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Nach fragwürdigem Vertreter-Gegenangebot lässt AXA Kunden auf Schaden sitzen

Ein Unternehmer ist nicht nur Macher und trägt eine große Verantwortung, er steht mit seinem Unternehmen auch in der Haftung, wenn er selbst oder einer seiner Mitarbeiter einen Schaden verursacht. Eine Betriebshaftpflichtversicherung schützt im Schadenfalle vor Schadenersatzansprüchen – jedenfalls dann, wenn man die richtige hat.

Ein Kunde der AXA Versicherung AG, ein selbstständiger ‚kleiner‘ Handwerker, steht aktuell mit einem Schaden von rund 17.000 € in der Haftung, den der französische Versicherer nicht bezahlen will: Der Bauunternehmer aus der Region Ostwestfalen-Lippe war jahrelang bei der ERGO Versicherung AG versichert, sowohl mit der Betriebshaftpflicht als auch dem Rechtsschutz für Selbstständige. Im Jahre 2020 versucht ein AXA-Vertreter ihn unter seine Fittiche zu bekommen. „Abschluss Betriebs-HV / Gegenangebot zur ERGO“, ist in der Beratungsdokumentation vom 20.02.2020 als Gesprächsanlass angegeben.

Der Aus­schließlichkeitsvermittler der AXA liegt mit seinem Gegenangebot offenbar gut und hat Erfolg. Am 26.05.2020 wird der Antrag auf eine „Profi-Schutz-Haftpflichtversicherung für das Baugewerbe – Geschäftssegment Firmen“ gestellt. Als Beruf ist ‚Bauunternehmer‘ eingetragen. Als Beschäftigungsverhältnis ‚Selbstständige / Firma‘ und als Berufsgruppe ‚Bau- und Bau-Nebenhandwerk‘, die Laufzeit ist vom 19.05.2021 bis 01.01.2023 mit jährlicher Verlängerung.

Wie in den Jahren zuvor bei der ERGO bleibt auch der AXA-Vertrag die ersten Jahre schadenfrei. Doch im Juli 2023 unterläuft dem Handwerker ein Fehler, der zu einem Nässeschaden führt. Den meldet er seinem AXA-Agenten im Vertrauen auf den abgeschlossenen ‚Profi-Schutz für das Baugewebe‘. Doch Anfang August fällt der AXA-Kunde aus allen Wolken, als ihm das Schadenteam mitteilt: „Leider können wir Ihnen für diesen Schaden keinen Versicherungsschutz bieten.“

Er habe im Auftrag einer Bank die Komplettsanierung an einem Flachdach vorgenommen. Aufgrund mangelhafter Wandabdichtungen sei Wasser in die darunter liegenden Büroräume eingedrungen. Doch er habe in der Betriebshaftpflichtversicherung das Risiko „Holz- und Bautenschutz“ versichert. „Die Auftragsannahme und Durchführung von Dachdeckerarbeiten und Dachsanierungen sind von diesem versicherten Risiko nicht umfasst“, begründet AXA die Schadenablehnung. Der AXA-Vertreter, dem er einst vertraute, ist keine Hilfe in der Not. So sucht der Bauunternehmer einen neutralen Experten und mandatiert den Versicherungsmakler Dirk Brüggenthies, Brüggenthies Versicherungsmakler GmbH & Co. KG/Bad Salzuflen.

Versicherungsmakler Brüggenthies entdeckt Ungereimtheiten im Versicherungsvertrag mitsamt Beratungsdokumentation und der Schadenablehnung. Mitte Oktober moniert er inhaltliche Fehler im Ablehnungsschreiben der AXA. Der VN sei nicht im Auftrag der Bank, sondern als Subunternehmer tätig gewesen. Insbesondere habe dieser keine Komplettsanierung durchgeführt, sondern sei lediglich als unterstützender Monteur des Auftragnehmers tätig gewesen.

Ergänzend weist Brüggenthies auf einen Widerspruch in der Beratungsdokumentation und der Police hin. Der VN habe im Rahmen der Beratung für den Wechsel vom Vorversicherer den AXA-Vertreter darauf hingewiesen, dass der Versicherungsschutz gegeben sein solle wie beim Vorversicherer. Die ERGO-Police habe dem AXA-Vertreter vorgelegen. Dort war das Risiko „Montagebetrieb“ versichert. Mithin wäre das schadenverursachende Risiko versichert gewesen. Tatsächlich steht in der Beratungsdoku zur Begründung der Produktempfehlung: „VersSchutz analog Vor-VR und Kundenwunsch.“

Eine Antwort gibt AXA dem Versicherungsmakler trotz Vorlage der Vollmacht aber nicht. Nach einem Mo­nat greift Brüggenthies zum Hörer. Nach Ewigkeiten in der AXA-Warteschleife hat er einen Mitarbeiter des Versicherers am Telefon, der ihm zusagt, dass der Vorgang nun priorisiert wird. Was eine zügige Bearbeitung bei der AXA bedeutet, erfährt Brüggenthies in den nächsten Wochen. Denn die verlaufen ohne Reaktion, schließlich landet der Vorgang auf dem ‚vt‘-Redaktionstisch.

Wir konfrontieren Dr. Thilo Schumacher, Vorstandsvorsitzender AXA Konzern AG, mit dem Sachverhalt und bitten ihn um Stellungnahme zu folgenden Fragen: ++ Sind Bearbeitungszeiten von sieben Wochen üblich bei der AXA? Wenn nein, warum dauert die Bearbeitung in diesem Fall so lange? Wenn ja, woran liegt das und welche Maßnahmen wird AXA ergreifen, um kundenfreundliche Bearbeitungszeiten sicherzustellen? 

++ Der VN hat eine Haftpflichtversicherung für das Baugewerbe abgeschlossen. Zum Baugewerbe zählen auch Dachdeckerarbeiten. Warum ist nach Auffassung der AXA der Schaden dennoch nicht versichert?  ++ Ist die Tätigkeit als unterstützender Monteur versichert?  ++ Der VN wollte eine Versicherung, die dem Schutz der Vorversicherung entspricht. Die schadenverursachende Tätigkeit sei laut Versicherungsmakler dort versichert gewesen. Nach der ‚Auge und Ohr-Rechtsprechung‘ müsste die AXA als Patron für einen Beratungsfehler des Vertreters haften.

Liegt nach Auffassung der AXA ein Beratungsfehler vor, für den AXA die Haftung übernimmt? Wenn nein, warum nicht? „Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass wir uns zu einzelnen Fällen bzw. Vertragsverhältnissen grundsätzlich nicht äußern. Insofern müssen wir von einer Beantwortung Ihrer Fragen an dieser Stelle absehen“, nutzt AXA die Möglichkeit zu einer transparenten Aufklärung nicht. Doch zumindest bringt die ‚vt‘-Anfrage an den AXA-Boss Bewegung in die Sache:

Ein Sachbearbeiter aus der AXA-Schadenabteilung ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht (oder gerissen worden?) und teilt dem Versicherungsmakler fünf Tage nach der ‚vt‘-Anfrage mit, man habe den Vorgang nochmalig geprüft. Doch für die ausgeführte Tätigkeit gewähre man keinen Versicherungsschutz. „Die versicherte (Montage-)Tätigkeit beinhaltet keine Dachsanierungsarbeiten.“ Hierfür sei auch nicht relevant, „in welchem Umfang und in wessen Auftrag diese Tätigkeit durchgeführt wird. Entscheidend ist einzig die Tätigkeit selbst, die weder eine versicherte Haupt- noch eine Nebentätigkeit darstellt.“

Während in der ersten Ablehnung darauf verwiesen wurde, dass in der Betriebshaftpflichtversicherung das Risiko „Holz- und Bautenschutz“ versichert sei, wird in der zweiten Ablehnung von der AXA die Auffassung vertreten, bei der Betriebshaftpflicht läge eine „versicherte (Montage-)Tätigkeit“ vor. Weiß AXA nicht so genau, was denn nun mit der zugrundeliegenden „Profi-Schutz-Haftpflichtversicherung für das Baugewerbe“ versichert ist?

Umso unklarer dürfte es dem Handwerker gewesen sein, der zunächst bei der ERGO seine Rechtsschutzpolice als „Bauunternehmen“ hatte, die ebenfalls vom AXA-Vertreter umgedeckt wurde. Wenig überraschend als Rechtsschutz bei der ROLAND für die Branche „Bauunternehmen“. Für Versicherungsexperten ist klar, dass die Betriebsart bei Rechtsschutz eine andere Folge hat als bei der Betriebshaftpflicht. Für den kleinen als Einmannbetrieb tätigen Handwerker ist aber nicht nur das verwirrend.

Die laut Antrag „Profi-Schutz-Haftpflichtversicherung für das Baugewerbe“ (fett gedruckt) mit dem „Geschäftssegment Firmen“ führt als Beruf „Bauunternehmer“, als Berufsgruppe „Bau- und Bau-Nebenhandwerk“ sowie als versicherter Betrieb „Holz-/ Bautenschutz“ auf, um dann, nun wie eingangs wieder fett gedruckt, abschließend explizit nochmals auf die „Profi-Schutz-Haftpflichtversicherung für das Baugewerbe“ hinzuweisen.

Erneut werden wir bei den Statthaltern des französischen Versicherungsriesen vorstellig mit folgenden Fragen: ++ Im Antrag und in der Police von ROLAND ist als zu versichernde Branche ‚Bauunternehmen‘ angeben. Laut ERGO-Versicherungsschein zur Gewerbe-Haftpflichtversicherung ist die gesetzliche ‚Haftpflicht als Montagebetrieb‘ versichert.  Wie vereinbart es sich nach Auffassung der AXA mit den Beratungspflichten des AXA-Vertreters, dass in der Betriebshaftpflichtversicherung als versicherter Betrieb ‚Holz-/Bautenschutz‘ vereinbart ist? 

++ Anlass der Beratung zum Abschluss der Betriebshaftpflicht war, ein Gegenangebot zur ERGO zu unterbreiten. Konnte der AXA-Vertreter durch Auswahl ‚Holz-/Bautenschutz‘ als versicherten Betrieb ein günstigeres Angebot erstellen als bei der Auswahl ‚Bauunternehmen‘? Diesem Verdacht tritt AXA nicht entgegen und trägt weiterhin nichts zur Aufklärung bei. Dass dem Bauunternehmer klar war oder von dem AXA-Vertreter darüber aufgeklärt wurde, welche Tätigkeiten nicht versichert sind, lässt sich der Beratungsdoku nicht entnehmen.

‚vt‘-Fazit: Der Bauunternehmer glaubte bei der AXA gut abgesichert zu sein. Wenn der AXA-Vertreter das „Gegenangebot zur ERGO“ mit dem Zusatz „Holz-/Bautenschutz“ als versicherter Betrieb getrimmt hat, um preislich konkurrieren zu können, liegt nach unserer Auffassung eine Fehlberatung vor, für die der Patron AXA entsprechend der ‚Auge und Ohr-Rechtsprechung‘ haftet. Bisher schiebt die AXA allerdings jegliche Schuld auf den Handwerker und will den Schaden nicht zahlen. Wir bleiben für Sie am Ball, ob damit das letzte Wort gesprochen ist.

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