vt – Aktuelle Themen

Nach Helberg- und ‚vt‘-Kritik: HDI nimmt überzogenen BU-Fragebogen vom Markt (Teil 2)

Zur Bedarfsfeststellung bei vertraglich vereinbarten dynamischen Erhöhungen von BU-Versicherungen verschickte HDI Lebensversicherung AG einen Erhebungsbogen mit u. E. unzulässigen Fragen (vgl. ‚vt‘ 41/21).

Von Vertriebsvorstand Wolfgang Hanssmann wollten wir am 01.10. wissen, auf Basis welcher gesetzlichen oder vertraglichen Regelung HDI Leben zur Bedarfsfeststellung Fragen stellt ++ zum jährlichen Bruttoeinkommen der letzten drei Jahre ++ zu Tätigkeiten, die vor der jetzigen Beschäftigung ausgeübt wurden, einschließlich des erlernten Berufes  ++ zu den aktuell ausgeübten Tätigkeiten und ++ evtl. neben dem Beruf gegen Entgelt ausgeübten Tätigkeiten.

Wenn wir die Fragen im Erhebungsbogen als unzulässig bewerten, dann gibt uns die Einschätzung der Rechtsexpertin Kathrin Pagel, Partnerin in der Kanzlei Michaelis, Recht: „Nach Art. 5 DSGVO müssen personenbezogene Daten angemessen, erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein.“ Die Fachanwältin für Versicherungsrecht erläutert: „Bei der Prüfung der Voraussetzungen der Ausübung einer Erhöhungsoption dürften lediglich diejenigen Auskünfte zu Daten des Versicherungsnehmers erforderlich und damit rechtmäßig erhoben sein, die für die Entscheidung des Versicherers, eine Erhöhung durchzuführen oder nicht, relevant sein könnten. Soweit der Versicherer für die Ausübung einer solchen Erhöhungsoption eine konkrete Prüfung vorgesehen hat, ist er an die von ihm selbst aufgestellten Rahmenbedingungen gebunden.“

Die Unrechtmäßigkeit der Fragen hat dann wohl auch HDI erkannt, jedenfalls wurde der Fragebogen inzwischen zurückgezogen und eingestampft. Denn dem BU-Experten Matthias Helberg, Inhaber der Matthias Helberg Versicherungsmakler e. K./Osnabrück, der sich im Kundeninteresse bei HDI beschwert hatte, teilte der Versicherer am 07.10. schriftlich mit: „Wir haben die Dynamikschreiben im System abgeklemmt (…) Leider sind letztes Wochenende noch 14.000 Schreiben versandt worden (…) Sollten Ihre Kunden davon betroffen sein, können Sie diese und auch bereits erhaltene Schreiben ignorieren. Wir brechen alle Vorgänge ab und lassen die Dynamiken normal durchlaufen.“ Das ist eine gute und notwendige Entscheidung, die alle Versicherungsmakler kennen sollten. Doch damit ist noch lange nicht geklärt, was HDI aus den bisher zurückerhaltenen Fragebögen zum Nachteil der VN gemacht hat oder machen wird:

Denn der Fragebogen belehrt über die drastischen VVG-Folgen bei nicht wahrheitsgemäßer oder nicht vollständiger Beantwortung der gestellten Fragen. „Sie sind gesetzlich verpflichtet, uns vor (…) Erhöhung einer Versicherung alle Ihnen bekannten Umstände zu jeder der nachfolgend gestellten Fragen wahrheitsgemäß und vollständig anzugeben“, belehrt HDI die angeschriebenen VN über deren vorvertragliche Anzeigepflicht. Und VN, die das nicht machen, gefährden ihren „Versicherungsschutz, denn dies kann dazu führen, dass Sie Ihren Versicherungsschutz durch Rücktritt, Kündigung oder Anfechtung rückwirkend verlieren …“.

Die Fragen sind unzulässig, aber dennoch soll die Beantwortung womöglich krasse Folgen haben können? Das ist keinesfalls auszuschließen, erläutert Rechtsanwältin Pagel: „Soweit der Versicherer über die gefahrerheblichen Umstände hinausgehend weitere und andere Umstände erfragt, dürften diese im Umkehrschluss nicht anzeigepflichtig sein.“ Aber: „Gibt jedoch der VN trotz fehlender Verpflichtung zur Auskunft unrichtige Umstände an, könnte gegebenenfalls dennoch eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers vorliegen.“

Umso berechtigter sind unsere Fragen an Hanssmann: ++ Welche Folgen kann es für VN haben, wenn sie die Fragen zum jährlichen Bruttoeinkommen korrekt beantworten und bei den Fragen zur beruflichen Tätigkeit unrichtige Angaben machen? ++ Schließt HDI Leben die Folgen laut Belehrung zur vorvertraglichen Anzeigepflicht aus, wenn VN die Fragen zu früheren, jetzigen und ggf. weiteren Tätigkeiten nicht wahrheitsgemäß beantworten?

Fragen, die HDI nicht beantwortete, was uns aber nach der Helberg-Info, dass der HDI seinen Fragebogen schreddert, nicht von weiteren Fragen an den Vertriebsvorstand abhielt: ++ Bedingungsgemäß wird das Bruttoeinkommen des letzten Jahres herangezogen. Im Fragebogen werden aber die jährlichen Bruttoeinkünfte der letzten drei Jahre abgefragt. Welche Folgen hatte es bisher, wenn sich aus dem Durchschnitt der letzten drei Jahre ein niedrigeres Einkommen ergab als das Bruttoeinkommen des letzten Jahres? ++ Wurde dann die finanzielle Angemessenheit auf zu niedriger Basis ermittelt, mit der Folge, dass Dynamikerhöhungen nicht vorgenommen wurden? Wie verfährt HDI mit Verträgen, bei denen die Ablehnung der Dynamik unrechtmäßig erfolgte? Wird HDI alle Dynamikablehnungen einer Prüfung unterziehen und die betroffenen Kunden anschreiben? Müssen die Kunden sich bei HDI selbst melden? ++ Wie verfährt HDI mit Verträgen, bei denen die Dynamik eingestellt wurde, weil die Kunden den offensichtlich nicht bedingungsgemäßen Fragebogen nicht ausgefüllt haben? Ob HDI angesichts der Komplexität der Folgen aus dem unzulässigen Fragebogen noch keine Lösungen für die Probleme hat, wissen wir nicht. Jedenfalls blieben auch die Hanssmann am 08.10. gestellten Fragen bisher ohne Antwort. Ein schlechtes Zeichen.

‚vt‘-Fazit: HDI stampft seinen Erhebungsbogen mit unrechtmäßigen Fragen ein und winkt die Dynamikerhöhungen durch. VN/Versicherungsmakler sollten die Erhebungsbögen ignorieren. Dieser Erfolg durch Versicherungsmakler Helberg und ‚vt‘ ist praktizierter Verbraucherschutz. Das löst leider nicht alle Probleme, die aber gigantisch sein können. Wenn allein „letztes Wochenende noch 14.000 Schreiben versandt worden“ sind (!), dann liefert das eine Vorstellung, wie viele VN in den letzten Wochen diesen Erhebungsbogen erhalten haben. Wenn ein Versicherer jenseits der vertraglichen Regelungen Sachverhalte unberechtigt abfragt, sehen wir dieses VU in der Pflicht, sicherzustellen, dass Antworten, die zu einer Versagung der Dynamikerhöhung führten, oder unvollständige/nicht wahrheitsgemäße Antworten, im Sinne der VN aufgearbeitet werden und nicht zu Nachteilen führen.

Für einen Maklerversicherer dürfte das eine Selbstverständlichkeit sein. Aber auch den HDI sehen wir mit Blick auf § 1a VVG zu einer umfassenden Prüfung und Information der VN gefordert. Da uns HDI hierzu keine klare und verbindliche Antwort gibt, sollten Versicherungsmakler im Interesse der betroffenen Kunden bei HDI nachfassen.

Dazu liefern wir Ihnen hier ein Musterschreiben.

Dieser Beitrag ist frei lesbar. Wenn Sie den 'direkten Draht' für das vertrauliche Gespräch mit Ihrem ‚versicherungstip‘-Chefredakteur nutzen, umfassend und zeitnah informiert und vollen Zugriff auf alle Print- und Digital-Leistungen von ‚versicherungstip‘ haben möchten: Sichern Sie sich umgehend die volle Leistungspalette  mit einem

'versicherungstip'-Abonnement.

Damit erhalten Sie

• wöchentlich die 'versicherungstip'-Ausgabe per Post

• dazu Spezial-Beilagen aus den Bereichen Beratung, Recht und Steuern

• vollen digitalen Zugriff auf alle Berichte in versicherungstip ab dem Erscheinungstag

• vollen digitalen Zugriff auf alle Service-Unterlagen (Urteile, Verordnungen, Gesetzentwürfe, Anwendungsschreiben etc.)

• vollen digitalen Zugriff auf unsere Volltext-Suche in allen 'vt'-Veröffentlichungen seit 2002 für Ihre Recherche und

•  Sie können den 'direkten Draht' für das vertrauliche Gespräch mit Ihrem Chefredakteur nutzen.

Hier finden Sie weitere Informationen zum 'versicherungstip' und zur Leistungspalette.

Teilen Sie diese Neuigkeit in Ihrem Netzwerk