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LVM lässt Kunden an ausgestrecktem Arm verhungern

Die LVM Versicherung verweigert einem bevollmächtigten Versicherungsmakler und damit dem Versicherungsnehmer Auskünfte zur Vorschadensituation. Dabei beruft sich die LVM auf das Korrespondenzpflicht-Urteil des Bundesgerichtshofs, das hier aber gar nicht einschlägig ist. Dem Kunden droht dadurch ein gravierender Rechtsnachteil: Die Versicherungsmaklerin Brüggenthies Versicherungsmakler GmbH & Co. KG/Bad Salzuflen gewinnt einen neuen Kunden, der u. a. eine verbundene Wohngebäudeversicherung bei der LVM hat. Geschäftsführer Dirk Brüggenthies bittet die Münsteraner „um Auskunft zur Vorschadensituation der letzten 5 Jahre“. Der Kunde hat nicht mehr alle Unterlagen parat, und um im Fall eines besseren Neuvertrages bei einem anderen Versicherer keine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung zu riskieren, wird eine Schadensübersicht oder eine Bestätigung, dass es im abgefragten Zeitraum keine Schäden gab, benötigt. Doch die verweigert die LVM ihrem Kunden, der von einem Makler betreut wird: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen Vertragsauflistungen, Leistungsübersichten oder Schadenaufstellungen nicht zukommen lassen werden, da wir hierzu nicht verpflichtet sind (BGH Az. IV ZR 165/12)“, teilt die LVM dem Makler mit. Die LVM bezieht sich auf das sogenannte Korrespondenzpflicht-Urteil (vgl. ‚vt’ 25/13: „BGH verurteilt LVM zu Verbraucherschutz“), doch woher sie ihre Interpretation bezieht, grundsätzlich keine Auskünfte zur Vorschadensituation geben zu müssen, erklärt sie nicht. Wir halten diese Argumentation auch für falsch, abgesehen davon hatte Brüggenthies keine Leistungsübersichten und Vertragsauflistungen angefordert, wie es die Antwort der LVM suggeriert. Die ‚vt’-Redaktion hat LVM-Chef Dr. Mathias Kleuker mit dem Sachverhalt konfrontiert und die Rechtsgrundlage angefragt, auf deren Basis die LVM es ablehnt, die für die Kunden notwendigen Auskünfte zur Vorschadensituation zu erteilen. Aber der Versicherer hüllt sich in Schweigen und bittet um „Verständnis, dass wir Ihre Anfrage inhaltlich nicht beantworten werden“. Doch den Kunden stehen Auskünfte zu Vorschäden durchaus zu, wie RAin und Fachanwältin für Versicherungsrecht Kathrin Pagel, Partnerin in der Kanzlei Michaelis, auf ‚vt’-Anfrage erläutert:

„Wenn der VN sich nicht sicher ist, ob die von ihm anzugebenden Vorschäden vollständig sind, kann er um Auskunft beim bisherigen VR bitten, indem er genau dies so angibt und feststellt, dass ihm die zugehörigen Unterlagen fehlen. Nach § 3 Abs. 4 S. 1 VVG kann der VN vom VR jederzeit Abschriften der Erklärungen verlangen, die er mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Somit hat er jedenfalls Anspruch auf Auskünfte über seine Schadensmeldungen und eingereichte Unterlagen und Erklärungen, die davon erfasst sein dürften. Es genügt dem VN ggf. auch schon eine Bestätigung, dass es keine weiteren Vorschäden als die angegebenen gab, was dem VR ohne weiteres möglich sein dürfte. Der Auskunftsanspruch ergibt sich in dem Fall auch aus dem bestehenden Vertragsverhältnis als vertragliche Nebenpflicht aus § 280 BGB, wenn es sich um schutzwürdige Interessen des VN handelt, wovon auszugehen sein dürfte.

Auch Wilfried E. Simon, Versicherungsdozent und Vorstandsvorsitzender der Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM), führt die vertragliche Nebenpflicht ins Feld: „Nach meiner Überzeugung muss der VR hier auf die Interessen des VN Rücksicht nehmen und Auskunft erteilen. Dies gebietet § 241 Abs. 2 BGB dem VR als vertragliche Nebenpflicht.“ Doch die LVM bekräftigt ihre Verweigerungshaltung, berichtet Versicherungsmakler Brüggenthies: „Nachdem wir von der LVM keine Information zur Vorschadensituation erhielten, hatten wir den neuen Versicherer über die Auskunftsverweigerung informiert und diesen gebeten, selbst bei der LVM anzufragen. Doch der teilt uns nun mit, dass auch er mit dem Vermerk ‚der Vertrag sei ungekündigt’ keine  Auskunft erhalten habe.“ Da hatte der Versicherungsmakler wohl einen besseren Versicherungsschutz mit günstigerer Prämie gefunden, doch die LVM versperrt dem Verbraucher den Weg! Denn ohne neuen Versicherungsschutz in der Tasche zu haben, zu kündigen, ist für Makler und Kunden ein heißes Pflaster, moniert Brüggenthies: „Erst kündigen zu müssen, um antragsrelevante Daten zu erhalten, kann bei einer schlechten Vorschadensituation nun mal zu einer Antragsablehnung führen. Das ist nun eindeutig der falsche Weg.“ IGVM-Chef Simon weist auf die Brisanz hin: „Wollen Versicherungsmakler nicht riskieren, unzutreffende Angaben im Antrag bzw. in der Deckungsaufgabe zu Vorschäden zu machen, ist es erforderlich, dass dieser sich nach eingetretenen Versicherungsfällen im Abfragezeitraum erkundigt. Die Auskunft darüber schuldet der VN dem neuen VR. Ist dieser sich jedoch unsicher, wann und in welcher Höhe zu welchem versicherten Risiko Schäden eingetreten sind, kann er meiner Auffassung nach darüber Auskunft von seinem Versicherer fordern. Gemäß § 311 Abs. 3 BGB hat auch der Vertreter des VN ein Anrecht auf die Auskunft.“ Doch die LVM lässt den Kunden am ausgestreckten Arm verhungern. Die Weigerung, dass ein Mitbewerber notwendige Daten auf den Tisch bekommt, halten wir auch wettbewerbsrechtlich für unzulässig.

‚vt’-Fazit: Der Kunde, der mit den Leistungen der LVM oder den Vertrauensleuten unzufrieden ist und einen Makler mandatiert, wird bei der LVM zu einem Kunden zweiter Klasse. Dass dem VN Rechtsnachteile drohen, scheint der LVM egal. Der GDV-Verhaltenskodex setzt für die Versicherer einen Rahmen von Normen und Werten, um den Interessen der Kunden gerecht werden. Die Weigerung der LVM, den Kunden eine notwendige Schadensaufstellung zukommen zu lassen, ist mit den Vorgaben des GDV-Verhaltenskodex, dass sich die Versicherer an den Bedürfnissen des Kunden zu orientieren und diese in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen haben, nicht vereinbar. Die LVM tritt Kodex und Verbraucherschutz mit Füßen.

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