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Mannheimer: Bei Ablehnung BSV-Abfindungsvereinbarung droht Kündigung

Auch die Mannheimer Versicherung AG (MVG), sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser, ist von der Betriebsschließungsproblematik betroffen. Betriebsschließungen auf Basis von Allgemeinverfügungen sieht sie nicht als Versicherungsfall. Dann wendet die MVG die sogenannte ‚bayerische Empfehlung‘ an, wobei sie jeden Einzelfall prüfen und einen individuellen Entschädigungsbetrag ermitteln will. Bei den sogenannten Kulanzangeboten auf Basis der ‚bayerischen Empfehlung‘ gilt u. E., dass individuell zu prüfen und vom VN zu entscheiden ist, ob die Annahme des Angebots sinnvoll ist, ggf. ein versierter Rechtsanwalt eingeschaltet und die Erfolgsaussicht eines Gerichtsverfahrens geprüft werden sollte.

Wie uns Versicherungsmakler berichten, kommt aber bei der Mannheimer ein ganz dicker Klops hinzu: „Meldet der Kunde einen Schaden und akzeptiert in der Folge unsere Vereinbarung nicht, sind wir zur Wahrung unserer Rechtsposition leider gezwungen, den Schaden abzulehnen und die BSV schadenbedingt zu kündigen. Der Kunde muss hierauf im Vorfeld unbedingt hingewiesen werden.“ So versucht die MVG im Makler-Portal unabhängige Vermittler zu instruieren. Nun sind schadenbedingte Kündigungen nichts Ungewöhnliches und die „Kündigung nach Versicherungsfall“ ist in § 92 VVG geregelt. Es bedarf keines Prophetentums, dass dann, wenn der BSV-Leistungsfall eingetreten ist und reguliert wird, eine schadenbedingte Kündigung erfolgt. Bei anderen Verträgen wird es zu einer Kündigung zum Ablauf kommen, vermutlich verbunden mit Vertragsänderungsangeboten. Den bei der Prämienkalkulation nicht berücksichtigten Pandemiefall will zukünftig kein Versicherer mehr zahlen oder durch unklare AVB weiterhin eine offene Flanke für Rechtsstreitigkeiten bieten.

Aber was teilt die Mannheimer da Versicherungsmaklern mit? Eine schadenbedingte Kündigung wird angedroht, wenn ein Kulanzangebot abgelehnt wird? Dazu haben wir den Mannheimer Vertriebsvorstand Jürgen Wörner um Stellungname gebeten: Auf Basis welcher Rechtsgrundlage kündigt die Mannheimer einen BSV-Vertrag, wenn ein VN eine Schadensmeldung zur BSV einreicht, die Prüfung der Mannheimer ergibt, dass nach deren Auffassung kein Versicherungsschutz besteht – bspw. weil die Schließung aufgrund einer Allgemeinverfügung erfolgte –, die Mannheimer statt Versicherungsleistung einen individuellen Entschädigungsbetrag mit Abfindungserklärung anbietet, diese Abfindungsvereinbarung aber vom VN nicht akzeptiert wird?

Die Möglichkeit zur Aufklärung nutzt Wörner nicht. Jedenfalls können wir Ihnen keine Antwort der MVG präsentieren. Nichtsdestotrotz stellen wir die MVG-Drohung auf den Prüfstand und werfen dazu einen Blick in § 92 Abs. 1 VVG: „Nach dem Eintritt des Versicherungsfalles kann jede Vertragspartei das Versicherungsverhältnis kündigen.“ Wenn aber nach Auffassung der MVG gar kein Versicherungsfall vorliegt, wie soll sich daraus das schadenbedingte Kündigungsrecht ergeben? Wir haben in den VVG-Kommentar Looscheders/Pohlmann (2010) geschaut: „Eine Kündigung ist nach Eintritt des Versicherungsfalls – d.h. nach Verwirklichung einer versicherten Gefahr für die versicherte Sache am Versicherungsort – möglich.“ Weiter heißt es Kulanzzahlungen: „Leistet der Versicherer ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und Auseinandersetzungen, scheidet ein Kündigungsrecht aus (…)“ Fachanwältin für Versicherungsrecht Kathrin Pagel, Partnerin der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, erläutert auf ‚vt‘-Anfrage das Kündigungsrecht:

„Die Kündigungsberechtigung des § 92 VVG setzt den ‚Eintritt des Versicherungsfalls‘ voraus. Das bedeutet im Gegenzug, wenn der Versicherungsfall nicht eingetreten wäre, ist jedenfalls die Kündigung innerhalb der Frist von einem Monat nach dem Versicherungsfall nicht möglich.“  Pagel weist darauf hin, „das bedeutet aber nicht, dass der Versicherer grundsätzlich nicht kündigen dürfte. Beruft der Versicherer sich aber ausdrücklich auf § 92 VVG, ist diese Kündigungsmöglichkeit wohl ausgeschlossen. Eine Kündigung zum Ende der Versicherungsperiode wäre hingegen grundsätzlich möglich. In dem verbleibenden versicherten Zeitraum eintretende neue Versicherungsfälle wären weiterhin versichert. Stellt sich jedoch heraus, dass entgegen der Annahme des Versicherers ein Versicherungsfall gegeben war, kommt es zu spannenden Folgefragen.“ Die Fachanwältin betont: „Ein Versicherer darf sich meines Erachtens dann nicht auf eine Kündigung gemäß § 92 VVG berufen, wenn er gleichzeitig den Eintritt des Versicherungsfalles verneint.“ Die BSV-Problematik wie Nichtzahlung bei Allgemeinverfügungen stellt die Gesamtbranche mit Versicherern und Vermittlern ebenso wie die Kundenbeziehungen ohnehin auf eine Belastungsprobe. Einzelne Versicherer toppen das aber sogar noch, indem sie kurze Fristen setzen für die Annahme der sogenannten Kulanzangebote, oder indem sie die 15 % der ‚bayerischen Empfehlung‘ unterschreiten. Die Mannheimer fügt ein weiteres negatives Kapitel hinzu, wenn sie Kunden mit der schadenbedingten Kündigung droht, wenn diese eine Kulanzvereinbarung nicht unterzeichnen. Eine Rechtsgrundlage dafür ist nicht ersichtlich. Oder hat die Mannheimer versucht, Versicherungsmakler, die diese (Falsch-)Information „unbedingt beachten“ sollen, vor den Karren zu spannen, damit diese Druck auf den VN im Sinne Unterzeichnung der Vereinbarung ausüben? Unsere Frage an MVG-Vorstand Wörner, welche Folgen dieser Vorgehensweise die Mannheimer seitens freier Vermittler bzgl. weiterer Zusammenarbeit erwartet, blieb ohne Antwort.

‚vt‘-Fazit: ll Lassen Sie sich als Versicherungsmakler mit fehlerhaften Versicherer-Informationen nicht ins Bockshorn jagen. Versicherungsmakler haben im Lager des Kunden zu stehen, sie sind nicht Handlanger für Versicherer ll Die Mannheimer sollte die Falschinformation zurückziehen und sich bei Versicherungsmaklern für die rechtlich unhaltbare ‚Anweisung‘ entschuldigen.

 

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