vt – Aktuelle Themen

Intransparenter BdV liefert ranzigen Käse und oberflächliche Produktbewertungen

Der Bund der Versicherten e. V. (BdV), sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser, vergibt seit 2015 jährlich den Negativpreis ‚Versicherungskäse des Jahres‘. Aktuell hat der BdV wieder drei Produkte auserkoren, von denen eines am 26.03.2021 von der BdV-Käse-Jury ,ausgezeichnet‘ wird. Wie schon im Vorjahr (vgl. ‚vt‘ 16/20) verpasst es der BdV auch im siebten Anlauf, Expertentum darzulegen und glänzt mit ideologischen Ansichten.

Warum die Käse-Preisverleihung eher der Publicity des BdV und nicht dem Verbraucherschutz dient, deckt ‚versicherungstip‘ für Sie auf: In der Pressemitteilung „Versicherungskäse 2021: Die Nominierten stehen fest“ vom 08.03.2021 informiert der BdV über die nominierten Tarife und Versicherer und liefert spärliche Begründungen für die Nominierungen: ++ Von der TARGO Lebensversicherung AG ist die ‚Kreditlebensversicherung‘ nominiert. „Diese Art Versicherung soll im Versicherungsfall die Kreditsumme sichern“, erläutert der BdV das Grundprinzip einer Restschuldversicherung (RSV) und kritisiert: „Das wird teuer bezahlt. Uns liegt ein Fall vor – dieser steht für viele seiner Art – in dem die Versicherungsprämie einen hohen Prozentsatz des eigentlichen Kredites ausmacht. Die Versicherungsprämie ist so hoch, weil in ihr unfassbar viele Kosten stecken.“

Der BdV kritisiert theatralisch „unfassbar viele Kosten“. Welche das sind, nennt er aber nicht. Insbesondere deckt die Käse-Jury bei dem äußerst kritikwürdigen Banken-Thema und der RSV-Vertriebspraxis mit teilweise sittenwidrigen Provisionen kein neues Thema auf, sondern springt auf einen fahrenden Zug: Die BaFin hat bereits am 21.06.2017 und am 01.09.2020 die Ergebnisse der Marktuntersuchungen zur RSV veröffentlicht. Die festgestellten Provisionen lagen oftmals über 50 % und „der höchste Provisionssatz, welchen die BaFin in ihren Untersuchungen identifiziert hat, beträgt 79 % der erhobenen Beitragssätze für das Risiko ‚Tod‘“, berichteten wir kürzlich (vgl. ‚vt‘ 09/21) nochmals anhand der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP (BT-DrS. 19-26396). „Die BaFin muss bei sittenwidrigen Provisionssätzen eingreifen. Dafür braucht es keine neue gesetzliche Regelung, sondern diese ist in § 48 a VAG gegeben“, konstatiert der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler.

Die Verkaufspraxis der RSV steht nicht nur seit über zwei Jahren im Fokus des Gesetzgebers und wird seit langem in der Öffentlichkeit deutlich kritisiert, sondern die Regulierung der RSV (vgl. ‚vt‘ 07/21) hat bereits das Bundeskabinett passiert (vgl. ‚vt‘ 09/21). „Welche zusätzlichen negativen Merkmale aus Sicht der BdV-Käse-Jury weist die ‚Kreditlebensversicherung‘ der TARGO gegenüber anderen Anbietern/Tarifen auf, die zur Nominierung führten?“, wollte ‚vt ‘von der Käse-Jury-Vorsitzenden Edda Castelló wissen.

„Im Namen der Versicherungskäse-Jury möchte ich Ihnen ausrichten, dass zuvor keine weiteren Informationen zum Grund der Nominierungen bekanntgegeben werden. Alles bisher zu Berichtende können Sie der Pressemitteilung entnehmen“, verweigert der BdV Antworten und Aufklärung. Hat die BdV-Käse-Jury jahrelang geschlafen oder spekuliert sie, bei dem medienwirksamen RSV-Thema mit der Negativauszeichnung für den BdV-Käse-Preis reichlich Publicity einzufahren? Mit der RSV ein seit Jahren am Pranger und unmittelbar vor der Regulierung stehendes Produkt zu nominieren, ist ranziger Käse.

++ Von der ARAG Allgemeine Versicherungs-AG ist der Tarif ‚Kennzeichen Plus‘ nominiert. „Der ‚Schutz‘ betrifft den Diebstahl eines Autokennzeichens und den Verlust desselben – den aber nur, wenn die Schrauben nicht locker waren und man das Kennzeichen gar aus eigenem Verschulden verloren hat“, so der BdV. Das erscheint tatsächlich ‚dünn‘ als Leistung. Allerdings beinhaltet der Tarif ein Leistungspaket, u. a. von der Übernahme der Kosten und Behördengänge bis hin zur Lieferung der neuen Kennzeichen.

Keine Frage, das ist keine Versicherung, die ein Verbraucher unbedingt haben sollte, wie bspw. Privathaftpflicht. Aber viele Bürger scheuen Behördengänge, nicht zuletzt, weil diese durch Wartezeiten zeitaufwändig sein können. Wenn die ARAG das bereits 2012 auf den Markt gebrachte Produkt immer noch anbietet, dann scheint es dafür wohl Nachfrage zu geben. Das Produkt muss den Kunden schmecken, nicht dem BdV. Doch auf unsere Fragen verweigert die Käse-Jury die Antworten ++ Auch die Basisrente ‚Generation Basic Plus‘ von der Canada Life Assurance Europe plc ‚schafft‘ es auf das Nominierungstreppchen.

„Aufgefallen ist das Vorsorgeprodukt wegen mauer Konditionen und allem voran stattlicher Kosten, die leicht mehr als die Hälfte der möglichen Rendite verzehren können“, moniert der BdV. Hat die Käse-Jury nur diese dürren pauschalen Vorwürfe oder kann der BdV mehr Substanz und Belege liefern? Wenn in einem Satz niedrige „Rendite“ wegen hoher „Kosten“ und als Dritte im Bunde „maue Konditionen“ genannt werden, stellt sich die berechtigte Frage, was das ist. Doch auch hier wird die Aufklärung verweigert – wie auch bei allen weiteren Fragen, die wir Castelló vorlegten:

++ Welche stattlichen Kosten hat das Produkt konkret?  ++ Auf welche Produkt-/Kosteninformationen hat die Käse-Jury des BdV ihre Untersuchung gestützt?  ++ Werden nach Auffassung der BdV-Käse-Jury mit den Standardvorgaben der Produktinformationsblätter und der Klassifizierung durch die Produktinformationsstelle Altersvorsorge die für die Renditeentwicklung maßgeblichen, hinterlegten Unitised-With-Profits-Fonds angemessen berücksichtigt? 

++ Hat die BdV-Käse-Jury bei der Analyse die Treueboni berücksichtigt?  ++ Wurde bei der Renditeberechnung berücksichtigt, dass mit dem UWP Garantien (Mindestwertentwicklung) verbunden sind, deren dafür anfallenden Garantiegebühren ausgewiesen werden, während bei Produkten anderer Anbieter Garantiegebühren häufig nicht ausgewiesen werden, und dies insofern ein Vergleich der Kosten erschwert?

Für die Pressemitteilung verantwortlich im Sinne des Presserechts ist BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Bei seriös arbeitenden Journalisten zählt es als Sorgfaltspflicht, bei kritischen Vorwürfen dem ‚Beschuldigten‘ Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die BdV-Käse-Jury betätigt sich aber als Heckenschütze, und, obwohl die Beweise für die Anschuldigungen – eigentlich – in der Schublade liegen und schnell greifbar sein müssten, verweigert die Aufklärung.

„Auch wenn wir so zu ungeplantem Ruhm gekommen sind: Ich hätte erwartet, dass man – wenn ein vermeintlicher Missstand vermutet wird – zunächst eine Klärung mit der betroffenen Gesellschaft versucht herbeizuführen. Dies ist seitens BdV nicht erfolgt. Auch nach der Nominierung hat der BdV nicht auf unsere schriftliche Anfrage reagiert. Wir wissen also nicht, auf welcher Faktenlage der BdV seine Nominierung begründet. Wir können ohne Informationen seitens des BdV defacto nur Mutmaßungen anstellen. Die anerkannte Leistungsstärke unseres Tarifs kann es jedenfalls nicht sein. Daher vermuten wir, dass der BdV schlicht nicht alle Tarifmerkmale in seine Beurteilung einbezogen hat und daher ein falsches Bild entstanden ist. Wir sind jederzeit zu einem Austausch bereit!“, erklärt Markus Drews, Managing Director der Canada Life, auf Anfrage der ‚vt‘-Redaktion.

„Die Versicherer haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie einfach keine Altersvorsorge können (…) Bringt man das in Zusammenhang mit der derzeitigen Kapitalmarktkrise, gehe ich davon aus, dass sich die Versicherer mittelfristig vom Thema Altersvorsorge auch verabschieden werden müssen“ , formulierte Bianca Boss vom BdV im letzten Jahr (vgl. ‚vt‘ 11/20) die ideologische Sichtweise des BdV zur Altersvorsorge, die BdV-Boss Kleinlein nicht minder unsachlich um die LV-Provisionsdeckel-Ideologie ergänzt und „die Beschränkung der Abschlusskosten auf 1,5 % der Beitragssumme“ fordert.

Der Verdacht wiegt schwer: Der BdV hat beim Altersvorsorgeprodukt mit ideologischen Scheuklappen Produktkosten falsch interpretiert und Renditebestandteile übersehen. Und wer angesichts der Verfügbarkeit von Nettotarifen dennoch für eine Produktkosten-Kritik Provisionstarife mit der Vergütung der Dienstleistung Beratung und Vermittlung heranzieht, offenbart Ideologie, aber kein Expertentum.

‚vt‘-Fazit: Gravierende handwerkliche Fehler und ideologische Sichtweisen sind keine Basis für eine glaubwürdige Preisverleihung. Damit liefert der BdV den größten Preisauszeichnungs-Käse ab. Nutzen Sie unserer Recherche und unseren Bericht, wenn Sie auf irritierte Kunden treffen!

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