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HUK-COBURG tritt Kundenwillen mit Füßen und missachtet VVG

Wenn ein Versicherer das Korrespondenzpflicht-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.05.2013 (Az. IV ZR 165/12) mit einer kreativen Interpretation zum Nachteil des Kunden auslegt und dabei das VVG missachtet, dann ist das ein Fall für die BaFin.

Wie die HUK-COBURG Versicherungsgruppe einen Versicherungsmakler bei der Tätigkeit für den Mandanten behindert, dabei höchst kundenunfreundlich agiert und Nachteile für den Kunden riskiert, zeigt folgender Fall: Versicherungsmakler Christopher Schätzl, Vorstand Hans Schätzl Versicherungs- und Finanzmakler AG/Passau, bat die HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG unter Vorlage einer umfänglichen und unbefristeten Vollmacht um Übermittlung der Versicherungsbedingungen zu einer Hausrat- und einer Haftpflichtversicherung des Mandanten. Diese könnten an die von Schätzl aufgeführte Mailadresse gesendet werden.

HUK-COBURG teilte dem Versicherungsmakler mit, „wie gewünscht, werden wir ab sofort die Dokumente an Sie schicken sowie anfallenden Schriftwechsel mit Ihnen führen“. Zwar hatte Schätzl nicht um courtagepflichtige Bestandsübertragung gebeten, gleichwohl informiert der Versicherer: „Wir zahlen aber keine Maklergebühren.“ Das Wichtigste für die Betreuung des Kunden, die von Schätzl erbetenen Versicherungsbedingungen, wurden allerdings nicht mitgeliefert. Der Versicherungsmakler hinterfragte, warum HUK-COBURG eine Korrespondenzmaklerschaft bestätigt habe, obwohl lediglich die Versicherungsbedingungen angefordert wurden. Erneut wurde um Übersendung der Bedingungen gebeten.

„Uns ist ein Fehler unterlaufen“, teilte HUK-COBURG daraufhin mit: Entgegen der vorherigen Mitteilung, werde man „zukünftige Dokumente nicht an Sie schicken und auch keinen anfallenden Schriftwechsel mit Ihnen führen“. Denn: „Aus geschäftspolitischen Gründen arbeiten wir nicht mit Maklern zusammen.“ Alle bisher erstellten Versicherungsscheine, Beitragsrechnungen etc. seien dem Kunden bereits zugegangen. Die Dokumente könnten nicht noch einmal an den Makler geschickt werden, denn dies wäre mit weiteren Kosten verbunden, „die zu Lasten aller Versicherungsnehmer fallen“.

Das ist grober Unfug. Denn der VN hat ein Anrecht auf Unterlagen, und die Kosten können auf den konkreten Kunden abgewälzt werden. Wenn „ein Versicherungsschein abhandengekommen“ ist, „kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer die Ausstellung eines neuen Versicherungsscheins verlangen“, so § 3 Abs. 3 VVG. Auch die Kosten sind eindeutig geregelt (Abs. 5), die „hat der Versicherungsnehmer zu tragen und auf Verlangen vorzuschießen“.

Doch ungeachtet der klaren Regelungen im VVG erklärt HUK-COBURG ihre Verweigerungshaltung mit den Kosten: „Nur so können wir den Beitrag für unsere Kunden bei optimalen Leistungen weiter so günstig gestalten wie bisher.“ Lassen wir der HUK-COBURG den Glauben an ‚optimale Leistungen‘, die Missachtung des VVG steht aber auf einem anderen Blatt.

Zudem stellt sich die Frage, welche immensen Kosten entstehen, wenn auf Knopfruck die Bedingungen, die unzweifelhaft zum Versicherungsschein gehören, als PDF per E-Mail dem Versicherungsmakler zugestellt werden. Der Fall landet in der ‚vt‘-Redaktion, wir haken bei HUK-COBURG-Vorstandssprecher Klaus-Jürgen Heitmann nach:

++ Welche Kosten wären der HUK-COBURG entstanden, wenn in der Mail an den Versicherungsmakler die Bedingungen als PDF angehangen worden wären? 

++ Warum hat HUK-COBURG den Versicherungsmakler nicht über die anfallenden Kosten informiert und eine Versendung der Bedingungen gegen Zahlung dieser Kosten angeboten? 

++ Der VN hat den Versicherungsmakler zur Vertretung gegenüber Versicherern beauftragt, wozu auch die Entgegennahme der Versicherungsbedingungen zählt. Wie vereinbart es sich mit kundenfreundlichem Verhalten, diesem Willen des Kunden nicht nachzukommen? 

++ Wie vereinbart sich nach Auffassung der HUK-COBURG die Nichtbeachtung des in der Vollmacht ausgedrückten Kundenwil­lens mit § 1a VVG und den Vorgaben des GDV-Verhaltenskodex, dass sich die Versicherungsunternehmen an den Bedürfnissen des Kunden zu orientieren, diese in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen und im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln haben?

„In dem genannten Fall verweisen wir auf das Urteil Az. IV ZR 165/12. Hier hat der BGH eine Korrespondenzpflicht des Versicherungsunternehmens mit dem Makler als vertragliche Nebenpflicht des Versicherungsunternehmens mit dem Makler bezeichnet. Gleichzeitig hat der BGH jedoch darauf hingewiesen, dass es dem Versicherer nicht zuzumuten ist, bereits dem Versicherungsnehmer erteilte Auskünfte noch einmal zu erteilen. Dies ist Ausfluss der Prämisse des Urteils, dass die Korrespondenz mit dem Makler dem Versicherungsunternehmen keinen höheren Aufwand verursachen darf als die Korrespondenz mit dem Versicherungsnehmer“, interpretiert HUK-COBURG das höchstrichterliche Urteil äußerst kreativ und an der BGH-Aussage vorbei.

Konkret hatte der BGH ausgeführt: „Die Auskunftspflicht reicht allerdings nicht weiter als diejenige, die den Versicherer unmittelbar gegenüber dem Versicherungsnehmer trifft.“ Ein Versicherer sei „nicht verpflichtet, Auskünfte mehrfach zu erteilen und diese erneut gegenüber dem Vertreter nachzuholen“. Eine Korrespondenz­pflicht erstrecke sich „nicht auf die Erteilung von Auskünften etwa über vorhandene Verträge, Leistungsübersichten, Fälligkeiten, Beiträge, Schadensquoten, Schadensaufstellungen etc.“, die der Versicherer dem VN „bereits erteilt hatte“.

Dass es keine Pflicht gibt, x-beliebig oft die gleichen Informationen zu liefern, womöglich sogar in kurzen Zeitabständen erst dem VN und dann noch einmal dem Versicherungsmakler, ist nachvollziehbar. Ebenso aber auch, dass der BGH sich nicht gegen geltendes VVG-Recht ausspricht. Daher können die Aussagen des BGH auch nicht kreativ, so wie es einem in den Kram passt, ausgelegt werden, sondern nur unter Beachtung u. a. des VVG. Die HUK-COBURG bemüht allerdings lieber eine schräge und praxisferne Argumentation:

„Ein höherer Aufwand entsteht jedoch, wenn in jedem Fall, in dem ein Versicherungsvertrag von einem Makler betreut wird, jedes Mal ein Versicherungsschein an den Makler gesandt werden müsste, obwohl der Versicherungsschein beim Versicherungsnehmer vorhanden ist.“ Wenn etwas angefordert wird, „obwohl“ es vorhanden ist, dann wäre das ein überflüssiger Aufwand. Glaubt die HUK-COBURG, dass Versicherungsmakler unter Langeweile leiden und um Unterlagen bitten, die im Ordner des VN gefunden wurden?

Bei den dreisten Unterstellungen der HUK-COBURG gegenüber dem eigenen Kunden legt der Versicherer nach: „Es ist grundsätzlich die Pflicht des Versicherungsnehmers, einen von ihm beauftragten Makler über den Stand seiner Versicherungsangelegenheiten zu informieren und ihm vorhandene notwendige Unterlagen zu übergeben.“ Doch der Kunde betreibt keine Verweigerung der Unterlagen-Weitergabe, wie die HUK-COBURG suggeriert: Die Unterlagen sind nicht vollständig, wichtige Dokumente nicht mehr auffindbar.

Das hätte die HUK-COBURG aus der Anfrage von Schätzl, der Mitglied im Versicherungsmakler-Berufsverband Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM) ist, erkennen können. Denn der hatte nicht nur den vollständigen Namen und die Adresse des VN angegeben, sondern auch die Versicherungsschein-Nummern der Hausrat- und der Haftpflichtversicherung. Demnach hat der Makler Unterlagen erhalten, doch diese sind nicht vollständig. Was auch nicht verwundern muss. Denn die beiden Policen stammen bereits aus dem Jahr 2003, und da können einem VN durchaus mal wichtige Dokumente fehlen.

Zudem stehen dem VN auch Auskünfte zu Vorschäden zu, wie RAin und Fachanwältin für Versicherungsrecht ­Kathrin Pagel, Partnerin in der Kanzlei Michaelis, bereits 2018 auf ‚vt’-Anfrage erläuterte (vgl. ‚vt‘ 05/18): „Wenn der VN sich nicht sicher ist, ob die von ihm anzugebenden Vorschäden vollständig sind, kann er um Auskunft beim bisherigen VR bitten, indem er genau dies so angibt und feststellt, dass ihm die zugehörigen Unterlagen fehlen. Nach § 3 Abs. 4 S. 1 VVG kann der VN vom VR jederzeit Abschriften der Erklärungen verlangen, die er mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Somit hat er jedenfalls Anspruch auf Auskünfte über seine Schadensmeldungen und eingereichte Unterlagen und Erklärungen, die davon erfasst sein dürften. (…) Der Auskunftsanspruch ergibt sich in dem Fall auch aus dem bestehenden Vertragsverhältnis als vertragliche Nebenpflicht aus § 280 BGB, wenn es sich um schutzwürdige Interessen des VN handelt, wovon auszugehen sein dürfte.

‚vt‘-Fazit: ++ HUK-COBURG-Boss Heitmann hatte Mitte des Jahres für den Kfz-Bereich ein „tiefrotes Ergebnis“ angekündigt (vgl. ‚vt‘ 27/23). Prämienerhöhungen folgten. Wenn nun die HUK-COBURG-Allgemeine aufgrund ‚Kosten‘ noch nicht einmal mehr auf Knopfdruck Versicherungsbedingungen versenden kann, müsste es noch schlechter als „tiefrot“ um den Versicherer bestellt sein. 

++ Der BGH hat nicht entschieden, dass Versicherer kundenunfreundlich sein müssen. Ebenso hat er den VN-Rechten, die sich aus dem VVG ergeben, keine Absage erteilt. 

++ Mit dieser kundenunfreundlichen und ggf. zu einem Nachteil des Kunden führenden Vorgehensweise halten wir die HUK-COBURG für einen Fall für die BaFin. Geeignet ist eine Beschwerde dort, mit der die Aufsicht sich mit dieser Verhaltensweise beschäftigt und die HUK-COBURG eine Stellungnahme zu dem Fall abgeben muss.

 

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