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HDI lehnt Wasserschäden im letztjährigen Flutzeitraum unter Faktenverdrehung ab

Wenn Wasser durch einen Rückstau zu Gebäudeschäden führt, dann kann das, muss es aber nicht, ein versicherter Schaden sein. Es kommt insbesondere auf die abgesicherten Leistungen als auch die Versicherungsbedingungen an, zumal wenn ein Regenfallrohr beim Schaden eine große Rolle spielt.

Bei einem Schadensfall, der sich während der Flutkatastrophe des letzten Sommers ereignete, passen Absicherung und AVB, doch die HDI Versicherung AG lehnt mit wechselnden und abenteuerlichen Begründungen die Schadenregulierung ab: Das Wohngebäude des versicherten Ehepaares steht zwar nicht in einem der Überflutungsgebiete, sondern in der Kölsch-Hauptstadt Köln, und der Schaden ist auch bei weitem nicht so dramatisch wie im Ahrtal oder in Erftstadt.

Doch aufgrund der extrem starken Witterungsniederschläge am 14.07.2021 kam es im versicherten Wohngebäude zu einem Wasserschaden. Die Kanalisation war dem Niederschlag nicht mehr gewachsen, Straßen und Gehwege etc. wurden überflutet, schildern die Versicherungsnehmer. Die Kanalisation nahm die Wassermassen nicht mehr auf, das Niederschlagswasser auf dem Dach staute sich zurück in dem durch das Haus verlaufenden Regenfallrohr der Dachrinne.

Dadurch kam es nach Ansicht des vom VN beauftragten Dachdeckermeisters zu dem für die Nässeschäden im Gebäude ursächlichen Wasseraustritt, weiß der mandatierte Versicherungsmakler Volker Müller/Köln zu berichten. Die Schadensmeldung wurde eingereicht, doch HDI lehnte die Regulierung des Schadens ab. Mehrfach, denn der Versicherungsmakler setzte sich für seinen Kunden ein und gab sich mit den Ablehnungen nicht zufrieden. Schließlich landet der Fall auf dem ‚vt‘-Redaktionstisch, wir durchforsten die Unterlagen.

Unter Bezug auf den „vereinbarten Versicherungsvertrag“ teilt HDI im ersten Ablehnungsschreiben am 31.08.2021 mit:

„Danach sind Schäden durch Überschwemmung versichert, wenn das Versicherungsgrundstück überflutet wird. Dies kann durch Witterungsniederschläge geschehen oder dadurch, dass stehende oder fließende Gewässer über die Ufer treten. Aus den eingereichten Unterlagen können wir entnehmen, dass keine Überschwemmung Ihres Grundstückes vorlag. Vielmehr drang das Regenwasser aufgrund der überlasteten Regenrinnen über die Zimmerdecke des Wintergartens in Ihr Gebäude ein.“

Dass Wasser „über die Zimmerdecke des Wintergartens“ eindrang, war der Schadensmeldung nicht zu entnehmen. Vielmehr gab das Ehepaar an, dass das Wasser sich „durch die Wände drückte und in die Zimmerdecken des Wintergartens lief“. Es ist nicht der Knackpunkt, aber weil bei weiteren HDI-Ablehnungsschreiben Uminterpretationen der Angaben erfolgten, weisen wir bereits an dieser Stelle auf diese fragwürdige HDI-Praxis hin.

Sachspezialisten könnten sich an dieser Stelle wundern, warum auf die nach VGB nicht versicherten Schäden durch Regenwasser aus Fallrohren nicht hingewiesen wird. Tatsächlich schreibt HDI nicht nur in diesem Ablehnungsschreiben dazu nichts. In der Antwort vom 11.10.2021 verweist HDI auf das „mitversicherte Paket Elementar (GB 3357)“ und führt die unter Punkt 1 aufgelisteten versicherten Gefahren und Schäden auf.

Ablehnend heißt es: „Starkregen selbst – ohne z. B. eine hierdurch ausgelöste Überschwemmung – ist keine versicherbare Gefahr“. Ein Blick in die Vertragsbedingungen zeigt, dass es auch einen Punkt 2 gibt zu „Überschwemmung, Rückstau“, doch den erwähnt HDI nicht. Geregelt ist dort u. a.: „Rückstau liegt vor, wenn Wasser (…) durch Witterungsniederschläge bestimmungswidrig aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren oder damit verbundenen Einrichtungen in das Gebäude eindringt.“ Warum verweist HDI nicht auf die konkreten Regelungen zum Rückstau? Das ist eine der Fragen, die wir dem HDI-Vorstandsvorsitzenden Herbert Rogenhofer bei unserer Anfrage stellen.

Auffällig auch hier, dass auf die vermeintlich doch einfache Ablehnungsbegründung der nach VGB nicht versicherten Regenfallrohre nicht hingewiesen wird. So setzt sich das fort, im Schreiben vom 22.11.2021 erläutert HDI: „Rückstau bedeutet, dass Wasser aus der Kanalisation über das Abwasserrohr zurück ins Gebäude gedrückt wird. In Ihrem Fall lag wohl eine Überlastung der Dachentwässerung vor, hervorgerufen durch den Starkregen. Jedoch wurde das Wasser nicht durch einen Abfluss ins Haus zurückgedrückt, vielmehr gelangte das Wasser von außen durch die Fassade. Ein versicherter Rückstauschaden liegt somit nicht vor.“

Wenn allerdings Gehwege und Straßen überflutet sind, weil die Kanalisation den Wassermassen nicht mehr Herr werden kann, das Wasser also sich zurückstaut, dann kann auch die Dachentwässerung nicht mehr funktionieren, selbst wenn diese ausreichend dimensioniert ist.

Kommen wir nochmals zum Thema der nach VGB nicht versicherten Regenwasserschäden aus Fallrohren. Denn wie ein tieferer Blick in die Police zeigt, hat das Kölner Ehepaar nicht nur eine Wohngebäudeversicherung mit Elementarschutz, sondern zum Versicherungsumfang gehört u. a. auch das ‚Paket Risiko Plus‘.

Damit gehört die Klausel GB 3354 zum Vertragsumfang. Unter dem Punkt „Regenfallrohre innerhalb des Gebäudes“ ist dort geregelt: „1. In Erweiterung von § 6 Nr. 1 VGB 2014 gilt als Leitungswasser auch Wasser, das aus im Gebäude verlaufenden Regenfallrohren bestimmungswidrig ausgetreten ist.“ Selbstverständlich haben wir HDI-Boss Rogenhofer die vereinbarte Klausel vorgehalten und die Frage gestellt: Warum lehnt HDI die Regulierung des durch Wasseraustritt aus einem im Gebäude verlaufenden Regenfallrohr entstandenen Schadens dennoch ab?

Mit Kenntnis der enthaltenen Regenfallrohr-Klausel gewinnt die nach unserer Kenntnis vierte Ablehnung vom 09.03.2022 doppelte Brisanz: „Gemäß des uns vorliegenden Berichtes des Dachdeckers ist die Feuchtigkeit aufgrund des am Haus verlaufenden Regenfallrohres entstanden. Das Regenfallrohr konnte die enormen Wassermassen nicht ableiten und diese wurden durch die Verbindungen dann in das Mauerwerk gedrückt. Ein versicherter Rückstau durch innerhalb des Gebäudes verlaufende Abflussrohre liegt demnach nicht vor.“ 

Die Unterstreichungen in dieser HDI-Aussage haben wir vorgenommen, denn sie führen uns zu dem unglaublichen Verdacht, dass dem HDI-Schadencenter die Mitversicherung der Klausel zu „Regenfallrohren innerhalb des Gebäudes“ bewusst ist. Lehnt HDI vorsätzlich einen versicherten Schaden ab? Dass in einer Ablehnung auf ‚innerhalb des Gebäudes‘ abgestellt wird, lesen wir in dieser Ablehnung zum ersten Mal. Dazu erfolgt eine Kombination mit der von uns bereits kritisierten Uminterpretation gemachter Angaben.

Der Dachdeckermeister hat in seinem Bericht jedenfalls unmissverständlich zu den Regenfallrohren gleich zweimal etwas ganz anderes geschrieben: „Das Foto zeigt die Entwässerung des Daches, die durch das Haus geführt ist (…) Das Ergebnis der aufwendigen Überprüfung hat ergeben, dass für die Wasserschäden innerhalb des Gebäudes nicht das Dach infrage kommt, sondern mit sehr großer Wahrscheinlichkeit das Fallrohr der Entwässerung, welches durch das Haus verläuft“, fasst er in der Schlussbemerkung zusammen.

„Austretendes Wasser aus Regenfallrohren ist grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen“, erläutert Wilfried E. Simon, Dozent für Versicherungsrecht und Mitglied im Rechtsausschuss des Berufsverbandes Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM) mit Verweis auf Rechtskommentare. „Allerdings ist die Klausel GB 3354 (früher 7166 VGB 2010) in den Bedingungen vorhanden, wonach solche Schäden als mitversichert gelten. Danach muss es sich nicht um abfließendes Leitungswasser handeln, das bestimmungswidrig austritt. Vielmehr gilt dann auch austretendes Regenwasser mitversichert.“ 

Für eine Antwort auf unsere brisanten Fragen an Rogenhofer hat HDI übrigens einen Monat benötigt: „Das Ergebnis der Überprüfung ist, dass wir uns aktuell zu dem Vorgang aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht äußern können.“ Auf unsere Rückfrage, welche konkreten datenschutzrechtlichen Regelungen eine Auskunft unmöglich macht zu einem Vorgang, bei dem der Name des VN nicht bekannt, sondern lediglich eine Versicherungsschein-Nr. angeführt ist, hat HDI bisher nicht beantwortet.

‚vt‘-Fazit: ++ Datenschutzrechtliche Regelungen anzuführen, obwohl keine VN-Daten genannt sind, statt Aufklärung zu betreiben und ggf. eine Schadenregulierung vorzunehmen, sorgt nicht für Transparenz ++ Wie es dazu kommen kann, dass HDI den Versicherungsumfang mit einer wichtigen Klausel ‚übersieht‘ und Aussagen des Dachdeckermeisters gravierend anders wiedergegeben werden, damit sollte sich HDI-Chef Rogenhofer schleunigst beschäftigen. Denn diese Ablehnungs-Vorgehensweise begründet den Verdacht, dass der in der Flutnacht entstandene Wasserschaden vorsätzlich abgelehnt wird.

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