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LVM mit dubioser Datenverwendung bei Werbe- und Rückgewinnungsschreiben

Die LVM Versicherung schickte kürzlich ein Werbe- und Rückgewinnungsschreiben an einen ehemaligen Kunden, dessen Vertrag bei der LVM vom mandatierten Versicherungsmakler fristgerecht 2013 (!) gekündigt und mit Jahresablauf beendet wurde. Skurrilerweise wird das an den ehemaligen Kunden gerichtete Werbe- und Rückgewinnungsschreiben adressiert an den (damals wie heute) mandatierten Makler.

Dass bei der LVM rund sieben Jahre nach der Kündigung vertragsrelevante Daten und Daten des ehemaligen Kunden gespeichert sind und Verwendung finden, wirft zudem Fragen nach der rechtlichen Zulässigkeit auf: Versicherungsmakler Dirk Brüggenthies, Brüggenthies Versicherungsmakler GmbH & Co. KG/Bad Salzuflen, kündigte unter Vorlage der Maklervollmacht am 29.07.2013 den Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag eines Mandanten bei der LVM.

Mit Schreiben vom 16.08.2013 an den Makler wurde die Vertragsbeendigung zum 01.01.2014 bestätigt. Knapp sieben Jahre später will die LVM den ehemaligen VN zurückgewinnen. Dem wird ein „Top-Haftpflichtschutz mit 20 Mio. € Versicherungssumme und der LVM-LandwirtschaftPlus“ angeboten. Das auf den 04.09.2020 datierte Schreiben eines LVM-Versicherungsbüros wendet sich an den ehemaligen VN und ist adressiert „c/o Brüggenthies“.

Offenbar sind bei der LVM noch alle Vertrags- und Kundendaten bis hin zur Vollmacht mit Postempfangsvollmacht gespeichert. So teilt die LVM mit: „Leider haben Sie Ihre LVM-Betriebshaftpflicht gekündigt. Um Sie als Kunden zurückzugewinnen, bieten wir Ihnen eine deutlich verbesserte Betriebshaftpflicht zu attraktiveren Preisen an!“ Zwar wären eine konkurrierende Tätigkeit und ein Versuch der Rückwerbung, soweit dies nicht mit unlauteren Mitteln passiert, grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im konkreten Fall erscheint die Vorgehensweise aber rechtlich fragwürdig.

Wir haben daher den LVM-Vorstandsvorsitzenden Dr. Mathias Kleuker um Stellungnahme gebeten: ++ Warum sind mehr als sechs Jahre seit Vertragsbeendigung die Daten des ehemaligen Kunden und vertragsrelevante Details weiterhin bei der LVM gespeichert?  ++ Auf Basis welcher Rechtsgrundlage sieht die LVM dies als zulässig an? ++ Wie vereinbart sich dies mit den Compliance-Regeln der LVM? Als Reaktion auf unsere Anfrage an den LVM-Boss werden wir lediglich „um Verständnis“ gebeten, dass die LVM diese „inhaltlich nicht beantworten“ wird. Hat die LVM kein Interesse an Aufklärung oder müsste sie rechtswidriges Verhalten eingestehen, weil ihre Vorgehensweise ohne Rechtsgrundlage erfolgt?

„Grundsätzlich kann eine Kontaktaufnahme zu Werbezwecken bei Verbrauchern nur mit Einwilligung des Betroffenen erfolgen. Dies betrifft auch die Verwendung von personenbezogenen Daten, die die verantwortliche Stelle aus einer eigenen unmittelbaren vertraglichen oder vertragsähnlichen Rechtsbeziehung zu dem Betroffenen erhalten hat.

Im Falle von Werbung mittels postalischer Zustellung muss für den Betroffenen erkennbar sein, dass es sich um Werbepost handelt. Die rechtlichen Vorgaben sind bei Briefpost weniger streng als beispielsweise bei telefonischer Akquise. Grundsätzlich hat der Werbetreibende immer die datenschutzrechtlichen Informationspflichten zu beachten“, sagt Rechtsanwältin und Fachanwältin für Versicherungsrecht Kathrin Pagel, Partnerin der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte/Hamburg.

Wer – womöglich weil er unzufrieden mit dem Produkt, der Betreuung oder einer abgelehnten Leistungsregulierung war – sich von einem Versicherer abwendet und nicht mehr kontaktiert werden möchte, kann das auch unterbinden. „Der Kunde hat es grundsätzlich in der Hand, ob und inwieweit er weiterhin kontaktiert werden will.

Er kann der weiteren Verwendung der Daten bei oder nach der Vertragsbeendigung beispielsweise widersprechen und seine Daten löschen bzw. sperren lassen. Auf das Widerspruchsrecht hat der Werbetreibende ausdrücklich hinzuweisen. Widerspricht der Betroffene einer werblichen Nutzung, ist diese keinesfalls mehr zulässig“, erläutert die Rechtsexpertin.

Keinen Zweifel an der Zulässigkeit des LVM-Handelns haben wir, wenn Vollmachten und die darin geregelte Postempfangsvollmacht nun beachtet werden. Mit der Einhaltung der Korrespondenzpflicht hatte die LVM in der Vergangenheit ja so ihre Probleme. Doch dass ein LVM-Werbe- und Rückgewinnungsschreiben an den mandatierten Versicherungsmakler adressiert wird, ist kurios und dürfte aufgrund mangelhafter IT erfolgt sein.

Jedenfalls arbeitet die LVM weiterhin mit ihren sogenannten ‚Vertrauensleuten‘, aber nicht mit Versicherungsmaklern zusammen, und eine Kundenrückgewinnung für die LVM und eine LVM-Agentur über Versicherungsmakler zu fahren, entbehrt jeglicher Sinnhaftigkeit.

‚vt’-Fazit: Die LVM hat offenbar ein IT-Problem. Auch die Datenverwendung fast sieben Jahre nach einer Vertragsbeendigung ist nicht vertrauenerweckend. „Damit wir Ihnen den bestmöglichen Schutz anbieten können, haben wir die Versicherungssumme von 20 Mio. € eingeführt“, wird in dem Werbe- und Rückgewinnungsschreiben ausgeführt. Wenn die LVM über sechs Jahre benötigt, um notwendige Anpassungen bei den Produktleistungen und der Prämiengestaltung hinzubekommen, würde auch das kein Vertrauen in Kompetenz und Leistungsfähigkeit des Versicherers fördern.

Die LVM mag ihre Ausschließlichkeitsvertreter als ‚Vertrauensleute‘ bezeichnen. Einem qualifizierten Versicherungsmakler, der nicht nur den individuellen Versicherungsbedarf ermittelt, sondern aus der Breite des Marktes passende Produkte herausfiltert, das Vertrauen zu schenken, dürfte sich für Verbraucher und Gewerbetreibende regelmäßig als die bessere Entscheidung erweisen.

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