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Handelsblatt: „Der grüne Etikettenschwindel …“

„Der grüne Etikettenschwindel – Was wirklich in nachhaltigen Geldanlage-Produkten steckt“, so die vollständige Überschrift im ‚Handelsblatt‘ vom 29.11.2022, die einmal mehr Verbrauchern signalisiert: Finger weg! Und Vermittlern es zunehmend vermiest, nachhaltige Produkte anzubieten. „Sie werben mit Geldanlagen in nachhaltige Unternehmen, investieren aber in vielen Fällen in Kohle, Öl oder die Luftfahrtbranche: Knapp 48 % aller als besonders nachhaltig (‚Dark Green‘) etikettierten Fonds in Europa legen Geld auch dort an, wo kein ökologischer Mehrwert zu erkennen ist“, heizt ‚HB‘ die Negativ-Stimmung an.

Wer aufmerksam liest, darf aber feststellen, dass es sich gar nicht um sanktionierte gesetzliche Verstöße handelt. Das Dilemma ist insbesondere der von der EU gesetzte Rechtsrahmen, u. a. mit EU-Offenlegungsverordnung und EU-Taxonomie-VO. Konkret bezieht sich ‚HB‘ auf letztere, die von der EU-Kommission erlassene „Verordnung, mit der Fonds entsprechend ihrer Nachhaltigkeit klassifiziert werden“. Dazu zitiert ‚HB‘ einen Sprecher der BaFin: „Da die Verordnung neben Umweltzielen auch soziale Ziele umfasst, könnte dies im Ergebnis bedeuten, dass die Investitionen nicht zwingend klimafreundlich sein müssen.“

Auch Dr. Dirk Rathjen, Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau (IVA), kommt zu den „europäischen Regelungsversuchen“ zu Wort. Offensichtlich hätten sich Menschen durchgesetzt, die voller guter Absichten gewesen seien, aber unerfahren im Umgang mit der Komplexität von Nachhaltigkeit. „Die Definition von Nachhaltigkeit ist voll am Ziel vorbeigeschossen“, kritisiert Dr. Rathjen. Man mag es als gut und notwendig oder aber als irrational werten, Tatsache ist zudem, dass am 06.07.2022 das EU-Parlament keine Einwände dagegen erhoben hat, bestimmte Atomkraft- und Erdgasaktivitäten als umweltverträglich gelten zu lassen.

Ist das Regulierungs-Chaos jetzt Schuld der Fondsanbieter und Versicherer? Nein, die Kritik ist an die Eurokraten zu richten (siehe dazu auch Bericht auf S. 3). Selbst die BaFin spricht vom „Dschungel der EU-Offenlegungsverordnung und BaFin-Chef Mark Branson legt den Finger in die Wunde: „Grundsätzlich ist die Idee hinter der Taxonomie gut. Wenn sich Verbraucherinnen, Verbraucher und Unternehmen bewusst für oder gegen eine nachhaltige Investition entscheiden sollen, müssen die Karten auf den Tisch. Aus meiner Sicht aber sind bei der konkreten Ausgestaltung der Taxonomie Probleme aufgetaucht.

Die Frage, was nachhaltig ist, lässt sich eben nicht leicht beantworten.“ (vgl. ‚vt‘ 40/22: „Folgen der Chaos-Re­gulierung: Eurokraten beschädigen Nachhaltigkeits-Entwicklung”) Nach wie vor besteht das Problem, dass die Nachhaltigkeitsdefinition der SFDR wenig Kompatibilität zu den ESG-Industriestandards aufweist – in der gesamten SFDR fehlt eine überdauernde Definition von Nachhaltigkeit.

‚vt‘-Fazit Die einzig richtige Konsequenz wäre: Die seit 02.08.2022 geltende Abfragepflicht zu Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden für Versicherungsvermittler einzustampfen, diese bei 34f GewO Finanzanlagenvermittlern weiterhin nicht einzuführen und dann erst einmal auf EU- und nationaler Ebene, Gesetzgeber wie Aufsichten die Hausaufgaben machen.

Klare und einheitliche Definitionen zwischen Nachhaltigkeit und ESG schaffen, dazu für Transparenz in der Öffentlichkeit sorgen, Leitplanken setzen, damit die Produktgeber den Vermittlern Produkte an die Hand geben können, die diese mit gutem Gewissen, ohne Haftungssorgen und ohne die ständige Greenwashing-Begleitmusik den interessierten Kunden anbieten können.

Dann können, wollen und werden zahlreiche Vermittler ohne überbürokratische, kostenintensive und haftungsgefährliche, sprich mit deutlich reduzierten, Abfragepflichten Kunden zu nachhaltigen Anlageprodukten informieren, beraten und diese vermitteln. Doch dies bedarf der Einsichtigkeit der EU. Aber am Chaos festzuhalten, hieße die Nachhaltigkeit mit Füßen treten.

 

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