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Lässt Transparenz BMF-Provisionsdeckel-Argument erneut wie ein Kartenhaus einstürzen?

Es macht sprachlos und wirft ein schlechtes Bild auf das Demokratieverständnis  ++ des BMF, wenn Staatssekretär Dr. Jörg Kukies (SPD) anhand noch unveröffentlichter Zahlen aus einer BaFin-Erhebung Stimmung für einen LV-Provisionsdeckel macht (vgl. ‚vt‘ 49/19), aber aufklärende Fragen zu seinen Äußerungen nicht beantwortet werden – „Zu Einzelheiten der abgefragten Zahlen nehmen wir nicht Stellung“ – und  ++ der BaFin, wenn diese ausgesuchte Zahlen in einer Pressemitteilung (vom 11.12.2019) und der dortigen Anlage „Ausgewählte Ergebnisse der aktuellen BaFin-Abfrage zu Zahlungen an Versicherungsvermittler“ verbreitet, aber Auskünfte zu weiteren aussagekräftigen Daten und der Datenerhebung verweigert werden (vgl. ‚vt‘ 51/19).

Diese Vorgehensweise kritisiert MdB Frank Schäffler, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Steuern und Finanzen der Fraktion der Freien Demokraten, im Gespräch mit der ‚vt‘-Redaktion: „Das BMF schießt mit einer Schrotflinte auf Spatzen. Eigentlich tappt die Aufsicht im Dunkeln. Doch eines ist klar. Die Zeit der üppigen Provisionen der Lebensversicherungen ist in Zeiten der Null- und Negativzinspolitik längst vorbei. Daher sind die Zahlen des BMF unglaubwürdig. Klarheit würde erst herrschen, wenn das BMF die Zahlen detailliert aufschlüsseln würde. So herrscht am Ende nur der Eindruck, das BMF wolle den Provisionsdeckel mit aller Gewalt durchdrücken.“

Es gibt reichlich Gründe, warum (einseitig) ‚ausgewählte‘ Vergütungszahlen keine Grundlage für eine sachgerechte Diskussion über eine angebliche Notwendigkeit eines LV-Provisionsdeckels sind und zudem für eine zutreffende Interpretation der Vergütungszahlen auch eine Kenntnis der Erhebungsgrundlagen notwendig ist. Wie schnell eine katastrophale Fehlinterpretation unterlaufen kann, hat ‚vt‘ im Vorjahr entlarvt:

So hatte das BMF die hohen Restschuld-Provisionen zur Begründung des LV-Provisionsdeckels herangezogen und laut BaFin die „Werte einzelner Versicherungsunternehmen, die sich (…) als Durchschnittswert der Abschlussprovision für den betreffenden Vertriebsweg ergeben haben“ völlig falsch interpretiert als die „niedrigsten und höchsten in Rechnung gestellten Provisionen“ die „je nach Vertriebsweg zwischen 0,17 % und 10,76 % der Beitragssumme in der Spitze“ schwanken würden und damit dramatische aber nicht existierende Maximalwerte attestiert (vgl. ‚vt‘ 36/19).

Damit LV-Deckel-Befürworter und LV-Deckel-Gegner auf Augenhöhe diskutieren können, wollte ‚vt‘ von der Aufsicht u. a. wissen:

++ In der BaFin-Anlage werden die Anteile der Produkte KAP (kapitalbildende Produkte), RSV (Restschuldversicherungen) und SLV (sonstige LV-Produkte) an der Beitragssumme 2018 (absolut und prozentual) ausgewiesen. In der Pressemitteilung wird für KAP ein durchschnittlicher Provisionssatz von 3,25 % angegeben. Wie viel AP wurde für KAP 2018 absolut gezahlt? Wie viel AP wurde für RSV 2018 absolut gezahlt und wie hoch ist der durchschnittliche Provisionssatz?

Wie viel AP wurde für SLV 2018 absolut gezahlt und wie hoch ist der durchschnittliche Provisionssatz?  ++ Die Angabe der Beitragssumme 2018 auf eine Nachkommastelle (108,4 Mrd. €) und die dafür gezahlte Vergütung, ebenfalls angegeben mit einer Nachkommastelle (4,1 Mrd. €), ergibt rechnerisch einen durchschnittlichen Provisionssatz von 3,78 %. Auf Basis welcher (weniger gerundeter) Zahlen hat die BaFin einen durchschnittlichen Provisionssatz von 3,82 % errechnet? 

++ Schließt die BaFin aus, dass sich die aus 3,77 % und 3,82 % ergebende Differenz von 0,05 %-Punkten auf Unschärfen beruhen könnte, die der komplexen Abfrage geschuldet sind? Wenn ja, warum?  ++ Die sich aus 3,77 % und 3,82 % ergebende Differenz von 0,05 %-Punkten bezieht sich auf das gesamte Neugeschäft 2017 im Vergleich zu 2018. Zum Neugeschäft zählen die Produkte KAP, RSV und SLV, die unterschiedlich vergütet werden. Schließt die BaFin aus, dass die geringe Veränderung von 0,05-%-Punkten auf einem 2018 im Vergleich zu 2017 geänderten Produktmix beruhen können? Wenn ja, warum? 

++ Für KAP berichtet die BaFin über einen durchschnittlichen Provisionssatz von 3,25 % und dass „für einzelne Vermittler im Jahresdurchschnitt allerdings auch Abschlussprovisionen von mehr als 7 % der Beitragssumme gezahlt“ werden. Bei wie vielen Versicherern hat die BaFin festgestellt, dass für einzelne Vermittler im Jahresdurchschnitt Abschlussprovisionen von mehr als 7 % der Beitragssumme gezahlt werden? Für wie viele Vermittler insgesamt werden im Jahresdurchschnitt Abschlussprovisionen von mehr als 7 % der Beitragssumme gezahlt? 

++ Wurden bei der Erhebung der Abschlussprovisionen die Wirkung der Stornohaftung bzw. Provisionsrückzahlungen berücksichtigt? Wenn nein, warum nicht?  ++ Wurde bei der Erhebung für 2018 eine Abzinsung der laufenden Vergütungen vorgenommen? Wenn nein, warum nicht?  ++ Führt die Berücksichtigung der Wirkung der Stornohaftung bzw. Provisionsrückzahlungen nach Auffassung der BaFin zu niedrigeren Abschlussprovisionen, als für 2018 in Höhe von 4,1 Mrd. € ausgewiesen? 

++ Sind in der Gesamtvergütung 2018 auch Festgehälter des angestellten Außendienstes enthalten? Die BaFin berichtet, dass die aufgeschobenen Provisionszahlungen von 1,1 Mrd. € (2017) auf 1,0 Mrd. € (2018) gesunken sind. Wie hoch waren die aufgeschobenen Provisionszahlungen für KAP 2017 und 2018?

‚vt‘-Fazit: Wenn weder BMF noch BaFin für Transparenz sorgen wollen, versuchen wir im Interesse der Versicherungsmakler und Verbraucher Licht ins Dunkel zu bringen!

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