Ich spare mir Zeit, um irgendwelche Unterlagen vom Arzt anzufordern. Der Kunde wird sich in der Regel erinnern können, ob er die letzten zwei Jahre länger als zwei Wochen krankgeschrieben war und ob er so krank ist, dass er in den nächsten sechs Monaten BU werden könnte. Darin besteht der Mehrwert der vereinfachten Gesundheitsprüfung der Nürnberger.“ ++ Tobias Bierl, Gesellschafter der Finanzberatung Bierl GbR, sagt: „Vereinfachte Gesundheitsfragen in der Berufsunfähigkeitsversicherung können (!) ein Segen sein. Aber es gibt immer wieder Fallstricke mit einer teilweise offenen Fragestellung. (…) Bei dieser Aktion tendieren wir eher dazu, dass eine sauber aufbereite Gesundheitshistorie und anschließende anonyme Risikovoranfrage merklich die bessere Entscheidung wäre. (…) Der große Clou ist dies jetzt definitiv nicht. Eigentlich unterscheidet sich diese Fragestellung jetzt nicht unbedingt von zwei, drei Anbietern auf dem normalen Markt – es ist nur etwas hübscher verpackt. Da auch die Abfrage nach gefährlichen Hobbys und dem BMI bleibt, wird der Nutzen unserer Meinung nach sehr gering bleiben.“ ++ Matthias Helberg, Inhaber der Matthias Helberg Versicherungsmakler e. K., kritisiert: „Vereinfacht ist da gar nichts. Der Recherche-Aufwand der Kunden zur Beantwortung der Fragen ist genau so groß wie bei einem Normalantrag. Ein Novum stellt die vom Kunden abzugebende Erklärung dar, dass er sich verpflichten soll, keine Berufsunfähigkeit zu beantragen. Das ist sowohl sprachlich als auch inhaltlich misslungen. Fazit: Eine BU-Aktion für Policen-Verklopper.“
‚vt‘-Fazit: Wir liefern Ihnen mit unserer Recherche und dem Bericht ein in Teilen kontroverses Meinungsbild, zugleich auch unsere Wertung: „Stark vereinfachte Gesundheitsfragen“, wie von Fonds Finanz beworben, sind nicht wirklich gegeben. ‚Digital und beratungsintensiv‘ sind kein Widerspruch, ‚beratungsintensiv und schnell schnell‘ aber schon. Letzteres mit allen Risiken nach VVG für VN und Haftungsgefahren für Versicherungsmakler. Denn hier stehen Umsatzgenerierung durch Verkauf im Vordergrund, nicht die qualifizierte Beratung und Vermittlung. Wie das zu einem Pool passt, der sich Maklerpool nennt, bleibt dessen Geheimnis.
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